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Paris
Gut situierte Wutbürger protestieren gegen Flüchtlinge

Hier wohnt man grün, gepflegt und teuer: Im 16. Pariser Arrondissement sorgt zurzeit ein geplanter Wohncontainer für lautstarke Proteste der Anwohner. Zunächst für Flüchtlinge geplant, sollen jetzt wohnsitzlose französische Familien dort untergebracht werden - doch auch diese will man in dem gutbürgerlichen Viertel nicht haben.

Von Barbara Kostolnik | 21.03.2016
    Im Stadtpark Bois de Boulogne im 16. Pariser Arrondissement soll ein Wohncontainer aufgestellt werden.
    Im Stadtpark Bois de Boulogne im 16. Pariser Arrondissement soll ein Wohncontainer aufgestellt werden. (AFP / Matthieu Alexandre)
    Der Frühling ist da! Und mit dem Frühling: Vögel - und Gefühle. Allerdings keine wirklichen Frühlingsgefühle: eher das Gegenteil: "Ich wohne im Viertel", sagt diese Frau, die sich wie hunderte andere Menschen auch vor der Pariser Universität Dauphine die Beine in den Bauch steht:
    "Wir dürfen es nicht zulassen, dass im Stadtpark Bois de Boulogne Wohncontainer für Migranten aufgestellt werden, der Park steht unter Naturschutz, man soll sie woanders unterbringen, wo man nicht die Natur zerstört."
    Naturschutz kann schon ein echtes Anliegen sein, daher sind die Anwohner des Parks in Scharen zur Info-Veranstaltung der Bürgermeisterin Hidalgo geströmt, die Stimmung ist "wutbürgerlich":
    "Hidalgo, démission, Hidalgo, démission!"
    Sozialwohnungen sind anderswo - und das soll auch so bleiben
    Hidalgo, verschwinde, skandieren sie, verzerrte Gesichter, schwer schmuckverhangen. Man muss wissen, im gutbürgerlich 16. Pariser Arrondissement ist man bislang nicht mit Migranten behelligt worden, hier wohnt man grün, gepflegt und teuer – Sozialwohnungen sind anderswo. Und das soll auch so bleiben. Dass der rechtsextreme Front National ebenfalls vor der Uni Flyer gegen die vermeintliche Migranten-Flut verteilt, stört die Wutbürger nicht, weil:
    "Wir hier im Viertel wählen nicht den FN."
    Nur denken sie ziemlich FN, zumindest, was den Wald vor ihrer eigenen Haustür betrifft. Der Hörsaal platzt aus allen Nähten, die Vertreter der Stadtregierung haben einen schweren Stand. Man reibt sich die Augen. Bestsituierte, überaus gepflegt gekleidete Menschen mittleren Alters, fast nur Weiße, rasten aus. Dabei gibt es schon eine Konzession der Stadt Paris:
    "Es werden keine Migranten untergebracht, versichert Sophie Brocas von der Bezirksregierung, niemand, der aus dem Dschungel von Calais kommt, also keine Menschen aus Afrika."
    Argumente sind so abstrus wie ernsthaft vorgebracht
    Statt ausländischen Flüchtlingen sollen wohnsitzlose französische Familien untergebracht werden, maximal 200 Menschen. Aber das beruhigt hier keinen:
    "Diese Kinder, wo sollen die denn zur Schule gehen? Wir haben hier doch nur Privat-Schulen", fragt ein Mann, der sich fast heiser geschrien hat – die französische Variante der besorgten Bürger meint das vollkommen ernst. Den Vogel schießt ein anderer ab:
    "Wo sollen diese Leute einkaufen, die armen Leute, vielleicht in der Pracht-Straße Victor Hugo?!"
    Die Argumente sind so abstrus wie ernsthaft vorgebracht. Irgendwann reicht es dem Rektor der Uni: Unter wüsten Beschimpfungen bricht er die Veranstaltung ab und schickt die Wutbürger nach Hause, in den Bois de Boulogne. Der bitte schön so bleiben soll, wie er ist. Das nächste Wort haben die Gerichte.