Steuergerechtigkeit

"Am Ende ist das auch so ein Trick"

Moderation: Gabi Wuttke · 27.12.2013
Eine Reform des Zinssteuergesetzes in Europa wird blockiert. Viele Länder profitierten von den unternehmensfreundlichen EU-Gesetzen, kritisiert Markus Henn, Koordinator des Netzwerks Steuergerechtigkeit. Untragbar sei auch, dass Deutschland das achtgrößte Schattenfinanzzentrum der Welt beherbergt.
Moderatorin: Fast neun Monate ist es her, da erblickten 2,5 Millionen Dokumente das Licht der Welt, mit Namen von Millionären und Konzernen, die sich in Steueroasen das Leben noch süßer rechnen. Weltweit von einem Mediennetzwerk publiziert, sorgte Offshore Leaks dafür, dass am 4. April auch die Führungsetagen in Berlin und Brüssel sehr schnell sehr wach waren, denn über die anonyme Quelle wurde eine Zahl publik, die keinen kalt ließ: 25 Billionen Euro, die dem Fiskus weltweit vorenthalten werden. Die EU versprach, diese Steueroasen umgehend auszutrocknen – und Sie haben vergessen, wann das Versprechen eingelöst wurde? Mitnichten! Denn seitdem ist nichts passiert, obwohl auch Brüssel die Sache nicht vergessen hat. Wieso, das kann Markus Henn erklären, er ist Koordinator des Netzwerks Steuergerechtigkeit. Schönen guten Morgen!
Markus Henn: Guten Morgen!
Moderatorin: Österreich und Luxemburg weigern sich standhaft, das Zinssteuergesetz zu reformieren. Wieso?
Henn: Weil diese beiden Staaten Interessen haben, weiterhin Kunden anzubieten, dass sie dort ihr Schwarzgeld anlegen können, und obwohl der Druck jetzt gestiegen ist, schaffen sie es weiterhin leider in der Europäischen Union, diese Position zu verteidigen, und obwohl es schon erste Anzeichen gibt, dass man sich vielleicht bewegen will, hat man jetzt de facto immer wieder bei den wichtigen Gipfeln alles blockiert, um weiterhin eben sein Modell aufrechtzuerhalten.
Moderatorin: Was würde denn eine ordentliche Reform dieses Gesetzes zukünftig verhindern?
Henn: Das Gesetz soll ja den Informationsaustausch automatisieren, das heißt, jedes Land in der EU meldet an einen anderen EU-Staat, wann Ausländer Gelder dort angelegt haben, und dadurch kann man dann eben kein Geld mehr verstecken. Und diese beiden Staaten haben sich bislang immer verweigert, bei diesem Gesetz, was eben eigentlich schon in Kraft ist, mitzumachen, und sagen: Wir machen eine anonyme Abgeltungssteuer. Und dadurch kann man eben dann auch weiterhin Geld verstecken. Und diese beiden Staaten wollen das aufrecht halten, und sie blockieren dadurch nicht nur die Reform der aktuellen Richtlinie, wo es eigentlich nur um natürliche Personen geht, sondern auch zugleich die Erweiterung, die eigentlich schon geplant ist, auf weitere Personen und auch weitere Anwendungsfälle.
Moderatorin: Das heißt, der Status quo ist gerade auch – nicht nur, aber auch – für Unternehmen: Hoch leben die Steueroasen! Da ist Transparenz ein Fremdwort?
Henn: Genau, das ist noch mal ein anderer Bereich, bei den Unternehmen gibt es noch eine ganze Reihe von Problemen. Da gibt es einmal die Frage Transparenz – da soll es jetzt Register geben, wo man die Unternehmen alle transparent macht, aber da sind ganz große Probleme natürlich mit einigen Staaten in Europa, vor allem Großbritannien, die eben dieses große Netzwerk an Steueroasen wie die Kaimaninseln an sich angegliedert haben und die da zwar ein bisschen sich bewegen gerade, aber de facto natürlich weiterhin alles abblocken, was nur geht. Und außerdem haben wir leider auch in der Unternehmensbesteuerung, also wo es darum geht, wie man als Unternehmen dann auch in Europa die Gewinne hin- und herschieben kann, Probleme, weil die entsprechenden EU-Gesetze sehr unternehmensfreundlich gestaltet sind, und das ermöglicht dann so Staaten wie den Niederlanden, dass sie eben haufenweise Briefkastenfirmen bei sich beherbergen, die dann wiederum anderen EU-Staaten schaden.
Moderatorin: Es gibt ja eine Initiative der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Womit schreitet denn die wenigstens voran?
Henn: Also die hat eine Liste mit Aktionen vorgelegt, die dann auch von den G20 im September diesen Jahres bekräftigt wurde als ein politisches Ziel, und da will man auf verschiedenen Ebenen im Detail nachbessern, bei dem aktuellen Modell, was wir haben, um internationale Unternehmen zu besteuern. Und was da genau rauskommt, wissen wir noch nicht, es ist aber jetzt schon absehbar, dass kein wirklicher Systemwechsel stattfindet, den wir eigentlich bräuchten, um die ganzen Probleme wirklich zu beseitigen.
Moderatorin: Wie stark – Sie haben es ja schon angedeutet – ist bei diesem Thema der Lobbyismus?
"Es ist schon besser geworden in letzter Zeit"
Henn: Natürlich verteidigen da einzelne EU-Staaten erst mal ihre Interessen. Das muss man ja ganz klar sehen, dass Staaten wie die Niederlande oder eben auch Irland, die sich da etabliert haben als Steueroasen in Europa, ihre Interessen verteidigen, oder bei Privatpersonen eben eher Staaten wie Luxemburg oder jetzt auch Österreich bei der Zinsrichtlinie. Das heißt, da ist erst mal so ein nationaler Lobbyismus leider da. Und der wiederum ist dann aber indirekt natürlich ein Lobbyismus der Finanzindustrien in den jeweiligen Staaten, also die City of London in Großbritannien oder in Irland der Finanzsektor, und in Holland eben diese ganzen Sektoren, die davon leben. Und die machen natürlich Druck auf ihre Regierungen, dass da was passiert, und sind dann in Brüssel bei der Kommission oder den Staaten immer aktiv und machen dort Lobbyarbeit.
Moderatorin: Herr Henn, Sie kämpfen für Steuergerechtigkeit. Nach all dem, was Sie jetzt geschildert haben – ist das nicht zum Heulen?
Henn: Also es ist schon besser in letzter Zeit geworden, als es lange Zeit war. Wir haben ja zu diesem Problem lange schon Kritik geübt und lange Zeit ist fast gar nichts passiert, und jetzt haben wir immerhin Offshore Leaks, aber eigentlich ja auch schon vorher mit anderen Veröffentlichungen, ich nenne jetzt mal die Liechtenstein... mit Herrn Zumwinkel von der Post vor drei Jahren. Dadurch haben wir schon eine Dynamik, die deutlich besser ist als das, was wir früher hatten, dass zumindest diskutiert werden kann, dass bestimmte auch Aktivitäten delegitimiert sind, und dass es auch nicht mehr einfach hingenommen wird, wenn am Ende ein Unternehmen gar keine Steuern zahlt. Das war früher gar nicht so unnormal, dass man gesagt hat: lieber gar keine Steuern als zu viel. Und diese Denkart ist zumindest schon ein bisschen durchbrochen worden jetzt in letzter Zeit, und das halten wir jetzt schon für einen Fortschritt, und wir kämpfen natürlich immer noch dafür, dass die wirklich konkreten Änderungen jetzt dann auch kommen, die wir brauchen.
Moderatorin: In Deutschland wird viel Geld gewaschen. Das sorgt dafür, dass unser Land das achtgrößte Schattenfinanzzentrum der Welt ist, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Haben Sie im Kampf dagegen in unserem neuen Koalitionsvertrag irgendwas gefunden?
Henn: Also in den internationalen Standards, die kommen von einer OECD-Gruppe, und die hat die entsprechenden Standards festgelegt international, die man eigentlich befolgen sollte. Und da hat Deutschland jetzt gesagt oder in dem Fall die Regierung, dass sie die Standards komplett umsetzen wollen und zum Beispiel das Strafgesetzbuch noch an einem Punkt ändern, wo man nach wie vor nicht konform ist mit diesem Standard – soweit wir das verstehen, das ist nicht ganz eindeutig formuliert, aber es kann eigentlich nur dieser Punkt sein, dass da zum Beispiel so etwas noch geregelt werden soll, was noch nicht ganz abgedeckt ist momentan, und das ist quasi das, was drin ist. Und dann soll es beim Bereich Transparenz ein Register für sogenannte Trust-Konstruktionen – so heißt das im Koalitionsvertrag – geben, wo wir noch rätseln, was genau gemeint ist, weil Trusts sind eigentlich in Deutschland nicht üblich als Rechtsform, sondern es gibt nur viele Treuhandschaften, die auch teilweise wohl mit Geldwäsche zusammenhängen, und die wiederum sind aber nicht wörtlich erfasst, und da rätseln wir jetzt, ob am Ende das auch so ein Trick ist, sodass man am Ende gar nichts machen muss, weil man einfach etwas abdecken will, was in Deutschland gar nicht relevant ist.
Moderatorin: Klingt das nach einer Mogelpackung?
Henn: Wir denken schon, dass es eine sein könnte, weil eben in Deutschland andere Probleme vorliegen, ich sage jetzt mal, im Bereich Immobilienwirtschaft, im Bereich Scheinfirmen, im Bereich eben mit der Treuhandschaft, wo dann die Mafia aus Italien wirklich groß Geld wäscht nach vielen Aussagen von Mafiaermittlern. Und gerade die sensiblen Bereiche, oder zum Beispiel auch Spielhallen, um noch einen anderen zu nennen, gerade diese sensiblen Bereiche, die werden eben nicht wirklich konkret angegangen, also eigentlich zum Thema Geldwäsche ist das, was da drinsteht, ein ziemlicher Witz, und man kann nicht wirklich sagen, dass da was passiert. Da hätten wir uns schon mehr erhofft.
Moderatorin: Markus Henn, Koordinator des Netzwerks Steuergerechtigkeit, über viel Geld, das nicht vergessen, sondern verschoben wird. Ich danke Ihnen sehr!
Henn: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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