Streit ums Kirchenasyl

"Da muss Vernunft zurückkehren"

Ludwig Schick im Gespräch mit Philipp Gessler · 01.03.2015
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick verteidigt das Kirchenasyl - obwohl es für die Gemeinden eine große Belastung darstelle. Derzeit seien viele Emotionen im Spiel, aber mit Vernunft könnten Lösungen gefunden werden.
Kirsten Dietrich: In Hildesheim haben sich in dieser Woche die katholischen deutschen Bischöfe zu ihrer Frühjahrsvollversammlung getroffen. Sie haben geredet über einen angemessenen Umgang der Kirche mit Social Media, über mehr Transparenz bei den Kirchenfinanzen und über die Familiensynode in Rom im Oktober. Aber ein Thema bewegte die Gemüter in Hildesheim besonders: der Streit ums Kirchenasyl nämlich. Kirchenasyl gewähren manche Gemeinden Flüchtlingen, deren Bleibegesuch eigentlich gute Chance hätte, denen aber vor Ende des Verfahrens Abschiebung droht.
Ende Januar hatte Innenminister Thomas de Maizière den Kirchen vorgeworfen, sich damit über das staatliche Recht zu stellen. Er legte nach. Ein Recht auf Kirchenasyl zu behaupten, sei vergleichbar damit, neben dem deutschen Recht auch die Scharia, das islamische Religionsrecht, praktizieren zu wollen.
Mein Kollege Philipp Gessler hat am Rand der Frühjahrsvollversammlung mit Ludwig Schick gesprochen, Erzbischof von Bamberg und unter den katholischen Bischöfen beauftragt mit dem Thema Weltkirche. Philipp Gessler wollte von ihm wissen, ob der Innenminister nicht vielleicht auch recht hat mit seiner Kritik, die Kirchen kratzten mit ihrer Praxis am Monopol des Staates.
Ludwig Schick: Aber der Staat hat immer gewusst, dass das Monopol des Rechtes nicht allumfassend sein kann. Und deshalb ist in der ganzen Geschichte, das ist ja eine Tradition, die Jahrhunderte vorhanden ist, das Kirchenasyl, der Staat hat das immer geduldet und sogar dem zugestimmt, weil sie gesagt haben, damit kommt das Recht besser zu dem, was das Recht eigentlich will, den einzelnen helfen und auch die Ordnung zu bewahren. Wir hatten ja viele Beispiele, dass das Kirchenasyl dazu geführt hat, dass alle Rechtsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden und dann den einzelnen, die im Kirchenasyl Zuflucht gesucht haben, auch geholfen wurde. Und da sollte der Staat auch diese Möglichkeit weiterhin offenhalten, wie es bisher in der ganzen Tradition ja auch üblich war.
Philipp Gessler: Nun hat Thomas de Maizière ja gerade, was die evangelischen Kirchen angeht, bei der EKD-Synode Anfang vergangenen Jahres, eigentlich ziemlich positiv über das Engagement der Kirchen über Flüchtlinge gesprochen. Und trotzdem dieser Ausfall mit der Scharia. Mir ist noch nicht ganz klar, wie es dazu kam.
Fühlen uns in Deutschland überfordert von der Zahl der Flüchtlinge
Schick: Ich weiß es natürlich auch nicht, da muss man de Maizière noch mal persönlich fragen. Ich glaube, im Augenblick haben wir in Deutschland so eine Situation, dass wir uns überfordert fühlen von der doch steigenden Zahl der Flüchtlinge. Und da kommen die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, aus Afrika, aber wir haben auch die Problematik aus dem Osten Europas, dass die Flüchtlinge herkommen.
Wie kann man damit fertig werden? Viele sagen, es muss viel schneller abgeschoben werden. Das hat auch manches für sich. Und in dieser ganzen Diskussion ist natürlich jede Aktion, die gegen die Abschiebung ist und sich dagegen stellt, wenn auch nur in beschränkten Fällen, ist das für manche ein Angriff auf die Absicht der Abschiebung. Und ich glaube, dass das damit zusammenhängt. Aber das sind viele Emotionen. Und ich glaube, da muss Vernunft wieder zurückkehren, und dann werden wir auch auf eine gute Lösung kommen.
Gessler: Warum ist es eigentlich – das wurde jetzt in letzter Zeit ja häufiger gesagt –, warum ist das Kirchenasyl so eine Belastung für die Gemeinden?
Schick: Ja. Wenn man ein Kirchenasyl anbietet, dann hat man ja Verpflichtungen. Man muss dafür sorgen, dass die Menschen, die da sind, gut untergebracht werden. Die können ja da nicht heraus, sie müssen Möglichkeiten haben, auch sich körperlich zu betätigen. Sie müssen Kommunikationsmöglichkeiten haben. Wenn jemand krank wird, muss er auch medizinische Hilfe haben. Er soll auch Sprache lernen. Für all das sind die Gemeinden dann verantwortlich. Und das ist eine Belastung, und das fordert die Gemeinden, und jeder, der Kirchenasyl gewährt, der weiß darum und muss auch seinen Verpflichtungen entsprechen.
Gessler: Nun fordert ja das BAMF, dass das Kirchenasyl in den Fällen gerechtfertigt sein soll in Zukunft, in denen es mindestens 18 Monate anhält. Sie als Kirchenvertreter sind damit nicht zufrieden. Warum eigentlich? Man könnte doch eigentlich froh sein, dass man 18 Monate den Flüchtlingen tatsächlich Schutz gewährt.
Schick: Ja, das ist eine große Belastung für die Gemeinden. Und natürlich ist die Absicht ja bei der Verlängerung auf 18 Monate, dass das Kirchenasyl nicht mehr geht. Und deshalb sagen wir nein. Und wenn diese 18-Monatsfrist gewährt wird oder eingeführt wird, ist natürlich die Rückführung in die Ursprungsländer nach diesem Dublin-Abkommen auch insgesamt auf 18 Monate. Ich frage mich, wie das überhaupt gehen soll.
Dietrich: Erzbischof Ludwig Schick im Gespräch mit Philipp Gessler.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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