Streit um Versandhandel

Autoren sind die Verlierer

Amazon-Pakete laufen über ein Laufband einer Postzustellbasis in Norderstedt.
Amazon-Pakete laufen über ein Laufband einer Postzustellbasis © picture alliance / dpa / Bodo Marks
Von Kerstin Zilm · 05.08.2014
Leser bekommen bei Amazon nicht mehr alles, was sie wollen. Das Unternehmen hat sich angelegt mit dem Verlagskonzern Hachette. "Sie wollen Kontrolle über den kompletten Publikationsprozess", sagt ein Buchmarkt-Experte über Amazon.
Beim Bücherbestellen auf Amazon läuft derzeit nicht alles glatt wie gewohnt: manche Bücher sind nicht vorzubestellen, andere erst in ein paar Wochen lieferbar und anstatt mit einem Klick die Bestellung zu bestätigen, erscheint die Aufforderung, eine E-Mail-Adresse zu hinterlassen, über die man informiert wird, wenn das Buch erhältlich ist. Warum?
Die Bücher werden vom Verlagshaus Hachette aufgelegt und mit dem hat sich Amazon angelegt. Der Online-Konzern fordert vom Verleger mehr Prozente beim Verkauf von E-Books und pokert mit Verzögerungstaktiken bei der Auslieferung. Doch es geht um mehr als Geld, erklärt David Streitfeld, der für die New York Times Amazon-Strategien verfolgt und analysiert:
"Amazon hat ein größeres Ziel vor Augen. Sie wollen Kontrolle über den kompletten Publikationsprozess. Sie wollen direkt mit Autoren zusammenarbeiten, eine Welt schaffen, in der Amazon Bücher innerhalb von Minuten veröffentlicht und sie Minuten später zu Lesern bringt - eine Welt ohne Mittelmänner."
Wer sitzt am längeren Hebel?
Der Verlagskonzern Hachette ist einer dieser Mittelmänner. Sein Vertrag mit Amazon ist abgelaufen und der Kampf um neue Konditionen ist ein Test, wer am längeren Hebel sitzt.
Amazon kontrolliert rund 50 Prozent des Buchhandels in den USA. Seine Verzögerungstaktiken bei der Auslieferung von Büchern treffen vor allem Schriftsteller ohne Stammleserschaft. Ohne Vorbestellung keine Aufmerksamkeit von Kritikern und Buchhändlern.
Die Debütanten bekommen nun Unterstützung von Bestseller-Autoren. Zum Beispiel: Talkshow-Star-Moderator Stephen Colbert. Dessen Bücher werden auch bei Hachette verlegt.
"Ich bin so dankbar"
In seiner Show feierte er den Erfolg des Debütromans 'California' von Edan Lepucky. Colbert hatte seine Zuschauer aufgefordert, das Hachette-Buch über seine Website zu bestellen. Der Roman landete auf Platz drei der New York Times Bestsellerliste und die überwältigte Autorin in Colberts Show:
"Es war verrückt, ein wunderbarer Moment. Danke Colbert-Nation dafür, dass Ihr den Roman gekauft habt. Ich bin so dankbar dafür, dass über das Buch gesprochen wird."
Die Verlagsgruppe Hachette streitet sich derzeit mit dem Versandhändler Amazon.
Die Verlagsgruppe Hachette streitet sich derzeit mit dem Versandhändler Amazon.© picture alliance / dpa / EPA / Andrew Gombert
Mega-Bestseller-Autor James Patterson forderte auf einer Buchmesse rechtliche Maßnahmen gegen eine drohende Monopolstellung von Amazon. Andere Schriftsteller rufen zum Boykott des Online-Lieferanten auf. Amazon bot Hachette-Autoren im Gegenzug 100 Prozent des Gewinns aus dem Verkauf von E-Books bis der Streit beigelegt ist.
"So, dass alle überleben können"
Die Präsidentin der US-Autorengewerkschaft Roxana Robinson sagt, es ginge auch den Autoren um mehr als Geld:
"Wir brauchen Partner, die einander vertrauen, miteinander arbeiten und zwar so, dass alle überleben können. Wir wollen keine Partner, die einander an die Gurgel gehen und mit Zerstörung drohen."
Amazon hat lange zum Kampf mit Hachette geschwiegen. Nachdem die Kritik in traditionellen Medien und auf sozialen Plattformen schärfer wurde, schrieb der Konzern in einer Erklärung, er arbeite an einer Lösung und forderte Leser auf, Bücher zur Not bei der Konkurrenz zu kaufen. Eine erstaunliche Aufforderung für ein Unternehmen mit der Mission, seine Kunden so schnell wie möglich mit allem zu beliefern, was sie möchten.
Amazon gibt sich unbeeindruckt
Letztendlich könnten diese Kunden den Streit entscheiden, erklärt David Streitfeld von der New York Times:
"Es gibt eine kleine aber starke Bürgerbewegung von Leuten, die nicht mehr bei Amazon bestellen. Sie sagen: der Konzern hat gezeigt, worum es ihm wirklich geht. Wenn sie stark bleiben, hat das Auswirkungen für Amazon."
Das Online-Unternehmen gibt sich unbeeindruckt. "Wir bleiben hoffnungsvoll, eine Lösung zu finden", steht in der Erklärung und weiter: "Wir sind nicht optimistisch, dass das bald geschieht."