Streicher

Poesie der Einsamkeit

Gast: Frank Schneider; Moderation: Michael Dasche · 06.04.2014
Bartóks 2. Streichquartett, 1917 während des Ersten Weltkriegs als wichtigste kammermusikalische Arbeit zwischen der Oper "Herzog Blaubarts Burg" und dem Ballett "Der holzgeschnitzte Prinz" entstanden, markiert eine erste Phase vollkommener künstlerischer Reife des ungarischen Komponisten.
Ihr wichtigstes Merkmal ist die Balance zwischen den Innovationen, die als imaginäre Erfindungen aus Bartóks Erforschungen alter Folklore (weit über Ungarn hinaus bis in nordafrikanische Regionen) resultieren, und den Anschlüssen an die kompositorischen Standards westeuropäischer Moderne, wie sie damals vor allem Debussy, Strawinsky und Schönberg repräsentierten.
Die Dreisätzigkeit des Werks bestimmte Bartóks enger Freund musikalischer Mitstreiter Zoltán Kodály als Lebens-Episoden - "jedoch ohne das Berliozsche Opium" -: 1. Ruhiges Leben, 2. Freude, 3. Trauer. Ungewiss bleibt, ob solche - vom Komponisten wenn nicht sanktionierte, so doch unwidersprochen gebliebene Deutung - biografisch fundiert ist. Möglich wäre allerdings angesichts der Entstehungszeit des Werkes, speziell im Finale einen Reflex auf die Schrecken des Krieges zu erkennen.
Auf hohem spieltechnischem Niveau findet die allenthalben subtil waltende musikalische Poetik ihre klangliche Darstellung: in den Aufnahmen des Keller-, Vogler-, Belcea- und Hagen-Quartetts und des Quatuor Ébene ebenso wie in den historischen Einspielungen des Berg- und Juilliard-Quartetts.