Studiengebühren ade?

Von S. Schrammar, B. Mersch, M. Watzke · 29.01.2013
Drei von fünf Bundesländern, in denen es Studiengebühren gab, haben sie längst wieder abgeschafft. Niedersachsen will nachziehen, in Bayern steht die Regierungskoalition wegen dieser Frage vor der Zerreißprobe. Über das Für und Wider von Studiengebühren.
Warum sich Niedersachsen von der Campus-Maut verabschiedet
Von Susanne Schrammar

Studiengebühren waren mal eine politische Erfolgsstory: Noch vor fünf Jahren verlangten sechs große Bundesländer von ihren Studenten Geld fürs Studieren. Damit sollten die chronisch unterfinanzierten Universitäten ihre Einnahmen aufbessern und die hochverschuldeten Länderhaushalte sollten entlastet werden. Doch nachdem Hessen, Saarland, Nordrhein-Westfalen und Baden- Württemberg die Studiengebühren längst wieder abgeschafft haben, steht die Campus-Maut nun auch in Niedersachsen und Bayern zur Disposition.

In Bayern soll ein Volksbegehren den 500 Extra-Euros pro Semester ein Ende setzen. In Niedersachsen hatten SPD und Grüne schon vor ihrem Wahlsieg versprochen, die erst 2007 eingeführten Studiengebühren zu kippen. Bleibt die Frage, wer die Abschaffung der Studienmaut unterstützt und ob es gute Erfahrungen aus anderen Bundesländern gibt. Wie schnell will die neu gewählte rot-grüne Koalition in Niedersachsen ihr Vorhaben nun umsetzen und wie stark beeinträchtigt dieser Schritt die Universitäten? Susanne Schrammar berichtet.

Julia Amthor räumt auf. Die Plakate mit dem Aufruf zur letzten Demo gegen Studiengebühren in Niedersachsen können weg. Auch der kleine nachgebaute Protest-Sarg mit dem Hinweis "Studiengebühren zu Grabe tragen" wird erst mal nicht mehr gebraucht im Büro des Allgemeinen Studierenden Ausschuss an der Universität Hannover. Mit dem rotgrünen Regierungswechsel in Niedersachsen werden nun, acht Jahre nach ihrer Einführung, die Studiengebühren wieder abgeschafft. Auch ein Erfolg der Studentenschaft, sagt Asta-Sprecherin Amthor.

Amthor: "Wir haben auch in den letzten Wochen nochmal sehr stark für die Demonstrationen mobilisiert und haben da einen großen Erfolg mit gehabt und haben da sehr stark für gekämpft. Es bedeutet erstmal eine finanzielle Entlastung, was dann oft zur Folge hat, dass man vielleicht weniger arbeiten muss und mehr Zeit für’s Studium hat oder im Zweifelsfall auch mal Freizeit hat – was ja auch immer ein wichtiger Aspekt ist. Und dass man sich dann auch mal eher leisten kann, auch ein Semester länger zu studieren, wenn man nicht noch den Druck hat, immer wieder die Gebühren aufbringen zu müssen – also schon eine Entlastung."

Das Thema Studiengebühren war ein zentrales im niedersächsischen Wahlkampf der vergangenen Wochen und die Fronten dabei klar abgesteckt: Die bisherige schwarz-gelbe Landesregierung, die die Gebühren 2005 in Niedersachsen eingeführt hatte, wollte daran festhalten und verwies dabei vor allem auf verbesserte Studienbedingungen: mehr Dozenten, längere Bibliotheksöffnungszeiten, bessere Laborkapazitäten. Rot-Grün hingegen hält die 500 Euro, die Studierende bisher pro Semester bezahlen müssen, für sozial ungerecht, abschreckend und will weg davon.

Dabei haben die beiden Parteien die Mehrheit der Niedersachsen hinter sich: 72 Prozent sprachen sich vor der Wahl in einer Umfrage von infratest dimap für die Abschaffung der Studiengebühren aus. Und die kommt jetzt auch: Dank der neuen, hauchdünnen Mehrheit von Rot-Grün.

Gabriele Heinen-Klajic, Hochschulexpertin der Grünen-Fraktion im Landtag: "Wir hoffen auf jeden Fall, dass wir dann denjenigen, die ohnehin schon finden, dass ein Studium erstmal eine sehr teure Angelegenheit ist – weil man muss ja nichtsdestotrotz ja auch seinen Lebensunterhalt finanzieren – dass diejenigen dann zumindest keine zusätzliche Hürde haben, das Studium aufzunehmen und damit zumindest an der Stelle wieder etwas mehr Chancengleichheit herrscht zwischen Kindern aus reichen Elternhäusern und Kindern aus armen Elternhäusern."

Doch die Studiengebühren fallen nicht sofort. Voraussichtlich noch bis zum Wintersemester 2014/2015 müssen Studierende in Niedersachsen die Zwangsabgabe weiter zahlen. Die künftige rot-grüne Regierung - die sich zur Zeit noch in den Koalitionsverhandlungen befindet - will erst einen Kassensturz machen und im Haushalt nach Möglichkeiten suchen, die wegfallenden Einnahmen für die Hochschulen – rund 100 Millionen Euro jährlich – in voller Höhe zu kompensieren. Doch weil die bisherige schwarz-gelbe Landesregierung den Haushalt für dieses Jahr bereits verplant hat, sieht Rot-Grün 2013 keine finanziellen Spielräume für eine sofortige Abschaffung. Falls bei der Bundestagswahl ebenfalls ein Regierungswechsel gelingt, so hoffen die Sozialdemokraten, könnte eine mögliche Steuererhöhung im Bund zur Gegenfinanzierung beitragen.

Gabriele Andretta, bisherige hochschulpolitische Sprecherin der SPD im niedersächsischen Landtag: "Die Studiengebühren werden abgeschafft und wir werden es durch Umschichtung schaffen, diese 100 Millionen zusätzlich den Hochschulen zur Verfügung zu stellen und hoffen natürlich sehr darauf, dass mit dem Rückenwind aus Niedersachsen wir im Herbst es auch im Bund schaffen und dann werden wir dafür sorgen, dass die Bildungshaushalte der Länder wieder vernünftig ausgestattet werden."

Während Studierendenvertreter die Abschaffung der Gebühren sofort und nicht erst im übernächsten Herbst verlangen, betrachten die Universitäten und Fachhochschulen im Land die Entwicklung hingegen mit Sorge. Zwar sei klar gewesen, dass sich Niedersachsen dem Druck der anderen Länder, die die Gebühren nach und nach abgeschafft hätten, kaum habe entziehen können, sagt Professor Erich Barke, Präsident der Leibniz-Universität Hannover. Er fürchtet jetzt jedoch um die Ausstattung der Hochschulen in Niedersachsen.

Barke: "Ich find das nicht gut, das habe ich auch vor der Wahl immer wieder gesagt, ich glaube, wir brauchen in Deutschland Studiengebühren, um unsere Universitäten wieder in ihrer Grundfinanzierung konkurrenzfähig zu machen und das wird nicht ohne Beiträge von denjenigen, die die Leistung in Anspruch nehmen, gehen, weil die öffentlichen Kassen leer sind und die Schuldenbremse irgendwann wirken wird."

Wenn der Ausfall der Studiengebühren den Hochschulen erstattet wird, fordert Barke, müsse dies nachhaltig und langfristig gesichert werden und nicht als kurzfristige Budgeterhöhung, die schon bald wieder einkassiert werden könne. Außerdem sollten die Gelder klar an eine Verbesserung der Lehre geknüpft werden, sagt der Präsident der Universität Hannover. Auch der Asta der Hochschule erwartet von der Politik, dass sich die Studienbedingungen durch den Wegfall der Gebühren nicht verschlechtern dürfen. Im Gegenteil, die Studierenden fordern von der neuen niedersächsischen Landesregierung, die Investitionen in diesem Bereich sogar zu erhöhen. Dass das Thema Studiengebühren damit langfristig vom Tisch sei, daran glauben jedoch weder die Hochschulen noch die Studierenden.

Barke: "Es wird wieder kommen, denn wir müssen uns ganz grundsätzlich darüber unterhalten, wie wir ein Studium finanzieren wollen. Das darf auch nicht in das Parteiengezänk fallen, sondern da muss man zu einer gesamtgesellschaftlichen Übereinkunft kommen."

Amthor: "Also, ich glaube, für die nächsten Jahre ist das Thema erstmal durch. Ich kann mir nichtsdestotrotz vorstellen, dass wenn die Landesregierung oder die politischen Verhältnisse sich wieder ändern, dass das Thema nochmal aufkommt. Wobei ich dann hoffen werde, dass dann von Anfang an wieder konsequenter Protest kommt und sich das dadurch dann nicht durchsetzen wird."


Was sich in NRW nach der Abschaffung der Studiengebühren tut
Von Britta Mersch

Die Frage, ob die Studiengebühren – einmal abgeschafft – dann wirklich vom Tisch sind, ist in der Tat interessant, da sie stark an die weitere finanzielle Ausstattung der Universitäten gekoppelt ist. Ein Bundesland, das schon Erfahrungen hat mit dem Einführen und Wieder-Abschaffen von Studiengebühren, ist Nordrhein-Westfalen.

Ab dem Wintersemester 2006/2007 durften zunächst nur Erstsemester zur Kasse gebeten werden, ab dem Sommersemester 2007 dann alle Studenten. Als 2010 die schwarz-gelbe Landesregierung abgewählt und durch eine rot-grüne Minderheitsregierung ersetzt wurde, wurden sie wieder abgeschafft. Ob das gut geklappt hat und ob die Hochschulen nun über leere Kassen klagen: Britta Mersch hat sich an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen umgehört.


Sigurd Praetorius: "Wir sind jetzt hier im Erdgeschoss der Bibliothek am Campus Duisburg und wir sehen hier eine völlig neue Situation. Hier im Haus standen früher nur Bücherregale mit Nachschlagewerken, bibliographischen Verzeichnissen. Wir wissen alle, diese Verzeichnisse werden heute in elektronischer Form genutzt und wir haben die Bücherregale verbannt an andere Stelle und haben dieses Erdgeschoss verwandelt in eine sehr attraktive, wie ich finde, Studienlandschaft."

Sigurd Praetorius, Leiter der Universitätsbibliothek Duisburg-Essen, ist sichtlich stolz auf die neuen Räume und Arbeitsmöglichkeiten in der Bibliothek. An hellen Tischen sitzen Studenten vor ihren PCs, unterhalten sich, recherchieren. Dass die Tische und Stühle aus Studiengebühren bezahlt wurden, wissen viele von ihnen nicht.

Mersch: "Das hier wurde ja aus Studiengebühren finanziert. Ist euch das klar?"
Studentin: "Nee."
Mersch: "Wie stehst du allgemein zum Thema Studiengebühren?"
Studentin: "Dass die abgeschafft wurden? Finde ich gut. Ja. Weil ich vorher ein Semester mit Studiengebühren studiert habe und das war viel teurer und jetzt kann ich mir meine Wohnung besser leisten."

Nordrhein-Westfalen gehört zu einem der Bundesländer, in denen die Studiengebühren erst eingeführt und dann wieder abgeschafft wurden. 2006 stellte die damals schwarz-gelbe Landesregierung den Hochschulen frei, von Studenten bis zu 500 Euro pro Semester für ihr Studium zu verlangen. Die meisten Hochschulen entschieden sich auch dafür, sagt Ingrid Lotz-Ahrens, Prorektorin für Ressourcenplanung an der Universität Duisburg-Essen.

Lotz-Ahrens: "Die Universitäten haben alle Studiengebühren eingeführt. Es gab an der Universität Münster einen etwas kleineren Betrag, weil man sich ausgerechnet hat, dass man auch damit die Qualität der Lehre sichern kann und eine Fachhochschule, die davon nicht Gebrauch gemacht hat, aber die anderen Universitäten haben alle begonnen, mit diesen 500 Euro (Studiengebühren, Studienbeiträge, wie sie im Gesetz hießen pro Semester), einfach vor dem Hintergrund, dass sie sich die Frage stellen müssen, fehlen ihnen dann 20 Millionen Euro zum Beispiel bei einer Hochschule unserer Größenordnung beim jährlichen Etat? Ziehen die anderen in der Qualität der Lehre an ihnen vorbei?"

Mit dem Geld wurden neue Tutoren eingestellt, neue Bücher gekauft, mehr Seminare angeboten. Die Studenten durften mitentscheiden, was mit den Gebühren passiert. Geprägt war die Einführung der Studiengebühren in NRW allerdings auch von ihren Protesten.

Lotz-Ahrens: "Die Stimmung war schon turbulent an allen nordrhein-westfälischen Hochschulen. Es gab gesprengte Rektoratssitzungen. Es gab – (und das gab es auch in Duisburg-Essen, auch wenn die Wogen hier vielleicht nicht ganz so hoch schlugen wie an der ein oder anderen Hochschule – gab es) auch die Notwendigkeit, Senatssitzungen an einen anderen Ort zu verlegen. Es war eine sehr umstrittene Entscheidung."

Studiengebühren sind teuer und ungerecht, argumentierten die Gebührengegner. Die Politik wälze die Verantwortung für die Bildungsfinanzierung auf die Studenten ab. Gebracht haben die Proteste trotzdem nichts. Erst als 2010 rot-grün knapp die Landtagswahl in NRW gewann, wurden die Studiengebühren wieder abgeschafft - mit dem Versprechen, die 249 Millionen Euro, die den Hochschulen so jährlich wieder abhanden kommen sollten, dauerhaft zu kompensieren. Dafür wurde der Haushalt des Wissenschaftsministeriums erhöht. Doch ganz zufrieden sind die Hochschulvertreter nicht.

Aloys Krieg, Prorektor für Lehre an der RWTH Aachen, die jährlich rund 20 Millionen Euro an Studiengebühren eingenommen hat: "Wir haben als Universität nur etwa 17,5 Millionen Euro an Ersatzmitteln bekommen. Die Entwicklung ist aber weiter gegangen: An der RWTH ist die Studierendenzahl innerhalb der letzten zwei Jahre um über 6000 gestiegen. Die entsprechenden Kompensationsmittel sind aber nicht mitgewachsen, so dass wir nach dem heutigen Stand sicherlich über 25 Millionen Euro an Studienbeiträgen hätten nach den Regelungen von damals."

Und diese Differenz spüre man an der Universität deutlich. Die Öffnungszeiten der Bibliothek seien wieder verkürzt worden, in den Seminaren sitzen wieder mehr Studenten. Obwohl sich NRW von den Studiengebühren verabschiedet hat, glaubt Aloys Krieg nicht, dass es auf Dauer ohne sie gehen wird:

Krieg: "Langfristig würde ich sagen nein. Ich glaube allerdings, dass es nach der derzeitigen politischen Lage nur möglich ist, über nachgelagerte Studiengebühren zu reden. Ich finde, wenn jemand studiert hat und hinterher erfolgreich ist, kann er durchaus diese Beträge zahlen. Ich bin nicht dafür, wenn ein Studium nicht erfolgreich war, dass ich hinterher lange arbeitslos bin und auf dem Arbeitsmarkt nicht unterkomme, dass man diese Leute dann noch mit Studiengebühren belastet. Aber Leistung gegen Gegenleistung ist glaube ich ein Versprechen, dass auch in der Allgemeinheit akzeptiert werden müsste."

So setzen die Befürworter von Studiengebühren in NRW nun auf eine Art ausgleichende Gerechtigkeit: Akademiker haben viele Vorteile, so das Argument. Sie sind seltener von Arbeitslosigkeit betroffen als Arbeitnehmer ohne Studienabschluss und haben in der Regel auch ein höheres Einkommen. Dass ein Teil dieses Einkommens dann später an die Hochschulen zurückfließt, sei ein Gebot der Fairness.


Volksbegehren in Bayern gegen die Studiengebühren
Von Michael Watzke

So könnte eine mögliche Neuauflage der Diskussion um Studiengebühren aussehen – als nachgelagerte Form. Um diese Diskussion geht es in Bayern aber nicht, sondern auch steht ganz schlicht das Ende der Studiengebühren auf der Tagesordnung. Derzeit läuft hier nämlich ein Volksbegehren gegen Studiengebühren. Die Bürger wollten die Sache selbst in die Hand nehmen und erfahren dabei im Gegensatz zu Niedersachsen oder Nordrhein Westfalen ungewöhnliche Unterstützung von konservativer Seite. Michael Watzke hat die Details.

Pfeifen auf die Campus-Maut. In der Universitäts-Stadt Würzburg trommeln und läuten die bayerischen Grünen für das Volksbegehren gegen die Studiengebühren. Fraktions-Chefin Margarethe Bause hat zum Bildungs-Spaziergang eingeladen:

Bause: "Bildung ist nämlich keine Gnade und auch kein Luxusgut. Bildung ist ein Menschenrecht. Das gilt von der frühkindlichen Bildung bis zur akademischen Bildung. Bis zur Hochschule. Und das gilt natürlich auch für die berufliche Bildung."

Ein großes Banner halten die Grünen in die Höhe: "Studiengebühren abwählen". 500 Euro pro Semester müssen Studenten in Bayern derzeit zahlen. Deshalb appelliert Bause besonders an Studenten und deren Eltern.

Bause: "Eine Unterschrift zur Abschaffung der Studiengebühren ist bares Geld wert. Sie sparen sich 1000 Euro pro Jahr!"

Einen Tag später steht Margarethe Bause im Münchner Rathaus und will in einem Abstimmungsraum gegen die Studiengebühren unterschreiben. Das Problem: Die Grünen-Politikerin hat ihren Personalausweis vergessen. Aber die Beamten sind gnädig.

Bause: "Das hat geklappt. Mein Landtags-Ausweis hat auch gegolten."

Der Andrang im Münchner Rathaus hält sich in Grenzen. Bisher ist die Beteiligung am Volksbegehren eher unterdurchschnittlich, verglichen etwa mit der Abstimmung über das Rauchverbot in Gaststätten. Es sind vor allem ältere Menschen, die zum Unterschreiben kommen:

Umfrage
"- "Weil ich selber auch ohne Studiengebühren studieren konnte und weiß, was es bedeutet, seine Kräfte voll aufs Studium bündeln zu können.""
"- "Ich finde es einfach unsozial. In der Regel zahlen es die Eltern, die sind schon genug belastet.""
"- "Bildung darf kein Luxus und keine Geldfrage sein.""
"- "Ich unterstütze es, dass sich auch Leute das Studium leisten können, die aus nicht so gut situierten Familien kommen. In anderen Bundesländern geht es ja auch. Deshalb hab ich meine Unterschrift drunter gesetzt.""

Dabei ist Nico Mulat gar kein Student, sondern Handwerker. Er hofft, dass der Staat irgendwann auch die Kosten für die Meisterprüfung übernimmt. Die bayerischen Studenten dagegen sind bisher noch nicht in großer Zahl zum Volksbegehren gepilgert. Franziska Traube, die Sprecherin der Landes-Asten-Konferenz, hofft auf den Schluss-Spurt.

Traube: "Bei Studierenden ist es eben so, die gehen meistens erst auf den letzten Drücker und nicht gleich am Anfang. Dann war das Wetter schlecht, viele sind nicht aus dem Haus gegangen. Natürlich informieren wir unsere Studierenden und sagen: 'Jetzt müsst Ihr Euch eintragen, jetzt habt Ihr die Chance, die Studiengebühren selbst abzuschaffen, statt auf die Staatsregierung angewiesen zu sein.' Ich denke, dass jetzt, wenn es auf das Ende zugeht, noch einige kommen werden."

Rund 940.000 Unterschriften braucht das Bündnis gegen die Campus-Maut bis zum morgigen Mittwoch, 10% der bayerischen Wahlberechtigten. Nach zehn Tagen hatten aber erst 6,8% unterschrieben - es wird also knapp. Professor Michael Piazolo, Bildungs-Experte der Freien Wähler und Initiator des Volksbegehrens, kämpft um jede Unterschrift. Auch die der CSU.

Piazolo: "I"ch fordere alle Abgeordneten und auch Herrn Seehofer auf, sich einzutragen. Dann schaffen sie es umso schneller, dass die Studiengebühren weg sind.""

Horst Seehofer, der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef, ist gegen die Studiengebühren, obwohl seine Partei sie vor fünf Jahren eingeführt hat. Seehofer ist es gelungen, zumindest den Großteil der CSU-Fraktion um 180 Grad zu drehen. Trotzdem will er beim Volksbegehren nicht unterschreiben.

Seehofer: "Eine Regierung kann nicht gegen sich selbst Unterschriften sammeln. Das wäre ja eigenartig. Dann müsste man ja sagen: 'Dann könnt ihr es ja selber gleich machen, wenn ihr Unterschriften gegen Euch selbst sammelt.'"

Seehofers Problem: Seine Partei ist nicht allein in der Regierung, da ist noch die FDP. Und der liberale Wissenschafts-Minister Wolfgang Heubisch verteidigt die Studiengebühren als Bayerns Alleinstellungs-Merkmal:

Heubisch: "Warum ist Bayern Nummer 1 in Deutschland? Weil Bayern immer einen eigenen Weg gegangen ist. Und deshalb ist es gut, wenn wir alles Geld in die Verbesserung der Lehre geben, für die Studierenden im Freistaat Bayern. Wir müssen on top sein. Wir müssen uns international positionieren, so wie die Schweiz oder die Niederlande. Pro Studiengebühren, das ist die Zukunft. Und wenn sie die Fachleute fragen: Die sind auch für Studienbeiträge."

Damit meint Heubisch die bayerischen Hochschul-Rektoren. Die meisten von ihnen verteidigen die Gebühren. Etwa Martin Wirsing, Vize-Präsident der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er verweist darauf, dass die Unis in Bayern jährlich rund 190 Millionen Euro über die Studienbeiträge einnehmen.

Wirsing: "Wir haben auf diese Weise in den letzten fünf Jahren knapp 20 Prozent mehr Mittel einsetzen können. Dadurch konnten wir in der Qualität der Lehre wirklich aufholen gegenüber anderen Ländern wie Schweiz oder Großbritannien, die ja immer zitiert werden. Wir setzen diese Mittel ein, um kleinere Lerngruppen zu finanzieren, um Bibliotheks-Öffnungszeiten zu verlängern. Aber auch, um zusätzliches Lehrpersonal einzustellen. Viele andere Dinge auch, etwa um die Studierenden besser beraten zu können."

Das alles, sagt Professor Wirsing, stünde auf dem Spiel, wenn das Volk die Studiengebühren abschafft. Unterstützung erhält er auch von nicht wenigen Studierenden. Etwa den Mitgliedern des CSU-nahen RCDS, des "Rings christlich-demokratischer Studenten". In der CSU wehren sich vor allem die konservativen und wirtschaftsnahen Mitglieder gegen den Kursschwenk der eigenen Partei. Etwa der frühere Staatskanzlei-Minister Eberhard Sinner:

Sinner: "Die CSU ist gegen Studiengebühren, aber ich seh’ das ein bisschen anders. Eigentlich haben wir die Studiengebühren vertreten und wir haben auch keinen gegenteiligen Beschluss."

Noch nicht. Je näher aber die Landtagswahl rückt, desto unruhiger wird Seehofer. Der CSU-Chef weiß, dass sich 71 Prozent der bayerischen Bevölkerung in Umfragen gegen die Campus-Maut ausgesprochen haben. Also ist auch Seehofer dagegen. Der Freistaat, so der Ministerpräsident, könne die fehlenden Mittel über Steuermehreinnahmen und Rückstellungen finanzieren. Das sehen die bayerischen Grünen und die SPD ebenso. Und Michael Piazolo von den Freien Wählern:

Piazolo: "Wir wollen nicht, dass die Hochschulen nachher schlechter ausgestattet sind. Das würde auf die Studenten durchschlagen. Also volle Kompensation durch den bayerischen Haushalt. Das kann sich Bayern auch leisten."

Nur die FDP widerspricht. Bayerns Wissenschaftsminister Heubisch verweist auf das ehrgeizige Ziel der bayerischen Staatsregierung, bis zum Jahr 2030 sämtliche Altlasten des Freistaates zu tilgen:

Heubisch: "Bayern hat noch Schulden. Über 30 Milliarden. Da kommen dann wieder 180, 190 Millionen Euro dazu. Das zahlen genau die zurück, die heute studieren. Das will ich nicht. Ich will auch nicht, dass diejenigen, die kein akademisches Studium haben, also z.B. Arzthelferinnen, das Studium der Akademiker mitfinanzieren müssen."

Studiengebühren seien eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, sagt der liberale Wissenschaftsminister. Seine Partei will standhaft bleiben – egal, wie das Volksbegehren gegen die Campusmaut ausgeht. Scheitert es, sieht sich die FDP bestätigt.

Kommen dagegen genügend Unterschriften zusammen, sind zwei Entwicklungen denkbar. Erstens ein Volksentscheid, bei dem ganz Bayern im Herbst mit Ja oder Nein über die Studienbeiträge abstimmt. Oder zweitens: der bayerische Landtag schafft die Gebühren per Gesetz ab. Mit den Stimmen einer großen Koalition aus CSU, SPD, Grünen und Freien Wählern – gegen die FDP. Das allerdings könnte die schwarz-gelbe Regierungskoalition zerreißen - nur wenige Monate vor der bayerischen Landtagswahl.


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