"Steve Jobs ist wie so eine Art Messias"

Tadeusz Szewczyk im Gespräch mit Britta Bürger · 25.08.2011
Der Blogger Tadeusz Szewczyk glaubt, dass das unantastbare, elitäre Image der Computerfirma Apple längst gekippt ist und die Nutzung von iPhone, iPad und iPod zum "Mainstream" geworden ist. Doch da das Unternehmen ein "Liebling der Medien" sei, werde seine nahezu monopolistische Stellung im Kommunikationsmarkt kaum kritisiert.
Britta Bürger: Think different – denke anders. Mit diesem coolen Spruch ist die Marke Apple einst angetreten mit einer Attacke auf den Mainstream. Mittlerweile ist daraus der größte Konzern der Welt geworden. 7,3 Milliarden Dollar war der Rekordgewinn im vergangenen Jahr.

Obwohl das Unternehmen mittlerweile sogar Hewlett Packard in die Knie zwingt – den größten Computerhersteller der Welt –, haben die Apple-Geräte für manche Besitzer aber immer noch das Image einer ganz besonderen Trophäe. Wie lange sich dieses Image der coolen Marke noch halten kann, darüber macht sich auch der Blogger Tadeusz Szewczyk Gedanken. Schönen guten Tag, Herr Szewczyk!

Tadeusz Szewczyk: Ja, hallo!

Bürger: Im Hauptberuf optimieren sie Webseiten für Suchmaschinen, im Nebenberuf schreiben sie aktiv in mehreren Blogs, unter anderem auf der Seite "Zeitgeist – gestern wissen, was heute cool und morgen Mainstream ist". Besitzer eines Apple-Geräts zu sein, das hatte ja lange Zeit einen durchaus elitären Touch. Man setzte sich bewusst von der Masse der Microsoft-Nutzer ab und zeigte allen Anderen, dass man Wert legt auf Perfektion und pures Design und auch bereit ist, dafür mehr Geld auszugeben. Hat sich das mittlerweile umgedreht? Ist das Besondere zum Mainstream geworden?

Szewczyk: Ich denke ja. Es ist so, dass ich schon frühzeitig, wie es halt das Thema des Blogs auch ist, ein bisschen darauf hingewiesen habe, dass das eigentlich nicht mehr zu halten ist, dass Apple besonders zu sein scheint, oder versucht, aber eigentlich nicht mehr das ist. Und selbst die Erfindungen ,die oft gerne als – zuletzt war das, glaube ich – revolutionär und magisch dann verkauft werden, dass es meistens schon Geräte gibt, die vorher das Gleiche schon gemacht haben, aber wo der Produzent vielleicht kleiner war oder weniger Werbebudget oder, wie auch immer, Pressekontakte hatte, und das dann auch gerne unter den Tisch fällt … also das war beim iPhone so, das war beim iPad auch so, dass es vorher schon Geräte gab, die das konnten, und die auch mit Touchscreen und mit allem drum und dran ausgestattet waren.

Bürger: Dennoch hat Apple das Image, kreativ zu sein in diesem Bereich. Wie ist das möglich? Wie funktioniert das?

Szewczyk: Das kann man, glaube ich, geschichtlich zum einen erklären, dass früher – ungefähr vor zehn, zwölf Jahren, als ich sozusagen in der Internetbranche angefangen habe, da habe ich für eine Firma gearbeitet, die die Webseiten erstellt hat –, da war das so, dass die Grafiker alle an Macs gesessen haben, und zwar aus diesem Grund, weil damals es wohl so war, dass man in Photoshop tatsächlich größere Dateien bewegen konnte, weil eben da mehr Grafikspeicher war. Also war das technisch tatsächlich auch begründet. Natürlich sahen die auch schon damals ein bisschen anders aus, optisch war das für das Grafikerauge auch wohltuender, und so ist es halt geblieben, teilweise, dass die Grafiker das aus der Tradition heraus immer noch kaufen, und die anderen …

Bürger: … und viele kreativ sind.

Szewczyk: … genau! – und die anderen gucken: Aha, die coolen Grafiker, die ja gerne so schon eh das Image des sympathischeren Nerds haben, also nicht so wie die Programmierer, die eben so als die bebrillten, buckligen, schüchternen Außenseiter dargestellt werden, sondern die Grafiker, die waren ja schon immer stylish, und zu denen hat man dann halt rüber- oder aufgeschaut. Und die hatten das dann. Und dann …

Bürger: Nun haben sie es aber schon lange nicht mehr alleine. Mittlerweile werden Jugendliche zum Beispiel nicht mehr wegen Nike-Klamotten abgezogen, sondern wegen ihrer iPhones. Man könnte überspitzt sagen, die Unterschicht erprügelt sich ein Applegerät, während der Bohemien mit seinem iMac beim Latte Macchiato sitzt. Ist das der Punkt, an dem das Image jetzt kippen könnte, wenn das Elitäre der Marke verloren geht?

Szewczyk: Ich denke ja, auf jeden Fall. Ich habe jetzt gerade kürzlich noch einen Beitrag von einem Blogger, den ich sehr gerne mag, von 2008 schon gelesen. Das war auch so die Zeit, wo ich auch drauf hingewiesen habe, dass es eigentlich schon kippt oder gekippt ist, und nicht erst heute. Da hat er geschrieben: "Ich trete aus der Apple-Kirche aus". Und dann hat er geschrieben, dass er tatsächlich gerne noch seinen Mac benutzt – er hatte einen Mac –, aber er kann eigentlich das, was die Firma Apple macht und wofür die steht und was sie sich alles leistet, nicht mehr mittragen.

Bürger: Aber das ist ja auch ein interessanter Punkt, eben diese Negativschlagzeilen, in die Apple geraten ist. Denken wir an die prekären Arbeitsbedingungen in der Geräteproduktion oder die gesammelten Bewegungsprofile der iPhone-Nutzer. Das hat ja keinen bleibenden Niederschlag gefunden. Das Image ist trotzdem wie aufpoliert.

Szewczyk: Ja, ich denke, das ist die sogenannte selektive Wahrnehmung. Die Leute wussten das schon teilweise, und das mit den Arbeitsbedingungen, das wurde ja immer mehr dann zum Thema. Auch bei den Apple-Publikationen selber, die sich sonst nur mit den schönen neuen Geräten beschäftigt haben, wurde das dann beschrieben. Da konnte man sozusagen nicht mehr seinen Kopf in den Sand stecken. Aber jetzt ist es immer noch so: Diese selektive Wahrnehmung und Verleugnung – das: Die anderen machen das ja auch so, und statistisch gesehen sind das eh weniger Selbstmorde als auf die Bevölkerung sozusagen umgerechnet –, ja, das ist Augenwischerei eigentlich.

Bürger: Tadeusz Szewczyk ist ein leidenschaftlicher Anti-Apple-Blogger und im Hauptberuf Suchmaschinenoptimierer. Nach dem Rücktritt von Applegründer Steve Jobs sprechen wir hier im Deutschlandradio Kultur über das Image der Marke Apple – ein Image, das möglicherweise auf der Kippe steht. Herr Szewczyk, verhält sich Apple heute genau so dominant, genau so bestimmend, wie einst Microsoft, nur dass sich kaum jemand darüber aufregt?

Szewczyk: Ja, das kann ich bejahen. Ich sehe da sehr starke Parallelen. Microsoft war einfach kein Liebling der Medien und der Nutzer, und bei Microsoft ist es dann viel doller aufgefallen. Aber wenn Apple seine monopolistische Stellung dazu benutzt sozusagen, sich Vorteile zu verschaffen, gibt es nicht so einen großen Aufschrei, sage ich mal. Es gibt hier und da Berichte, aber man muss ja mitmachen, weil wenn die bei iTunes zum Beispiel das Monopol haben, so gut wie, auf dem Musikmarkt, oder wenn sie mit dem iPad die ganze publizistische Landschaft dann neu ordnen wollen – da nicht dabei zu sein, kann man sich eigentlich auch nicht leisten. Da gab es ja die Zäsurvorwürfe, dass man ja gar keine nackte Haut mehr zeigen darf, und das da das puritanische Selbstverständnis der Amerikaner uns dann aufgedrückt wird, und trotzdem machen alle mit.

Bürger: Wenn man die beiden Unternehmen Microsoft und Apple unterm Strich also, wie Sie das tun, gleichsetzen kann, was macht Apple dann offenbar richtig, was Microsoft schlecht gemacht hat?

Szewczyk: Das sieht man auch ganz gut beim Vergleich vom iPod – also nicht iPad, sondern von diesem MP3-Spieler –, wo Microsoft auch kurz später einen mehr oder weniger gleich coolen MP3-Player hinterhergeschmissen hat auf dem Markt, den Mircosoft Zune, und auch mit ganz vielen Kampagnen und Grafikdesignern und Videos und so weiter.

Und die sind damit gescheitert. Die haben das Ding nicht mal mehr in Europa auf den Markt gebracht, weil sie in den USA schon zu wenig Verkäufe hatten. Und das Gerät, sage ich mal, war sicherlich nicht dramatisch schlechter, sondern es lag einfach daran, dass es eine Art Überidentifikation gibt mit der Apple-Marke. Die haben so etwas geschaffen, was sich fast mit einer Sekte vergleichen würde. Die beten das förmlich an, also die Marke an sich, und den Steve Jobs auch gerne. Wenn man sich die …

Bürger: "Spiegel Online" titelt heute: "Abgang des iGod!"

Szewczyk: Genau! Wenn man sich den frenetischen Beifall anschaut und so weiter, dann denke ich manchmal an den Film "die Welle" oder so was. Das ist dann mehr als eine Firma, sage ich mal. Das ist …

Bürger: … Manipulation.

Szewczyk: … Manipulation hört sich auch so platt an. Die Leute werden ja nicht richtig manipuliert … es ist schwer, das in Worte zu fassen. Aber es ist eine Art Vergötterung im gewissen Sinne.

Bürger: Aber meinen Sie, Apple wird diese Marktführerschaft behalten können, auch unter dem neuen Chef Tim Cook, dem bisherigen Technik-Chef? Denn erstaunlicherweise ist Apple ja zum Beispiel auch in China sehr erfolgreich.

Szewczyk: Ja, das ist, weil die Chinesen so einen Nachholbedarf haben. Ich sehe das so, dass es so ähnlich laufen wird wie bei den Smartphones, dass Google mittel- oder langfristig da Apple auch überholen wird, weil Apple einfach proprietär ist und Google zumindest versucht, über diese Open-Source-Schiene – also über dieses freie Betriebssystem, wo alles von jedem einsehbar ist –, das offener und kundenfreundlicher zu gestalten.

Wogegen beim iPad das ja eine Blackbox ist, wo man dann wie beim iPhone möglicherweise was vorfindet, was man gerne nicht gefunden hätte, wie zum Beispiel diese Verfolgung des eigenen Standortes. Das hat man zwar beim Android dann auch gefunden. Aber wie auch immer es war, es war einfach beim Apple eine Überraschung, die hätte auch jahrelang danach drinbleiben können, hätte das nicht ein Experte auseinandergenommen. Ich denke, Steve Jobs ist wie so eine Art Messias. Er wird da einen schweren Stand haben.

Bürger: Über den Mainstream der Macs schreibt der Apple-kritische Computerexperte Tadeusz Szewczyk in seinem Blog "Zeitgeist". Heute war er bei uns. Danke für das Gespräch!

Szewczyk: Ja, vielen Dank!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.