Studioalbum "57th & 9th"

Sting kehrt zurück zu seinen Wurzeln

Der britische Musiker Sting steht bei einem Auftritt beim Java Jazz Festival im März 2016 in Jakarta, Indonesien mit umgehängter Gitarre vor einem Mikrofon auf der Bühne und streckt beide Arme in die Höhe.
Der britische Musiker Sting bei einem Auftritt beim Java Jazz Festival im März 2016 in Jakarta, Indonesien © EPA
Von Christiane Rebmann · 11.11.2016
Nach verschiedenen Experimenten hat sich Sting - inzwischen 65 - bei seinem neuen Album "57th & 9th" auf seine alten Qualitäten besonnen: Er mischt Pop mit Rock, Folk, Jazz und anderen musikalischen Elementen. Die Rückkehr zu seinem alten Stil hat aber wohl auch mit einigen Misserfolgen zu tun.
"Wenn ich Musik höre, möchte ich überrascht werden. Wenn ich Musik komponiere, möchte ich überraschen."
In den letzten 13 Jahren hat Sting das mit Experimenten im Klassik- und Musicalbereich versucht. Und irgendwann waren wir nicht mehr wirklich überrascht, sondern eher ein wenig gelangweilt, weil zum Beispiel das für den Broadway geschriebene Album "Last Ship" von 2013 ziemlich manieriert klang.
Aber diesmal hat sich der britische Musiker auf seine alten Qualitäten besonnen. Auf "57th & 9th" mischt er Pop mit Rock, Folk, Jazz und anderen musikalischen Elementen. Zum Beispiel im orientalisch anmutenden "Inshallah", in dem er zu Solidarität mit den Flüchtlingen aufruft.
"Das Ironische an dieser Situation ist, dass die Waffen, vor denen die Flüchtlinge fliehen, in Deutschland hergestellt werden. Sie werden in Großbritannien oder Frankreich, in Russland und den USA hergestellt."
Dazu kommt, dass wir alle von Flüchtlingen abstammen, sagt er.
"Unsere Vorfahren kommen aus Afrika. Sie waren hunderttausende von Jahren auf der Flucht."
Das Wort "Inshallah" gefiel ihm wegen seines Klanges und der Bedeutung.
"Inshallah ist ein schönes Wort aus der arabischen Sprache. Es heißt so viel wie: Gottes Wille möge geschehen. Es bedeutet Resignation, aber auch Hoffnung und Mut. Die Flüchtlingskrise betrifft uns alle. Sie wird uns noch das ganze Jahrhundert hindurch begleiten. Wenn es eine Lösung gibt, muss sie auf Mitgefühl beruhen. Deshalb habe ich mich in die Situation eines Mannes versetzt, der mit seiner Frau und seinen Kindern vor einer schrecklichen Gefahr flüchtet."

Die alten Weggefährten sind wieder dabei

Sting sieht ganz fit aus. Seine zwischendurch grauen und jetzt dunkelblonden Haare haben eine wundersame Verdichtung erfahren. Und mit seinen 65 Jahren ist er ganz gut bei Stimme. Das hohe C erreicht er immer noch mühelos, erzählt er stolz. Und eigentlich findet er seine Stimme heute besser als früher. Kein Wunder, er pflegt sie ja auch sorgfältig.
"Ich habe nie in meinem Leben etwas Legales geraucht. (lacht) Das hilft. Ich sehe, Sie lachen. Was die Stimme betrifft: Sie ist ein Muskel, den man trainieren muss. Bevor ich singe, wärme ich sie also auf, wie ein Athlet."
Dazu kommt das tägliche Körper- und Ohrentraining.
"Ich höre viel klassische Musik. Ich liebe Bach. Ich schwimme jeden Morgen zu Bachs Cello Suiten. Ich werde nie müde, sie zu hören."
Neben Gästen wie dem Schlagzeuger Josh Freese hat Sting wieder seine alten Weggefährten wie den Drummer Vinnie Colaiuta und den Gitarristen Dominic Miller dabei, die ihn auch auf seinen Tourneen begleiten. Man hört dem Album an, dass die Musiker einander blind vertrauen.
Das Repertoire ist zweigeteilt. Die eine Hälfte klingt ruhig und folkig. Die andere eher rockig-druckvoll. "I can't stop thinking about you" erinnert er an seine alte Band Police.
"Das ist doch keine Überraschung. Schließlich habe ich die Musik von The Police in meiner DNA. Ich habe damals die Songs geschrieben. Und hin und wieder kommt dieser Teil an die Oberfläche."

Sehr abwechslungsreiches Album

Statt abgehoben mit prätentiöser Lautenmusik präsentiert sich Sting jetzt also wieder entspannt und nahbar mit Pop in diversen Schattierungen. Dass er sich mit seiner Musicalbauchlandung am Broadway finanziell ruiniert hat, ist wohl einer der Gründe, warum er zu seinem alten, kommerzielleren Stil zurückgekehrt ist.
Es gibt keine musikalischen Überraschungen an sich auf "57th & 9th". Das Ganze wirkt ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Das macht aber nichts, denn Sting beweist, dass er immer noch sehr schöne, eingängige Melodien schreiben kann.
Hier und da fällt er in alte Gewohnheiten zurück und überfrachtet seine Songtexte. In "One Fine Day" handelt er gleich mehrere Sorgenthemen wie Klimakatastrophe und Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich ab. Damit die Hörer nicht sofort genervt abwinken, lässt er das Lied leichtgängig und sogar ein wenig beschwingt klingen.
"Das ist Teil meiner Strategie. Ein Song sollte wie ein trojanisches Pferd sein, dessen Inhalt sich in den Köpfen der Leute einnistet. Ich habe immer schon ernsthafte Anliegen in Songs verpackt, die bestenfalls Ohrwürmer waren."
Mit "57th & 9th" ist Sting ein sehr abwechslungsreiches Album gelungen. Es wirkt frisch und in den rockigeren Songs sogar euphorisierend. Er bewegt sich hier in den Genres, die er am besten beherrscht und die zu seiner Stimme passen.
Mehr zum Thema