Stimmzettel statt Krieg

Von Victoria Eglau · 20.03.2009
Mehr als ein Jahrzehnt dauerte der Bürgerkrieg zwischen der linken Guerilla-Bewegung FMLN und den von den USA unterstützten Militärherrschern in den 80er-Jahren. Keine der beiden Konfliktparteien konnte in dieser Zeit den Krieg für sich entscheiden. 1992 unterzeichneten die Regierung El Salvadors und die FMLN das Friedensabkommen von Chapultepec, dem zwei Jahre später die ersten Wahlen folgten.
Die 80er-Jahre waren ein Jahrzehnt blutiger Bürgerkriege in Mittelamerika. In Nicaragua begann die Auseinandersetzung 1979 mit der Sandinistischen Revolution, und in El Salvador brach der Krieg 1980 aus. Gegenüber standen sich dort die konservativen Wirtschaftseliten und die von den USA massiv unterstützten Militärs auf der einen, und die aus Kommunisten, Christen, Bauern und Gewerkschaftern bestehende Guerilla-Bewegung FMLN auf der anderen Seite. Die FMLN erhielt Hilfe aus Kuba, weltweit wurden El-Salvador-Solidaritätskomitees gegründet. Ende der 80er-Jahre zeichnete sich immer deutlicher ab, dass keine der Konfliktparteien den Krieg für sich entscheiden konnte. Günter Maihold, Lateinamerika-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik:

"Keiner konnte wirklich den entscheidenden Fortschritt in der militärischen Auseinandersetzung erreichen, und nachdem der Übergang in Nicaragua sich abzeichnete, dass es auch dort zu einer Lösung kommen würde, haben auch die Konfliktparteien in El Salvador den Weg zu einer friedlichen Lösung eingeschlagen."

Am 16. Januar 1992 unterzeichneten die Regierung El Salvadors und die FMLN das Friedensabkommen von Chapultepec. Während des zwölf Jahre dauernden Bürgerkrieges waren schätzungsweise 75.000 Menschen getötet worden. In den ehemaligen Konfliktzonen herrschten Zerstörung und Anarchie, als für den 20. März 1994 die ersten allgemeinen Wahlen nach dem Friedensschluss einberufen wurden. Eines der größten Probleme: die Erstellung eines zentralen Wahlregisters.

"Wegen der großen Bevölkerungsverschiebungen, die stattgefunden haben, dann vor allem auch die Ausstellung eines Wahlausweises, die Sicherstellung, dass nicht im Wahlregister einer Menge von bereits verstorbenen Personen ein Wahlrecht zugeordnet wurde, und eben auch die Wahlüberwachung, wobei man sagen muss, das konnte die internationale Gemeinschaft relativ gut organisieren. Es sind ja über 3000 Wahlbeobachter im Land gewesen, plus 900 von den UN gestellten Wahlbeobachtern."
Bei den Wahlen trat die ehemalige Guerilla-Organisation FMLN erstmals als politische Partei an und wurde zweitstärkste Kraft im Parlament.

Die bereits seit 1989 regierende rechte ARENA-Partei konnte sich an der Macht behaupten. Ihr Kandidat Armando Calderón Sol wurde im zweiten Wahlgang im April zum neuen Präsidenten gewählt. Auch die Parlaments- und Kommunalwahl gewann ARENA mit überraschender Deutlichkeit. Überraschend war außerdem die niedrige Wahlbeteiligung, die nur bei 55 Prozent lag. Beim Urnengang kam es zu Unregelmäßigkeiten, die das Ergebnis aber nicht entscheidend beeinflussten.

"Die Wahlen waren der erste Meilenstein im Prozess der Wiederherstellung des demokratischen Lebens in El Salvador", "

analysiert Andrés Serbín vom lateinamerikanischen Forschungsinstitut CRIES.

" "Ich denke, das demokratische System hat sich seitdem positiv entwickelt, es gab große Fortschritte. Allerdings wird die Demokratisierung oft nur an der Reifung der politischen Institutionen gemessen. Aber in Mittelamerika, und besonders in El Salvador, bedeutet Demokratisierung auch strukturelle Veränderungen, und die sind noch nicht eingetreten. Es gibt in El Salvador nach wie vor eine tiefe Kluft zwischen einer wohlhabenden, mächtigen Oberschicht, und der Masse der armen, ländlichen Bevölkerung."

Genau diese Polarisierung war es, die den Bürgerkrieg in El Salvador mit ausgelöst hatte. Schätzungsweise jeder vierte Salvadorianer überlebt heute dank der Überweisungen von Angehörigen aus den USA. Jedoch lässt die Wirtschaftskrise im Norden die sogenannten remesas sinken. Neben der Armut gehören die sehr hohe Kriminalitätsrate, der Drogenhandel und die Geldwäsche zu den ungelösten Problemen des zentralamerikanischen Landes. Zum ersten Mal hat die Gesellschaft nun einem linken Politiker den Auftrag erteilt, diese Probleme zu lösen. 15 Jahre, nachdem sie zum ersten Mal als Partei angetreten war, gewann die FMLN am vergangenen Sonntag die Präsidentenwahl. Regieren wird künftig der 49-jährige ehemalige Journalist Mauricio Funes, der selbst nicht in der Guerilla gekämpft hatte.