Startup Changers aus Potsdam

Gesünder und mit Spaß die Welt verbessern

Radfahrer, unterwegs auf einer Straße in Köln
Wer mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, bekommt mit der App Changers sogenannte Recoins gutgeschrieben. © picture alliance / dpa
Von Florian Felix Weyh · 01.03.2016
Belohnung ist wunderbar: So lautet das Credo von Changers. Das Potsdamer Startup wendet sich gezielt an Unternehmen. Eine App fürs Smartphone motiviert die Mitarbeiter mit einer digitalen Währung, vom Auto auf umweltfreundlichere Alternativen umzusteigen.
Daniela Schiffer: "Wenn zwei Prozent unserer Gesellschaft bereits bestimmte Dinge tun, dann ist das viel. Mein Ziel ist aber tatsächlich, die 98 Prozent zu bekommen, denen es mehr oder weniger egal ist."
Das Klima nämlich, und die eigene CO2-Bilanz:
"Wir waren einer der ersten – wenn nicht eigentlich das erste – smarte Solargerät, das tatsächlich nicht nur die Energie speichert, sondern auch die Daten über die Energieproduktion. Und diese Daten können unsere User dann hochladen und können dann auf ihrer mobilen App dann sehen: Wie viel Energie hab ich produziert? Und bekomm für jede Wattstunde erneuerbarer Energie eben einen Bonuspunkt gutschrieben."

Ein eleganter Akku und ein Solarmodul im Angebot

Auf dem Tisch des Potsdamer Startups Changers liegt ein sehr eleganter Akku im weißen Apple-Design, daneben ein flaches, DIN-A4 großes Solarmodul.
Daniela Schiffer: "Der Solarakku und dieses Modul sind für uns ein Werkzeug, das ist ein Mittel zu Zweck! Uns ging's immer darum: Wie kann man ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Tätigkeit sichtbar machen? Wie kann man die messbar machen? Und damit natürlich auch belohnbar."
Belohnung ist wunderbar, denn nur so lässt sich die Welt verbessern. Man könnte fast meinen, dass Changers-Mitbegründerin Daniela Schiffer von sich aus den Solarakku zur Energieproduktion anregt, weil sie so strahlt – vor Freude übers Engagement ihrer Kunden:
"Manche Leute nehmen das überallhin mit, manche haben das einfach dann fest installiert irgendwo und haben dann den Akku, der mobil ist. Manche befestigen das an ihre Tasche oder legen das hinten ins Auto rein. Also das ist wirklich ganz unterschiedlich, und so war es auch gedacht."
Aber Changers sind eigentlich keine Hardwareproduzenten, sondern im weitesten Sinne ein pädagogisches Unternehmen. Sie erzeugen nämlich Geräte nur nebenbei, in der Hauptsache eine digitale Währung, sogenannten Recoins.
Daniela Schiffer: "Das sind unsere 'renewable energy coins'. Wir haben irgendwann angefangen, eine Verhaltensveränderung in Wattstunden zu messen. Oder Wattstunden/CO2-Einsparung. Das heißt, wenn ich etwas tue, was für uns, was für mich, was im Zweifelsfall auch für eine Gesellschaft gut ist, dann kann man dem ein Pendant geben in einer CO2-Einsparung."

Die App fürs Smartphone heißt auch Changers

Und im Zentrum dieses Geschäftsmodells steht eine Smartphone-App, ebenfalls Changers genannt.
Daniela Schiffer: "Für alles, was zu Fuß, mit dem Rad oder mit den Öffentlichen ist, bekommen Sie eine CO2-Einsparung gutgeschrieben, weil Sie eben nicht die gleiche Strecke mit dem Auto zurückgelegt haben. Und wenn Sie mit dem Flugzeug unterwegs sind, dann wird Ihnen eine CO2-Emission in Ihrem Account angezeigt."
Und führt mir mein zweifelhaftes Verhalten vor Augen. In Sachen Flugzeug überzeugt mich das. Allerdings – und das ist das Problem mit Belohnungen – bin ich im nasskalten Spätwinter gar nicht so ein engagierter Fahrradfahrer, will aber dennoch Recoins ernten. Also lasse ich die App meine Autofahrten protokollieren, behaupte indes, ich sei Radfahrer. Bei drei von vier Testfahrten funktioniert das.
"Wir haben da natürlich eine Geschwindigkeitsmessung drin."
Entgegnet Daniela Schiffer gelassen.
"Das hört sich spannend an! Das muss man sich einfach mal angucken! Also eigentlich hab ich immer den umgekehrten ... dass sich wirklich die Fahrradfahrer bei uns melden und sagen: 'Oh, ich bin schon wieder rausgeflogen aus eurem Rahmen! Das kann doch nicht sein, 20 Kilometer hat er mir als entweder öffentlichen Nahverkehr oder eben als Autofahrt verbucht!'"
Aber die Nutzer der App sind sowieso nicht derart verkommene Zeitgenossen wie ich, der ich mich in der öffentlichen Rangliste mit dem Betrug nach oben katapultiere. Ganz unten, auf dem letzten Platz, steht an diesem Tag ein Nutzer mit über 2000 Kilo CO2-Ausstoß. Sonnt sich da etwa jemand in seinem schlechten Ruf?
"Was wir oft haben, ist tatsächlich: Die Leute, die ihre Flüge checken, die kompensieren sie!"
Erklärt Daniela Schiffer. Konkret: Sie erstrampeln sich nicht Recoins auf dem Fahrrad, sondern kaufen sich mit echtem Geld frei. Die Changers-App dient in diesem Fall als Gewissenverstärker?
"Das will ich doch mal hoffen! (lacht) Definitiv!"

Unterstützung internationaler Öko-Projekte

Denn im Gegenzug unterstützen die Potsdamer internationale Öko-Maßnahmen.
Daniela Schiffer: "Zur Zeit finanzieren wir ein Windparkprojekt in der Türkei, die auch lokal dann bestimmte soziale Projekte machen. Also zum Beispiel finanzieren die dann eine Schule. Durch eine zweite Windkraftanlage, die dort gebaut wird, wird dann diese Schule ausgebaut und ein Kindergarten drangehängt. Und wir löschen dann diese Zertifikate."
Alles schön und gut. Aber irgendwo muss ja auch mal Geld verdient werden, um die Firma – jenseits der Solarakkus – am Laufen zu halten. Mit der Erzeugung einer eigenen Währung ist ja nicht getan:
"Also das Businessmodell, das dahinter steht, geht eher in die Personalpolitik. Wir haben sehr oft mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement zu tun, und da geht's tatsächlich um Kostenoptimierung! Wenn wir den Unternehmen helfen, dass ihre Mitarbeiter gesünder sind, dass sie fitter sind, dass sie tatsächlich etwas für sich selber tun, hat ein Unternehmen 'return on investment' von je nach Studie drei bis sechs Euro."
Win-win nennt sich das im Idealfall: Die Belegschaft bewegt sich, der Krankenstand sinkt, die Autos stehen länger, die Umwelt dankt es. Zugleich gibt es noch einen hoch motivierten Wettkampf im Unternehmen, denn man kann eine "Challenge" untereinander austragen. Das hebt die Arbeitsmotivation insgesamt. Sollte nichts davon klappen, bleibt immerhin ein poetischer Mehrwert. Denn Solarakku und Solarzelle tragen keine alphanumerischen Codes, sondern heißen "Kalhuohfummi" und "Maroshi". Wenn nicht das schon Sonne ins Leben bringt!
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