Studie der Uni Erlangen-Nürnberg

Teure Energiewende? Von wegen!

Symbolbild für Stromkosten
"Durch die Energiewende sind die Strompreise auf historischem Minimum", sagt einer der Verfasser der Studie. © imago
Von Tobias Feld · 11.08.2015
Das Magazin "Spiegel" berichtet, die Energiewende sei teurer als Rüstungsprojekte und Agrarsubventionen, Kanzleramtsminister Peter Altmaier wirbt für eine "Strompreisbremse". Doch wäre Strom ohne den Ausbau erneuerbarer Energien wirklich günstiger und sicherer?
"Über die Kosten der geplanten Energiewende ist ein heftiger Streit entbrand. Politiker der Koalition schätzen die Kosten eines Ausstiegs aus der Atomenergie auf mehrere Milliarden Euro im Jahr."
"Peter Altmeier zieht die Notbremse. Mit einer sogenannten Strompreissicherung will der Umweltminister dafür sorgen, dass die Energiewende bezahlbar bleibt. Altmeier sieht die Verbraucher nahe an der Belastungsgrenze."
Sie sei "ein Wahnwitz mit System", schreibt "Der Spiegel", und das "Handelsblatt" sah ihretwegen eine "Kostenlawine" anrollen. Beim Thema Energiewende dominiert in deutschen Medien das Bild von der teuren Energiewende. Die Erneuerbaren, so der Tenor, seien verantwortlich für den Anstieg des Strompreises in den vergangen 15 Jahren. Vor diesen Hintergrund trieb Jürgen Karl die Frage um: Wie teuer und sicher wäre der Strom, in einem Deutschland ohne erneuerbare Energien?
"Die Alternative zur Energiewende wäre auch nicht billiger gekommen. Wir verheizen heute überwiegend fossile Energien, die immer knapper werden. Und damit ist klar, dass die Energiekosten allgemein steigen werden, steigen müssten."
Strompreis wäre noch stärker gestiegen
Sagt der Professor für Energieverfahrenstechnik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. In ihrer von den Medien wenig beachteten Studie untersuchten sie die Einkaufspreise an der Leipziger Strombörse in den Jahren 2011 bis 2013. Sie bereinigten den Strompreis um die Förderkosten der erneuerbaren Energien, sie sogenannte EEG-Umlage. Betreibern von Ökostrom-Anlagen erhalten daraus eine Vergütungen auf ihren ins Netz eingespeisten Strom. Das Ergebnis: Ohne die Erneuerbaren wäre der Strompreis noch stärker gestiegen.
"Es ist tatsächlich so, dass sich die Strompreise in den letzten Jahren deutlich nach oben entwickelt hätten, wenn wir keine erneuerbaren Energien im Netz gehabt hätten; auch wenn der Endverbraucher keine EEG-Umlage zu bezahlen hätte. Und zwar einzig aus dem Grund, weil sich das Stromangebot in Europa ohne die Erneuerbaren deutlich verknappt hätte. Wir hätten durch Gaskraftwerke deutlich mehr Strom erzeugen müssen – und aufgrund der hohen Gaspreise wären auch diese Erzeugungskosten deutlich teurer gewesen."
Dank immer mehr erneuerbarer Energien sei der Börsenpreis für Strom im Jahr 2013 auf rund 3,8 Cent pro Kilowattstunde gefallen. Zwei Jahre zuvor lag er noch deutlich höher. Und dieser Preisverfall durch die Erneuerbaren zeige sich noch deutlicher, wenn man Wind, Sonne oder Biogas aus der Rechnung entferne. Ohne die Erneuerbaren wäre eine Kilowattstunde an der Leipziger Strombörse inzwischen mehr als doppelt so teuer. Im Jahr 2011 hätte sie 8,4 Cent gekostet. Im Jahr 2013 schon 9,1 Cent, so rechnet es Jürgen Karl vor. Trotz fallender Börsenpreise mussten Privatkunden jedoch im selben Zeitraum fünf Cent mehr für ihren Strom bezahlen. Das liegt auch an der EEG-Umlage, die jedoch nicht allein den Umbau der Energiewirtschaft subventioniert, wie Karl erläutert.
Engpässe ohne erneuerbare Energien
"Durch die Energiewende sind die Strompreise auf einem historischen Minimum. Und das ist ganz klar die Folge der Energiewende, dass es dieses Überangebot an Wind und Photovoltaik, vor allem in den Mittagsstunden gibt. Nirgendwo in Europa genießen die energieintensiven Industrien so geringe Strompreise wie in Deutschland. Und dadurch sind tatsächlich diese energieintensiven Unternehmen die Gewinner der Energiewende."
Ursprünglich sollte das Erneuerbare-Energien-Gesetzes einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Laut dem Forscher der Universität Nürnberg-Erlangen kamen die niedrigen Börsenpreise aber allein den energieintensiven – und damit oft emissionsreichen Betrieben – zugute. Dank dem Boom der Erneuerbaren und dem damit verbundenen sinkenden Börsenstrompreis hätten diese Unternehmen allein im Jahren 2011 elf Milliarden Euro an Energiekosten eingespart. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz entpuppt sich demnach als milliardenschwere Entlastung für die energieintensive Wirtschaft – auf Kosten privater Endverbraucher und der übrigen Unternehmen. Die Forscher korrigieren aber nicht nur das Bild von der teuren Energiewende. Ohne die Erneuerbaren wäre es längst zu Versorgungs-Engpässen gekommen.
"Es war im Jahr 2013 bereits so, dass an 269 Stunden des Jahres, mit der konventionellen Kraftwerkskapazität, die Nachfrage nicht mehr gedeckt hätte werden können an der Leipziger Strombörse. Das heißt, es wäre an 269 Tagen des Jahres zu Versorgungsengpässen, möglicherweise zu Blackouts gekommen. Und wir müssen froh sein, dass genau in dieser Zeit die erneuerbaren Energien vorhanden waren, und die fehlende konventionelle Kraftwerkskapazität kompensiert hat."
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