Streit um neue CO2-Grenzwerte für Autos

Dorothee Saar im Gespräch mit André Hatting · 04.02.2013
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist strikt gegen die Möglichkeit, dass Autohersteller über den vermehrten Absatz von Elektrofahrzeugen CO2-Werte für "dicke Autos" gegenrechnen können. Sinnvoller sei es, technologieneutral Anreize zu setzen, sagt DUH-Expertin Dorothee Saar.
André Hatting: Autos gehören in Europa zu den schlimmsten Klimakillern. Die Europäische Union ringt um Grenzwerte für Pkw-Emissionen. Dass es ein Kampf ist, liegt an den Interessen der Autobauer, denen die geplanten Grenzwerte von 130 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer zu streng sind. Sie schlagen deshalb vor, Autos ohne CO2-Ausstoß wie Elektrofahrzeuge oder Wagen, die mit Wasserstoff fahren, als Ausgleich zu berücksichtigen, so nach dem Motto "Für verkaufte grüne Autos dürfen auch mehr dicke Limousinen auf den Markt". Die EU will diese Idee aufgreifen. Beitrag Jörg Münchenberg über neue CO2-Grenzwerte Jörg Münchenberg erklärt das Modell etwas genauer.

Und warum die Deutsche Umwelthilfe nichts davon hält, das frage ich jetzt Dorothee Saar. Sie ist Expertin für Verkehr und Luftreinhaltung bei der Deutschen Umwelthilfe. Guten Morgen, Frau Saar!

Dorothee Saar: Guten Morgen!

Hatting: Das Modell belohnt die Hersteller dafür, dass sie Elektroautos verkaufen. Warum finden Sie das falsch?

Saar: Vielleicht würde ich gern noch mal einen Schritt zurückgehen. Wir brauchen diese Regulierung, weil sie das einzige Instrument ist, das uns dabei helfen kann, die CO2-Emissionen im Verkehrssektor zu senken. Wir haben kein spezifisches Ziel für diesen Sektor, anders, als es in anderen Sektoren der Fall ist, und tatsächlich steigen die CO2-Emissionen europaweit ja nach wie vor an.

Das Ziel der 95 Gramm, Ihr Kollege hat es ja vorhin im Beitrag erwähnt, wird ja offiziell nicht in Frage gestellt. Viel gefährlicher finden wir derzeit diese "Aufbohrung", nenne ich es mal, durch die sogenannten Super-Credits. Wir haben nichts dagegen, wenn die Hersteller effiziente Fahrzeuge herstellen, seien das Elektrofahrzeuge, seien das Plugin-Hybride, wir sind aber dagegen, dass mit diesen einzelnen Fahrzeugen der Wert für die gesamte Flotte ja dann deutlich verwässert wird.

Wenn man den Vorstellungen der Automobilhersteller, die ja im VDA organisiert sind, folgen würde, dann hätte man am Ende kein Ergebnis von 95 Gramm im Durchschnitt, sondern man wäre bei 105 Gramm im Durchschnitt. Das sind zehn Gramm mehr, das ist eine deutliche Abschwächung dessen, was die Kommission vorgeschlagen hat, was aus unserer Sicht auch schon nicht weit genug geht.

Hatting: Gut, Frau Saar, lassen Sie mich kurz weggehen von dieser Rechnerei. Prinzipiell das Modell: Die Idee ist die, dass, wenn ich als Hersteller Elektroautos verkaufe, also dann diesen Verkauf auch ankurbele, daran ein Interesse habe, dann darf ich auch mehr Geländewagen verkaufen, weil sich das ganze verrechnet. Das soll doch auch dazu dienen, dass mehr grüne Fahrzeuge auf den Markt kommen. Warum ist das falsch?

Saar: Unserer Ansicht nach wäre es sinnvoller und zielführender, technologieneutral Anreize zu schaffen, dass in der gesamten Flotte die CO2-Emissionen sinken. Wir sind der Ansicht, dass dieses Ziel – also damit will die Bundesregierung ja auch ihr Ziel stützen, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge im Markt zu haben, davon ist man heute weit entfernt. Und nach unserer Ansicht wird das auch nicht so sein, dass sie jetzt sozusagen in den nächsten Jahren eine größere Zahl von Elektrofahrzeuge, von reinen Elektrofahrzeugen in den Markt bekommen, weil die einfach noch viel zu teuer sind, das ist für den Käufer uninteressant, sondern dass es eine schrittweise Entwicklung geben wird hin zu einer Elektrifizierung der Autos.

Also es wird immer mehr elektrische Anteile geben, das wird zum Absenken des Spritverbrauches führen, und so führt der Weg hin. Und das ist unserer Ansicht nach viel effizienter zu erreichen, wenn Sie über die gesamte Flotte diese Anstrengung verstärken.

Hatting: Ja, Frau Saar, Sie sprechen die Gesamtemissionen der Flotte an. Aber da ist doch schon ein Trend da zu weniger Emissionen. Die Neuwagenflotte zum Beispiel bei Porsche liegt knapp acht Prozent unter dem CO2-Ausstoß von 2011. Also da wird ja offensichtlich was gemacht.

Saar: Da wird was gemacht. Im Eingangskommentar ist es ja auch erwähnt worden, es gibt Grenzwerte, die bis zum Jahr 2015 einzuhalten sind, und wir sehen, dass die Hersteller, seitdem diese Grenzwerte verbindlich angekündigt wurden, tatsächlich es schaffen, ihre Emissionen im Durchschnitt abzusenken. Und da der Gesetzgeber damals vor vier Jahren schon gesagt hat, wir legen auch einen Wert fest für das Jahr 2020, sind wir der Ansicht, dass das sozusagen über das Jahr 2015 hinaus dazu geführt hat, dass die Werte sich senken werden.

Und deswegen brauchen wir die Weiterentwicklung dieser Grenzwerte, weil wir sehen, dass es ein effektives Instrument ist. Und wir brauchen eine Zahl, die nicht nur das Jahr 2020 betrifft, sondern darüber hinaus auch für das Jahr 2025 einen Zielwert festlegt.

Hatting: Aber die geplanten Grenzwerte sind doch jetzt schon strenger als in den USA, Japan und China. Wollen Sie einen Wettbewerbsnachteil riskieren?

Saar: Nein. Auch in den anderen Märkten, in den USA, auch in Japan und China werden die Grenzwerte ja ständig weiterentwickelt. Auch in den anderen Märkten haben wir die Diskussion über knappe Ressourcen. Und wir sind der festen Überzeugung, dass das, womit die deutschen Automobilhersteller ihr Geld machen, mit den aufwendigen sogenannten Premiumfahrzeugen, dass sich die dauerhaft auf dem Markt halten werden, wenn sie weiterhin hochwertige Effizienztechnologie verbauen.

Hatting: Aber diese fetten Geländekarossen, die Sie angesprochen haben, halten sich ja auch so weiterhin auf dem Markt. Sie sind Verkaufsschlager. Und der Plan der EU sucht da ein Gleichgewicht zwischen Klima- und Wachstumspolitik. Provokant gefragt, sind Ihnen die Arbeitsplätze in der kriselnden EU-Wirtschaft nicht so wichtig?

Saar: Nein. Die Arbeitsplätze – es gibt verschiedene Studien, die belegen, dass insbesondere diese Effizienztechnologie, sei es jetzt Leichtbau, sei es die weitere Elektrifizierung, gerade auch an den Standorten, an denen die Automobilhersteller ja klassisch vertreten sind, Baden-Württemberg und so weiter, dass sich da auf Dauer qualifizierte Arbeitsplätze halten werden genau mit diesen Ansätzen.

Wenn Sie jetzt diese schweren Geländewagen ansprechen, die sind deswegen solche Verkaufsschlager, weil sie nach wie vor über das deutsche Dienstwagenbesteuerungsrecht subventioniert werden. Und jeder einzelne Steuerzahler von uns, ob er jetzt so einen Wagen fährt oder nicht, sich daran beteiligt, diese Fahrzeuge zu finanzieren.

Hatting: Aber die werden auch im Ausland sehr gern gekauft.

Saar: Natürlich, also, es geht uns auch nicht darum, jetzt sozusagen zu sagen, wir müssen die CO2-Emissionen senken und jeder darf nur noch mit einem Kleinwagen unterwegs sein. Es gibt verschiedene Ansprüche, die wird es auch weiterhin geben, Familienfahrzeug, komfortabler Dienstwagen – das wollen wir gar nicht in Abrede stellen, aber in jedem einzelnen dieser spezifischen Anwendungen oder dieser unterschiedlichen Anforderungen, die ich an ein Auto habe, ist noch viel Luft, was die Absenkung des Kraftstoffverbrauches angeht.

Also da werden wir nicht drum herum kommen, das gebietet uns sozusagen die Anforderung aus dem Klimaschutz – eine andere Anforderung sind die steigenden Spritpreise – wir haben Zahlen, dass, ausgehend von dem Grenzwert, den die Kommission vorgeschlagen hat, 95 Gramm, Mehrkosten pro Fahrzeug zu berechnen sind oder zu erwarten sind von durchschnittlich 1000 Euro pro Fahrzeug.

Hatting: Heute will auch die Bundesregierung ihre Meinung zu den EU-Plänen sagen, was erwarten Sie da?

Saar: Wir erwarten leider eine Abschwächung der Kommissionsvorschläge, und zwar genau in dem Hinblick, dass eben diese Sonderanrechnungen für Elektrofahrzeuge oder andere Fahrzeuge, diese Super-Credits, noch stärker ausgeweitet werden, als es die Kommission vorgesehen hat …

Hatting: Also hoffen Sie auf einen Regierungswechsel im September?

Saar: Wir hoffen auf eine Regierung, die sich dessen bewusst ist, dass sie nicht nur die deutschen Automobilhersteller vertritt, sondern insbesondere auch sich für den Klimaschutz einsetzt und für den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher – ich hab es ja gerade schon gesagt, 1000 Euro Mehrkosten, das bedeutet, dass Sie nach zwei Jahren die Mehrkosten wieder reingefahren haben von einem durchschnittlichen Fahrzeug.

Hatting: Dorothee Saar, Expertin für Verkehr und Luftreinhaltung bei der Deutschen Umwelthilfe. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Frau Saar!

Saar: Danke auch, Tschüss!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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