Streitschrift

Globalisierung gefährdet die Alpen

Werner Bätzing im Gespräch mit Frank Meyer  · 17.07.2015
Der Staat darf sich nicht aus dem Alpenraum zurückziehen, sagt Werner Bätzing. Wenn nur noch das Kostenargument eines neoliberalen Wirtschaftsmodells zähle, werde aus diesem Kulturraum eine "alpine Brache", warnte der Forscher.
Über Jahrzehnte seien alle relevanten Kräfte sich einig gewesen, dass die Alpenregion einen Anschluss an die Moderne benötige, sagte der emeritierte Professor für Kulturgeografie im Deutschlandradio Kultur. "Die Menschen im Alpenraum müssen ein modernes Leben führen" sagte er. "Das steht heute in Frage." Seit der Epochenwende 1989 kehre ein neoliberales Denken zurück, sodass die Politik sich vom früheren Sozialstaat abkehre.
Gefahr einer "alpinen Brache"
Seither tauchten neue Gedanken auf, so beispielsweise die Überlegung, dass die Alpen für den Staat zu teuer seien. Es koste viel Geld Straßen, Schule und Krankenhäuser in den Alpen zu fördern, viel mehr als im Flachland. "Das kann sich ein Staat heute immer schwerer leisten", beschrieb Bätzing eine heute verbreitete Sicht. "Deswegen die Idee, dass man die Alpen eigentlich sich selbst überlassen sollte, dass der Staat sich daraus zurückziehen sollte ." Am ausgeprägtesten sei diese Debatte in der Schweiz, wo öffentlich bereits über die "alpine Brache" diskutiert werde. Das Geld solle der Staat stattdessen besser für die Metropolen Zürich, Genf und Basel ausgeben, damit diese im globalen Wettbewerb konkurrenzfähiger sein könnten.
Liebe zur Kulturlandschaft
Bätzing erinnerte daran, dass die Menschen sich früher im Alpenraum mit Mühe einen Lebens- und Wirtschaftsraum geschaffen hätten. Dabei hätten sie die Naturlandschaft in eine Kulturlandschaft umgewandelt. "Diese Kulturlandschaft ist eigentlich das, was die Besucher der Alpen so lieben", sagte der Alpenkenner. "Das ist keineswegs Natur, wie Städter oft meinen." Es handele sich um eine Kulturlandschaft, bei der die Natur von Menschen tiefgreifend verändert worden sei. Daher gebe es ein wichtiges Umweltwissen und Umwelterfahrungen, die Menschen der vergangenen Jahrhunderte gesammelt hätten. Nur so sei es gelungen, ökologisch zu wirtschaften, die Artenvielfalt zu erhöhen und keine negativen Effekte auszulösen.
Grenzen des Wachstums
Der Alpenforscher warnt am Beispiel dieses Kulturraumes vor den Folgen der Globalisierung. Es zeigten sich am Beispiel der Alpen, die grundlegenden Probleme unseres Wirtschafts- und Lebensmodells. "Im Alpenraum wird unglaublich deutlich, dass die Alpen ein Raum sind, der begrenzt ist und das ein unendliches Wirtschaftswachstum in einem so begrenzten Raum wie den Alpen gar nicht möglich ist", kritisierte Bätzing. Außerdem werde in den Bergen deutlich, dass der Mensch die Natur nicht beherrschen könne.

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