Studie "Frieden auf Chinesisch"

Droht ein Krieg in Asien?

Die Spratly Inseln aus der Luft, Zankapfel zwischen (unter anderem) China und Taiwan.
Die Spratly Inseln, Zankapfel zwischen (unter anderem) China und Taiwan. © dpa/Ritchie B. Tongo / Pool
Von Axel Dorloff · 22.12.2015
Ob der Streit um Gebietsansprüche im ost- und südchinesischen Meer oder die Wiedervereinigung mit Taiwan: In "Frieden auf Chinesisch - Warum in Asien Krieg droht" warnt der belgische Politikwissenschaftler Jonathan Holslag vor Chinas konfliktträchtiger Außenpolitik.
Manchmal gibt es gute Bücher, deren Titel aber schon zu dramatisch ist. Weil es in den Verlagen auch darum geht, wie man ein Buch am besten verkauft. In der Englischen Originalversion heißt das neue Buch von Politikwissenschaftler Jonathan Holslag "China's Coming War with Asia" – "Chinas bevorstehender Krieg mit Asien". Die edition Körberstiftung hat den Titel für die deutsche Ausgabe etwas abgemildert: "Frieden auf Chinesisch: Warum in Asien Krieg droht." Das ist passender. Und es beruhigt, dass der Autor selbst Zweifel am Originaltitel hatte. Denn seine zentrale These ist zwar eine klare Warnung, beschreibt aber nicht die Unausweichlichkeit des Krieges:
"Chinas strategische Ziele sind mit denen seiner Nachbarn und jenes anderen Riesen im pazifischen Raum, der Vereinigten Staaten, nicht zu vereinbaren. China strebt eine fundamentale Neuverteilung der Macht an und folglich eine Neugestaltung der globalen Ordnung."
Um das zu belegen, bietet Holslag dem Leser einen spannenden und kenntnisreichen Blick auf 66 Jahre Volksrepublik China. Er analysiert im Detail Chinas Politik gegenüber dem Westen und vor allem: gegenüber anderen asiatischen Ländern. Von den Anfängen der Volksrepublik bis zur diplomatischen Revolution Anfang der 70er-Jahre. Von der schrittweisen Normalisierung der Beziehungen zu Chinas Nachbarn bis hin zur gegenwärtigen chinesischen Nachbarschaftspolitik in Südostasien.
China stört internationale Ordnung
Im Kern plädiert der Autor dafür, sich vom offiziellen Paradigma der friedlichen Entwicklung nicht täuschen zu lassen. Nach Holslag sind die vier zentralen politischen Bestrebungen Chinas darauf angelegt, die internationale Ordnung zu stören: die Kontrolle über die Grenzregionen wie Tibet und Xinjiang, die anhaltende Unterstützung der Partei durch das Volk, Anerkennung und Respektierung der staatlichen Souveränität und die Wiedergewinnung verlorener Territorien:
"Die Länder Asiens stehen zunehmend vor der Wahl, sich China zu widersetzen oder sich ihm anzuschließen. Damit wird es für China viel schwieriger sein, seinen friedlichen Aufstieg fortzusetzen. Das Hauptproblem besteht darin, dass die Nachbarländer allmählich auf größere wirtschaftliche und politische Zugeständnisse drängen, während die chinesische Regierung zuhause unter wachsenden Druck gerät."
Holslag erklärt fundiert die zentralen Konflikte in ihrer Genese: der Streit um Gebietsansprüche im ost- und südchinesischen Meer, die Wiedervereinigung mit Taiwan als politisches Ziel. Eine kriegerische Auseinandersetzung erscheint ihm in der Konsequenz als wahrscheinlich. Je nach Szenario könnte das ein Krieg der großen Hegemonialmächte USA und China sein – oder ein Regionalkrieg in Asien. Der Autor warnt aber mit einem Selbstbewusstsein, das etwas überzogen wirkt:
"Jedem Staatsmann, der als echter Friedenstifter in die Geschichtsbücher eingehen will, sei empfohlen, sich meine Studie zu Herzen zu nehmen und nicht zwanghaft nur auf Vertrauensbildung, Dialog und wirtschaftliche Interdependenz zu setzen, sondern darüber hinauszudenken. Im Vergleich zu einem irreführenden Optimismus könnte die düstere Aussicht auf einen Krieg vielleicht ein stärkerer Ansatz sein, die drängenden Dilemmata anzupacken, ernsthafte Anstrengungen zur Lösung von Territorialstreitigkeiten zu unternehmen und ein wirtschaftliches Modell zu entwickeln, das eine Alternative zu neuen destruktiven Rivalität auf dem industriellen Sektor und beim Zugang zu Rohstoffen bietet."
Diplomatische Offensive der Volksrepublik
Holslag hat auf der einen Seite Recht: China zeigt sich in der internationalen Politik bemerkenswert unbeweglich. Besonders deutlich wird das beim Streit im Südchinesischen Meer. Die chinesische Führung tut nichts, um gegenwärtige Spannungen in dieser Region aufzulösen.
Auf der anderen Seite gibt es gerade in jüngster Zeit eine regelrechte diplomatische Offensive Chinas: allen voran Anfang November das historische Treffen der Führer Chinas und Taiwans – zum ersten Mal seit mehr als sechs Jahrzehnten. Dazu die fast zeitgleiche Wiederaufnahme des trilateralen Gipfels China-Japan-Südkorea. Oder der Staatsbesuch von Chinas Präsident Xi Jinping in Vietnam. In allen Fällen muss sich noch zeigen, wie tragfähig der politische Dialog mittelfristig wirklich ist. Aber er findet zumindest statt – und das konnte Holslag nicht wissen, weil sein Buch da schon erschienen war.
China hätte durch kriegerisches Verhalten viel zu viel zu verlieren. Das ist auch der chinesischen Führung bewusst – und das ist ein Punkt, den Holslag zwar nennt – aber in seiner Wirkung unterschätzt. Der Krieg in Asien steht nicht unmittelbar vor der Tür. Aber in der Debatte um die Außenpolitik Chinas ist die skeptische Haltung von Jonathan Holslag trotzdem wichtig. Schon als Anreiz, die Spannungen in Asien politisch zu lösen.

Jonathan Holslag: Frieden auf Chinesisch: Warum in Asien Krieg droht
Aus dem Englischen von Gabriele Gockel und Sonja Schuhmacher
edition Körber-Stiftung, Hamburg 2015
300 Seiten mit 4 Karten, 17 Euro

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