Steigende Kosten

Sozialverträgliche Mietpolitik ist möglich

Blick auf eine Häuserzeile im Nordend von Frankfurt am Main.
Steigende Kosten macht vielen Mietern zu schaffen. © picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst
Von Andrej Holm · 13.02.2014
Die Wohnungsnot in Deutschland wächst: Was es braucht, ist keine Mietpreisbremse, sondern eine Verwertungsbremse, meint der Sozialwissenschaftler Andrej Holm. Wer es mit der sozialen Stadt ernst meint, sollte Wohnen als soziale Infrastruktur ansehen.
Die längst überwunden geglaubte Wohnungsfrage ist zurückgekehrt in unsere Städte und auch die Politik nimmt sich des Themas an. Doch was bringen die beschlossene Mietpreisbremse und die Zusage für 500 Millionen Euro Fördermittel vom Bund?
Die Kappung der Neuvermietungsmieten klingt erst einmal vernünftig. Doch eine Deckelung knapp über dem Mietspiegel nützt vor allem den Mittelschichten. Geringverdiener brauchen Mieten unter dem Mietspiegel-Niveau. Das hat die Mietpreisbremse nicht zu bieten.
Auch eine halbe Milliarde Euro für die Wohnungsbauförderung klingen zunächst vielversprechend. Doch selbst bei einer Kofinanzierung in gleicher Höhe durch Städte und Gemeinden würde das Geld für gerade mal 20.000 Wohnungen im Jahr reichen. Bei der derzeitigen Ausstattung bräuchte es etwa 200 Jahre um die 4,2 Millionen Sozialwohnungen zu bauen, die fehlen.
Wer es mit der sozialen Wohnungsversorgung ernst meint, kommt nicht umhin, sich mit den Ursachen zu beschäftigen. Wo immer die Interessen der Mieter/innen unter die Räder geraten, geht es letztendlich ums Geld. Wohnungen sind in erster Linie Renditeobjekte und zinstragendes Kapital. Investitionen sollen sich vor allem lohnen und die Zufriedenheit der Mieter/innen oder soziale Versorgungseffekte bleiben als Mittel zum Zweck des Geldverdienens oft auf der Strecke.
Die soziale Blindheit des Marktes heißt in der Konsequenz: Soziale Wohnungsversorgung lässt sich nur als öffentliche Aufgabe gewährleisten.
In 150 Jahren kapitalistischer Stadtentwicklung gibt es - abgesehen von Werkssiedlungen großer Industriemagnaten - keine Beispiele, in denen private Eigentümer preiswerte und gute Wohnungen errichtet haben. Insbesondere Wohnungen für die Armen wurden ausschließlich von Genossenschaften, im öffentlichen Eigentum oder im Rahmen von Förderprogrammen gebaut.
Sozialer Wohnungsbau als Selbstbedienungsladen für Bauherren
Doch viele öffentliche Wohnungen wurden in den letzten Jahren privatisiert und kommunale Unternehmen unterscheiden sich vielerorts kaum von privaten Eigentümern. Unter den Bedingungen von Sparzwang und Standortkonkurrenz haben viele Städte ihre Wohnungsbaugesellschaften in effiziente Unternehmen verwandelt. Effizienz klingt immer gut, schließt aber im Fall der Wohnungsbaugesellschaften die Ausschöpfung von Mieterhöhungspotenzialen mit ein.
Der soziale Wohnungsbau ist als Selbstbedienungsladen für Bauherren, Bauunternehmen und Banken in Misskredit geraten und sicherte in seiner Ausgestaltung als soziale Zwischennutzung vor allem eines: private Gewinne.
Beispiele in Skandinavien, aber auch in Österreich zeigen, dass öffentliche Wohnungsversorgung auch anders organisiert werden kann.
In Schweden gibt es fast keine privaten Mietwohnungen. Vor allem in den großen Städten dominieren städtische und genossenschaftliche Wohnungsangebote. Kommunale Wohnungen sind dauerhaft gemeinnützig und Mietpreise werden von den Kommunen in Abstimmung mit den Mieterverbänden festgelegt.
Auch in Dänemark haben die Sozialmieter ein starkes Mitspracherecht: zentrale Bewirtschaftungsentscheidungen unterliegen einer Bewohnerselbstverwaltung. Die Mieten orientieren sich an den durch die Förderung reduzierten Erstellungskosten und fließen langfristig in einen Wohnbaufonds zur Finanzierung neuer Förderprojekte.
Auch in Österreich wird auf revolvierende Fonds gesetzt. In Salzburg werden attraktive Neubauten für 4,85 Euro/Quadratmeter gebaut. Möglich macht dies ein staatlicher Wohnbaufonds, der mit seiner gemeinnützigen Zielsetzung die zinsgünstigen Kredite der Bundesbank nutzen kann.
Dauerhaft soziale Wohnungsbestände, revolvierende Fonds zur Finanzierung und bewohnernahe Verwaltungsmodelle wird es nur außerhalb der Marktregeln geben.
Was es braucht ist keine Mietpreisbremse, sondern eine Verwertungsbremse. Wer es mit der sozialen Stadt ernst meint, sollte Wohnen - wie Bildung, Gesundheit oder den öffentliche Nahverkehr - als soziale Infrastruktur und als öffentliche Aufgabe ansehen.
Dr. Andrej Holm, Jahrgang 1970, promovierte an der Humboldt-Universität zum Thema "Restrukturierung des Raumes und gesellschaftliche Macht im Sanierungsgebiet". Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Humangeographie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a.M. und koordinierte dort des Forschungsprogramms "Neuordnungen des Städtischen im neoliberalen Zeitalter" (2008/09). Von 2009 bis 2011 übernahm er die Vertretung von Dr. Norbert Gestring im Bereich Stadtforschung an der Universität Oldenburg.Seit April 2011 arbeitet er wieder am Lehrstuhl für Stadt- und Regionalsoziologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Sein Buch "Mietwahnsinn – Warum Wohnen immer teurer wird und wer davon profitiert" ist kürzlich bei Knaur-Droemer erschienen.
Andrej Holm
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