Sterne vom Himmel holen

Von Petra Marchewka · 21.06.2013
Angefangen hat alles mit zehn Sängerinnen und Sängern, einer ehrgeizigen Chorleiterin und einem Traum. Mit anspruchsvoll arrangierten Jazz-, Pop- und Rocktiteln sollte ein Publikum verzaubert werden. Knapp sechs Jahre später ist der Jazzchor Lübeck auf 30 Stimmen angewachsen und begeistert regelmäßig das Publikum.
Barbara Rupp: "Eins, zwo, drei, vier!"

Gesang mit Fingerschnipsen

"Close your eyes..."

Hier stimmt etwas noch nicht – musikalisch gesehen.

Rupp: "Sopran, Alt, Tenor!"

Klavier

Rupp: "Eins, zwo, drei, vier!"

Gesang: "Close your eyes..."

Bis zur Jazz Baltica nächste Woche soll dieses Stück sitzen. Deshalb feilt Barbara Rupp heute an Feinheiten.

Rupp: "Stoppt mal bitte, wir stellen uns gemischt..."

Barbara Rupp hat ihre Flip Flops zur Seite gekickt und gibt barfuß am Klavier den Rhythmus vor. Die Energie der kleinen, dunkelhaarigen Frau hat alle im Raum längst gepackt.

"Eins, zwo, drei, vier!"

Gesang: "Close your eyes..."

Klavier

""Zu laut, ja! Es ist zu laut!"

Drei Stunden pro Woche proben die 30 Sängerinnen und Sänger, in einem Raum der St. Martin Kirche in Lübeck. Und dabei gehe hier jeder gesanglich grundsätzlich einen Schritt weiter, als man es der eigenen Stimme selbst zugetraut hätte, sagt die 34-jährige Ines Langhorst, die seit drei Monaten im Alt des Jazzchores mitsingt. Der Grund für überdurchschnittlich große Leistungsbereitschaft ist simpel:

Ines Langhorst: "Weil Barbara Rupp das gerne so hätte. Das macht sie auf 'ne ganz charmante Weise, und so kommen wir zu einem ganz guten Klang. Auch sehr schnell."

Barbara Rupp. Ausgebildete klassische Mezzospranistin. Fordert ihre Sängerinnen und Sänger mit Fantasie und Dynamik dazu auf, die individuelle "stimmliche Komfortzone" zu verlassen.

Gesang: "So, das isser! Wide awake, ne."

"Bis dahin alles super. Und das gucken wir uns jetzt noch mal genau an."

Um zu verdeutlichen, welche feinen Veränderungen sie sich wünscht, entwickelt die 51-jährige Chorleiterin fantasievolle Bilder, etwa von leicht dahin schwebenden Adlern im Unterschied zu Piepsmeisen. Sie lässt Songtexte hauchen und flüstern, galoppiert wie ein elegantes Pferd rhythmisch durch den Raum oder würfelt die Choraufstellung immer wieder durcheinander.

"Wir machen einmal schnell Durcheinandersitzen... Die hören sich gegenseitig nämlich nicht. Der Sopran hört den Bass nicht, und so weiter. Das finden sie immer total gut, die meisten jedenfalls... Wir wollen mal kucken, was aus einem normalen Laienchor rauszuholen ist. Wenn man mehr Zeit einsetzt, wenn man länger probt, wenn man sich öfter trifft, dieser Chor ist eben so, dass alle Mitglieder mehr wollen und bereit sind, das zu einem Riesenhobby in ihrem Leben werden zu lassen."

"Halleluja."

Jazz, Swing, Balladen, Latin, auch einige Popstücke gehören zum Repertoire des Jazzchores, das Barbara Rupp meistens selbst zusammenstellt.

Birgit Geweke: "Ab und zu dürfen wir uns auch mal was wünschen, und wenn wir dann ganz großes Glück haben, kommt es mit auf die Repertoireliste..."

Die 55-jährige Birgit Geweke singt im Alt mit.

"...auf diesem Wege ist 'Halleluja' mit in unser Repertoire gekommen, und auch mit gutem Erfolg..."

Die Sängerinnen und Sänger des Jazzchores Lübeck sind zwischen 16 und 66 Jahren alt, Laien allesamt, einige von ihnen allerdings bereits mit langjähriger Erfahrung in anderen Chören. Dass die Mezzosopranistin Rupp sich überhaupt mit Chören zu beschäftigen begann, folgte einer Art Eingebung.

Rupp: "Ja, das kam über Nacht. Wie das so oft ist bei mir oder manchmal passiert, dass ich morgens aufwache und denke: Ich muss jetzt einen Chor gründen! Das kam über Nacht. Ich habe da meine wahre Berufung gefunden, und das hat sich dann auch so ausgedrückt, dass ich noch einen Chor bekommen habe und noch einen Chor, und aus diesen Chören habe ich dann die besten, die Perlen herausgepickt und diesen Jazzchor gegründet."

Die Zukunft des Jazzchores Lübeck? Da ist Barbara Rupp äußerst optimistisch.

"Wir halten den Ball flach und kucken, was wir rausholen können und welche Sterne wir vom Himmel holen können. Ein paar haben wir auch schon runtergeholt."

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.