Stolz und zerbrechlich

Anke Leweke · 06.01.2013
Regisseurin Margarethe von Trotta bringt ein Porträt der deutsch-amerikanischen Denkerin Hannah Arendt ins Kino. Der Film folgt einer der bewegtesten Phasen von Arendts Leben und Wirken: Sie reist nach Jerusalem, um über den Prozess gegen Adolf Eichmann zu schreiben.
Die Handlung setzt im Jahr 1961 ein. Gemeinsam mit ihrem Mann lebt Hannah Arendt in New York.

Doch die Schatten der deutschen Vergangenheit bestimmen auch die Intimität des Paares.

Du hast immer allen erzählt, wie klug und mutig ich gewesen wäre, als ich aus Gurs geflohen bin.

Das warst du auch, mein Herz.

Viele Frauen sind im Lager geblieben, weil sie Angst hatten, dass ihre Männer sie nicht finden würden, wenn sie das Lager verließen.

Ich hätte dich über all gefunden.

Vielleicht auch nicht.


Margarethe von Trottas Lieblingsschauspielerin Barbara Sukowa spielt Hannah Arendt mit beeindruckendem Nuancenreichtum: Zwischen Stolz, überschäumendem Temperament, leisen Selbstzweifeln und Zerbrechlichkeit. Von Trottas Film folgt einer der bewegtesten Phasen von Arendts Leben und Wirken. Sie reist nach Jerusalem, um über den Prozess gegen Adolf Eichmann zu schreiben. In diesen Szenen greift von Trotta immer wieder auf dokumentarisches Material zurück. Man sieht Archivaufnahmen von Eichmann auf der Anklagebank. Diese werden mit Bildern von Sukowa im Presseraum zusammengeschnitten, die konzentriert das Geschehen verfolgt. Sie erlebt einen Mann, der jegliche Verantwortung abstreitet

Eichmann: Ein Offizier hat einen Fahneneid geleistet. Wenn dieser Fahneneid gebrochen wird, ist dieser Mann ein Lump. Genauso wie ich auf dem Standpunkt stehe, ich habe hier einen Eid geleistet, die Wahrheit zu sagen. Genauso habe ich auf dem Standpunkt gestanden zu jener Zeit: Eid ist Eid.

Nach dem Prozess, bei dem Eichmann zum Tode verurteilt wird, verfasst Hannah Arendt ihr berühmtes Werk "Eichmann in Jerusalem – Ein Bericht von der Banalität des Bösen". Darin versucht sie Eichmann gerade nicht zu dämonisieren, sondern als Befehlsempfänger zu verstehen. Diese Sicht bringt ihr harsche Kritik ein, in der amerikanischen und internationalen Öffentlichkeit genauso wie von engen Freunden und Mitstreitern.

Etwa von Hans Jonas, ihrem Freund aus Heidelberger Studienzeiten.

Ja, aber Eichmann ist ein Monster. Und wenn ich Monster sage, dann meine ich nicht der Teufel. Man muss nicht besonders klug, nicht besonders mächtig sein, um sich als Monster zu verhalten.

Damit machst du es Dir zu einfach: das Neue an dem Phänomen Eichmann ist doch, dass viele ihm so ähnlich sind, dass er ein erschreckend normaler Mensch ist!


Besonders Hannah Arendts Ausführungen über die Zusammenarbeit der sogenannten Judenräte in den Ghettos sorgen für Empörung. Margarethe von Trotta zeigt, wie die Philosophin diffamiert, beleidigt, als jüdische Nestbeschmutzerin ausgegrenzt wird. Und sie zeigt den Kampf einer Frau, die ihren Gegnern mit hoch erhobenem Kopf entgegen tritt, weil sie sich allein der Wahrheit verpflichtet fühlt.
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