Aus den Feuilletons

Versuch, das Unfassbare in Syrien zu erklären

Ein Kämpfer sitzt im Eingang eines zerstörten Hauses im palästinensischen Flüchtlingslager Handarat im Südosten von Aleppo.
Ein Kämpfer sitzt im Eingang eines zerstörten Hauses im Südosten von Aleppo. © picture-allinace/ dpa/ Sputnik
Von Adelheid Wedel · 19.10.2016
Wie aus einer gewaltlosen Revolution ein Bürgerkrieg wurde und aus einem Volk eine Sammlung einander bekämpfender Sekten - das versucht die syrische Dichterin Rasha Omran in der FAZ zu erklären.
"Was derzeit in Aleppo passiert, ist eine Katastrophe, die alles Bisherige übertrifft. Die Welt schaut einfach nur zu und verliert mit jeder Minute… ein wenig mehr von ihrer Moral." Das sagt Pater Mourad, ein Christ aus Syrien, der wegen seines Glaubens vom IS entführt und fünf Monate gefangen wurde.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG berichtet er, er habe erfahren, dass dieselben Menschen, die foltern und töten, auch Menschlichkeit in sich tragen. Und er hat erlebt, wie sich Muslime über ihre Angst vor Bestrafung durch den IS hinwegsetzten und den Gefangenen Essen und Wasser brachten. Sie hielten das Erbe unseres Zusammenlebens lebendig, sagt der Pater. Dank dieser Menschen und mit Hilfe von Beduinen konnten alle 250 Christen aus dem Gebiet des IS fliehen.
Einige der Helfer sind inzwischen tot, sie starben, weil sie uns zur Hilfe eilten, klagt Mourad und ergänzt, das bereite ihm großes Leid. Auf die Frage der Journalisten, ob sich aus seinen Erfahrungen etwas für Europa lernen ließe, antwortet er: Die Christen Europas sollten keine Angst vor Muslimen haben. Seine Landsleute kämen nicht hierher wegen des Wohlstands, sondern weil es hier Frieden gibt, weil sich die Menschen hier dafür entschieden haben, kriegerischer Gewalt Einhalt zu gebieten. Dieser Mut sei beispielgebend, betont Pater Mourad. Die Syrer bewundern den Respekt, den man hier einander entgegenbringt, und die Freiheit, in der man lebt. Sie dürsten danach, das selbst zu erfahren.

Versuch, das Unfassbare in Syrien zu erklären

Verena Lueken stellt, ebenfalls in der FAZ, die syrische Dichterin Rasha Omran vor, die im Exil in Ägypten lebt und erklärt, wie sich eine zunächst gewaltlose Revolution in einen blutigen Bürgerkrieg, das Volk sich in eine Sammlung einander bekämpfender Sekten verwandelte. Als eine der wesentlichen Tragödien dieses Krieges und der Flucht nennt sie die Zerrissenheit, die sie hervorgerufen hat, nicht nur zwischen Unterstützern und Gegnern des Regimes, sondern zwischen den Oppositionellen untereinander. Die Geflüchteten müssen sich um ihr eigenes Überleben kümmern, sie haben keine gemeinsame Vorstellung davon, was aus Syrien, ihrer Heimat, werden könnte, werden sollte.

Für legale Wege nach Europa und in die USA

Von einer Tagung der Berliner Heinrich-Böll-Stiftung an diesem Dienstag zum Thema: das Recht auf legale Wege für Fliehende, die in die USA und nach Europa wollen, berichtet die TAZ. Wolf-Dieter Vogel schreibt: Obwohl sie Tausende von Kilometern trennen, sind Flüchtlinge und Migranten dies- und jenseits des Atlantiks häufig mit denselben Problemen konfrontiert, mit geschlossenen Grenzen, gewalttätigen Migrationsbeamten und einer Gesellschaft, deren Mehrheit sie nicht mit offenen Armen empfängt. Dennoch gibt es weltweit zahlreiche Gruppen, die sich für die Rechte von Geflüchteten einsetzen. Zusammen mit dem Böll-Bildungswerk, mit Medico und borderline-europe suchte die Heinrich-Böll-Stiftung nach Lösungen jenseits des Abschottens. Das Problem ist global, und global müssen wir es lösen, hieß es auf der Tagung.

Düsseldorfer Schauspielhaus in Gefahr?

Wenn das Gustaf Gründgens noch erlebt hätte, lautet der Aufschrei in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Das Blatt informiert, dass Düsseldorfs Schauspielhaus zur Disposition steht. Kein Geringerer als der Oberbürgermeister der Stadt stellte nach ausufernder Kostensteigerung für die Sanierung die Frage, ob es nicht besser sei, das Haus neu aufzubauen. Und er legte nach: Brauchen wir diesen Standort für das Schauspielhaus? Andreas Rossmann kommentiert: Der Ausverkauf der Stadt hat begonnen, Düsseldorf könnte sein Herz verlieren.

Elfriede Jelinek: Empörung in Sprachkunst umwandeln

Österreichs unbequemste Dichterin – so wird sie von der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG genannt – feiert an diesem Freitag ihren 70. Geburtstag, und die Feuilletons schreiben Elogen. Wie keine andere - und kein anderer - so Daniela Strigl in der NZZ - hat sie Empörung in Sprachkunst umgemünzt, hat sie die Verheerungen des 20. Jahrhunderts vor den schreienden Farben des Boulevards ausgemacht, die Opfer exhumiert und grell entstellt aufs Tapet gebracht.
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