Strafrecht

Auf der Jagd nach pädophilen Tätern

Mehr als die Hälfte der Ermittler sind Frauen.
Mehr als die Hälfte der Ermittler sind Frauen. © dpa / picture alliance
Von Claudia van Laak · 29.04.2014
Nach dem Fall Edathy soll das Strafgesetz verschärft werden. Aufnahmen von Kinder-Posing-Fotos sollen eindeutig als Kinderpornographie eingestuft werden. Sollte das Gesetz so kommen, gibt es für die Ermittlerinnen und Ermittler viel zu tun. Sie arbeiten bereits am Limit.
Landeskriminalamt Berlin, Abteilung 1. Ein Zivilfahrzeug fährt in den Hof der Keithstraße 30, drei Kripobeamte steigen aus. Sie haben gerade eine Hausdurchsuchung hinter sich, ein Rechner wurde beschlagnahmt.
"Also, üblich sind so zwei bis drei Rechner, so ein bis zwei Kartons voll mit CDs und restlichen Datenträgern, wie USB-Sticks und Festplatten. Das ist jetzt eine sehr magere Ausbeute."
Magere Ausbeute, weil der mutmaßliche Täter von Berlin nach Hamburg gezogen ist, ohne sich umzumelden. Haben wir von den Nachbarn erfahren, erzählt Kriminalhauptkommissar Thorsten Ivers, während er den beschlagnahmten Rechner der Lebensgefährtin des Beschuldigten vom Auto ins Büro trägt – nicht auszuschließen, dass sie auf der Festplatte verbotenes kinderpornografisches Material finden. Aber jetzt müssen die Kripobeamten schnell handeln – die Kollegen in Hamburg informieren, bevor der mutmaßliche Täter Wind von den Ermittlungen bekommt.
"Dann werden wir uns so einen telefonischen Beschluss von einem Richter hier in Berlin holen und die Kollegen in Hamburg bitten, diesen telefonischen Beschluss heute für uns zu vollstrecken."
Der 43-jährige Kriminalhauptkommissar legt seine schwere Schutzweste beiseite, öffnet die Gürteltasche.
"Schusswaffe, Reizgassprühgerät und einen Kugelschreiber. Das ist, glaube ich, das Wichtigste."
Seit sieben Jahren arbeitet er im Kommissariat Kinderpornografie – hunderte Hausdurchsuchungen und Vernehmungen später hat sich Thorsten Ivers ein Bild von Pädophilen gemacht – kaum Ausländer dabei, ist seine Erfahrung. Und eher der devote Typ – seine Waffen hat der durchtrainierte Ermittler bislang nicht gebraucht.
Immer größere Datenmengen
Die Asservatenkammer befindet sich im Keller. Pappkartons voller Videokassetten, DVDs, USB-Sticks. Festplatten, Laptops. Was wie der Keller eines Computerhändlers aussieht, birgt in Wirklichkeit Ungeheuerlichkeiten - Millionen von Fotos und Videos, auf denen Kinder nackt zur Schau gestellt, Babys vergewaltigt werden. Kinderpornografie ist dokumentierter Missbrauch und die Datenmengen werden immer riesiger, sagt Ermittler Ivers, zeigt auf einen übergroßen Rechner im Kellerregal.
"Wenn man so Rechner hat, wie diesen hier zum Beispiel, so ein typischer Gaming-Rechner, allein in einem Rechnergehäuse sind dann vier bis sechs Festplatten darin. Da kann man sich vorstellen, dass dann natürlich auch die Auswertung wesentlich länger dauert, weil dann eben diese vier Festplatten, oder sechs Festplatten, ausgewertet werden müssen."
Da die zu sichtenden Datenmengen immer größer werden, ziehen sich die Ermittlungsverfahren in die Länge, es fehlt Personal. Zur Bekämpfung der Kinderpornografie werden gerade einmal so viele Leute eingestellt, dass es nicht peinlich wirkt – heißt es aus dem entsprechenden Kommissariat im Berliner LKA – 21 Mitarbeiter sind es momentan in der Hauptstadt. Die geplante Gesetzesverschärfung wird noch mehr Arbeit für die Ermittler bedeuten.
"Wir gehen jetzt zu unserer ehemals Kriminaltechnik 5, die für die Aufbereitung von elektronischen Geräten zuständig sind. Neuerdings heißt es LKA 75."
Hacker im Auftrag des Rechtsstaats
Hier sitzen die Computer-Nerds, die Hacker im Auftrag des Rechtsstaats. Sie knacken Verschlüsselungen, rekonstruieren Festplatten, die pädophile Täter zuvor versucht haben zu zerstören. Dezernatsleiter Hubert Schuster ist stolz auf seine Truppe:
"Wir haben die neuste Technologie und derzeit ist es technisch so, dass wir auf Augenhöhe sind. Denn, dann ist es immer ein bisschen wie Hase und Igel, aber wir sind eigentlich in der Regel der Fälle den Tätern im Moment voraus, sogar technisch."
Wenn die IT-Fachleute mit ihrer Arbeit fertig sind, müssen Thorsten Ivers und seine Kolleginnen und Kollegen das Material sichten und auswerten – eine durchaus belastende Arbeit. Die Ermittler – mehr als die Hälfte von ihnen Frauen - bekommen auf Wunsch psychologische Unterstützung, alle arbeiten freiwillig hier.
"Also es wird hier niemand gezwungen, weil letztlich kann man ja auch niemanden zwingen, sich das Material anzusehen. Also, wenn man das so machen würde, würde es letztlich dazu führen, dass die Leute sich dann relativ zügig krank melden."
Fester Händedruck, gerader Blick, die Statur eines Bodybuilders – Thorsten Ivers haut so schnell nichts um. Und doch: professionelle Distanz zu wahren ist auch ihm nicht immer möglich. Für den Vater zweier Söhne sind die Chats der pädophilen Täter oft schlimmer als jedes noch so brutale Video.
"Also, da steht drin, was die wollen. Also, man kann auch wirklich nur hoffen, dass die Menschen das nicht in die Tat umsetzen, weil, da kann ich jetzt auch nicht zu sehr ins Detail gehen, aber da stehen schon wirklich bestialische Dinge drin. Was sich Männer vorstellen können, was sie denn mit Kindern jeglichen Alters machen wollen würden, wenn sie denn könnten. Das nimmt einen dann schon mit."
Doch der heutige Tag endet mit einer erfolgreichen Fahndung – der den Berlinern entwischte mutmaßliche Täter ist den Hamburger Kollegen ins Netz gegangen.
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