Studio 9 - Der Tag mit Sylke Tempel

Exit vom Brexit? "Illusionär"

Die Journalistin Sylke Tempel
Zu Gast in "Studio 9": Sylke Tempel © Deutschlandradio / Manfred Hilling
Moderation: Anke Schaefer · 19.04.2017
Exit vom Brexit? Sylke Tempel hält das für "illusionär". Außerdem in "Studio 9" mit der Chefredakteurin der Zeitschrift "Internationale Politik": Frankreich und ein möglicher Frexit, die USA auf Abwegen und Regieren im Selbstversuch.
Frankreich am Sonntag, Großbritannien überraschend schon Anfang Juni - zwei große europäische Länder wählen. Den Exit vom Brexit hält die Autorin und Journalistin Sylke Tempel für "illusionär". Einen Rückzieher der Briten würde Tempel allerdings begrüßen, "wir haben die ja ganz gern an Bord gehabt". Eine Mitschuld an der großen EU-Skepsis gibt Tempel den britischen Medien. "Die Europäische Union, die die da beschreiben, würde ich auch nicht wollen." Auch Politiker wie Boris Johnson hätten bei der Brexit-Debatte schlichtweg gelogen. Bei vielen Populisten vermutet Tempel eine "frivole Zerstörungslust" dahinter. Dabei würden wir in Europa "faktisch die beste Zeit erleben, die wir je hatten".

"Die große Lüge"

In Frankreich steht am Sonntag der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahl an. In den Umfragen sind unter den vier Kandidaten, die eine Chance auf die Stichwahl haben, zwei, die mehr oder weniger offen für einen Austritt Frankreichs aus der EU werben: die Kandidatin des Front National, Marine Le Pen, und der linke Jean Luc Melenchon. Frankreich, so Tempel, hätte sich wie andere Länder enorm verändert. Le Pen und Politiker wie Trump, Erdogan, Petry oder Putin würden erzählen, "die Welt da draußen ist ganz furchtbar" und die Rettung versprechen. "Sie sind diejenigen die sagen, wenn wir die Welt da draußen aussperren, wenn wir die nationalen Grenzen wieder dicht machen, dann wird alles wieder gut. Das ist die große Lüge."

Trumps Politik? "Ins Knie geschossen"

Bei Donald Trump wird Sylke Tempel sehr deutlich. Per Dekret hat der US-Präsident härtere Bedingungen für die Einreise ausländischer Fachkräfte erlassen. Für Tempel ein großer Fehler. "Wenn ich Visa gerade für Hochqualifizierte nicht mehr vergebe, also die Leute, die die Wissensindustrie vorantreiben, dann hat man sich nicht nur in eine Kniescheibe geschossen, dann hat man sich gleich in zwei Kniescheiben geschossen." America first - eine Chance für Länder wie Deutschland, die dadurch international attraktiver werden für die Hochqualifizierten? Die Journalistin glaubt nicht daran. Die USA hätten eine "Kultur von Risikokapital und eine Kultur des Scheiterns. Das haben wir so noch nicht".

Die Politikwissenschaftlerin Sylke Tempel gilt als ausgewiesene "Transatlantikerin". Sie hat u.a. in New York wissenschaftlich zu deutschen-amerikanischen Fragen geforscht. Seit 1994 unterrichtet Sylke Tempel an der Berliner Außenstelle der Stanford University. Die Leitung der Zeitschrift Internationale Politik hat die Journalistin seit 2008 inne. Zuvor war sie unter anderem Korrespondentin für "Die Woche" im Nahen Osten.

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