Stiftung Warentest widerlegt

Fischöl bringt nichts für die Gesundheit

Fischölkapseln liegen auf einem Tisch, eine Kapsel im Vordergrund auf einem Löffel.
Fischölkapseln enthaltenen Omega-3-Fettsäuren und werden zur Nahrungsergänzung genutzt. © imago / View Stock
Von Udo Pollmer  · 21.08.2015
Stiftung Warentest erklärte den gesundheitlichen Nutzen von Fischölkapseln im Jahr 2005 für eindrucksvoll belegt. Die US-Gesundheitsbehörde kommt nun aber zu einem anderen Ergebnis. Nicht durch neue Studien, sondern durch eine saubere Auswertung vorhandener Daten. Ein herber Schlag für den Milliarden-Markt.
Ein Zitat aus berufenem Munde gefällig? "Fisch, Fisch und nochmals Fisch: Der Speiseplan der Grönland-Eskimos kennt oft wenig Abwechslung. Dafür ist er aber offensichtlich herzensgut, denn Herz-Kreislauf-Leiden, gar tödliche Infarkte, sind bei ihnen nahezu unbekannt." So stand's in einem populären Magazin, das flugs den herzgesunden Fischölkapseln einen Warentest stiftete. Denn, Fischölkapseln seien angesichts des geringen Seefischkonsums eine "sinnvolle Ergänzung" – so urteilte anno 2005 die Stiftung.
In der "Urteilsbegründung" hieß es, Fischölkapseln seien deshalb sinnvoll, weil im Fett der Eskimokost "zwei ganz spezielle" Omega-3-Fettsäuren stecken, kurz EPA und DHA. "Mittlerweile existieren weltweit rund 15.000 Studien", behauptete Stiftung Warentest damals vollmundig, "die den vielfältigen gesundheitlichen Nutzen von EPA und DHA eindrucksvoll belegen".
Noch eindrucksvoller ist allerdings die aktuelle Erklärung des National Institute of Health, also der obersten Gesundheitsbehörde in den USA. Dort heißt es mit bedauerndem Unterton: "Omega-3-Supplemente haben keinen Schutz vor Herzkrankheiten gezeigt." So ein Pech aber auch. Für die Fischölkapsel-Händler ist das ein herber Schlag. In den USA wird pro Jahr für fischige Nahrungsergänzung mehr als eine Milliarde Dollar ausgegeben. In der EU dürfte der Erfolg nicht geringer sein. Ein beachtlicher Markt, wenn man bedenkt, dass der Rohstoff eher weniger edle Lachsfilets sind, sondern Reststoffe der Fischverarbeitung, die als Katzenfutter wohl weniger Geld einspielen würden.
Magere Ausbeute an Studien
Grund für dieses vernichtende Urteil sind nicht etwa neue Studien, die alte Studien widerlegen, sondern einfach nur eine saubere Auswertung aller vorhandenen Daten nach den in der Forschung gültigen Regeln. Und da kam - zum wiederholten Male - heraus: Das Zeug nützt nix. Und die 15.000 Studien, die angeblich eindrucksvoll den Nutzen belegen, haben der Stiftung Warentest seinerzeit vermutlich die Werbetexter eingeflüstert. Zudem speisen die Eskimos traditionell nicht nur Fisch, sie lieben vor allem Speck - Robbenspeck und Walblubber.
Was unterscheidet die euphorische Lobhudelei eigentlich von den Methoden, mit denen auf Kaffeefahrten alten Omas Rheumadecken aufgeschwatzt werden? Gibt man heute in der größten Datenbank für medizinische Forschung (Pubmed), die beiden supertollen Fettsäuren ein, sind's immer noch keine 15.000 Studien. Selbst dann nicht, wenn alles dabei ist, einschließlich der gentechnischen Herstellung der Fisch-Fettsäuren in Pflanzen und der Gewinnung aus Algen - bis hin zur ihrer Entsorgung. Kombiniert man das Ergebnis mit dem Stichwort "Herz", und begrenzt es auf kontrollierte klinische Studien, ist die Ausbeute mager: Es sind bis heute ganze acht.
Anbieter versprechen schon neue Wunder
Die Fischöle lebten demnach nur von leeren Versprechungen aus sogenanntem "berufenem Mund". Manchmal verschlägt es einem dabei die Sprache, wenn die Berufenen ein offenes Wort wagen. So gestand kürzlich der ehemalige Präsident der Amerikanischen Cardiologen-Gesellschaft, Robert Eckel offenherzig: "Beinahe alle Studien mit Fischölkapseln haben keinerlei Nutzen gezeigt".
Und was bleibt vom herzgesunden Fisch? Nichts. Frischer Fisch, gut zubereitet, ist schmackhaft und bekömmlich. Mehr kann man von einem ordentlichen Speisefisch auch nicht erwarten. Mehr Fisch zu essen, als man mag, ist ebenso unsinnig, wie mehr Wein zu trinken, als man verträgt. Eine Studie hat ergeben, dass die Lebenserwartung sogar etwas sinkt, wenn man sich mutwillig eine Extraportion Fisch reinzwingt. Noch schlechter schnitten diejenigen ab, die sich zusätzlich noch ein paar Fischölkapseln gönnten.
Wer Milliarden mit billigen Reststoffen umsetzt oder Fischöle aus Algen oder gentechnisch veränderten Pflanzen gewinnt, wird diesen Goldesel mit Klauen und Zähnen verteidigen. Schon versprechen die Anbieter neue Wunder. Jetzt dürfen die Kapseln Alzheimer, Arthritis und Falten vorbeugen. Dagegen sind die Dealer von Rheumadecken eigentlich ehrliche Leute. Mahlzeit!
Literatur:
Anon: Fischölkapseln: Meer-Schutz fürs Herz. Stiftung Warentest 28.7. 2005
Grey A, Bolland M: Clinical trial evidence and use of fish oil supplements. JAMA Internal Medicine 2014; 174: 460-462
Whoriskey P: Fish oil pills: A $1,2 billion industry built, so far, on empty promises. Washington Post 8. July 2015
Zhang B et al: Polyunsaturated fatty acids for the prevention of atrial fibrillation after cardiac surgery: an updated meta-analysis of randomized controlled trials. Journal of Cardiology 2014; 63: 53-59
Chowdhury R et al: Association of dietary, circulating, and supplement fatty acids with coronary risk: a systematic review and meta-analysis. Annals of Internal Medicine 2014; 160: 398-406
Enns JE et al: The impact of omega-3 polyunsaturated fatty acid supplementation on the incidence of cardiovascular events and complications in peripheral arterial disease: a systematic review and meta-analysis. BMC Cardiovascular Disorders 2014; 31: e70
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