Stählerne Doktoren

Von Peter Kaiser · 17.10.2011
Robotersysteme und 3D-Monitore sollen Chirurgen die Arbeit erleichtern - und die Behandlung preiswerter machen. Auf einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Computer- und Roboterunterstützte Chirurgie in Magdeburg wurden einige technische Konzepte diskutiert.
Rufus Baretti: "Und wir haben jetzt also den Patienten insoweit vorbereitet, dass der Patient in Narkose auf dem OP-Tisch liegt, wir den Brustkorb eröffnet haben und jetzt gleich den Anschluss an die Herz-Lungen-Maschine vollziehen."

Alltag im Simulations-OP an der Akademie für Kardiotechnik des Deutschen Herzzentrums Berlin. Konzentriert sieht das Team um den Chirurgen Rufus Baretti auf das Herz des OP-Dummys. Eine Bypass-Operation wird gerade simuliert und geübt.

"Pinzette… Okay, dann legen wir jetzt die Tabaksbeutelnaht für die Aorta. Danach kommt die Naht am rechten Vorhof für die Kanülierung…"

Jörg Schipper: "Ähnlich wie in der Luftfahrt werden wir zunehmend Simulatoren bekommen. Das heißt, nicht wie früher wird der Operateur durch Zugucken lernen, sondern zukünftig wird er am Simulator erst mal üben. Und erst dann, wenn er eine bestimmte Punktzahl erreicht hat, wird er anfangen, im OP selber tätig zu werden."

Die Zukunft für Operateure, die Jörg Schipper, Direktor der Hals-Nasen-Ohrenklinik in Düsseldorf, anspricht, wird natürlich stets mit den handwerklichen Fähigkeiten zu tun haben. Doch zunehmend kommt auch eine immer aufwändigere Technik dazu. Der Arbeitsplatz des Operateurs von morgen wird mit 3D-Monitoren, Kommunikationsapplikationen und Robotersystemen zugestellt sein.

"Was wir haben werden in der Zukunft sind kompakte Lösungen. Das heißt, wir haben vielleicht Computersysteme, die mit manchen mechatronischen Assistenzen verknüpft sind."

Das zukünftige Operationsequipment wird einem Flugzeugcockpit sehr ähneln. "Surgical Cockpit" heißt es, sagt Bernhard Preim vom Institut für Simulation und Graphik an der Universität Magdeburg:

"'Surgical Cockpit', das ist eine Metapher, die aus dem Flugzeugbau kommt. Das Cockpit ist ja auch eine einheitliche zentrale Bedienung."

Eine Vorstellung vom OP-Cockpit der kommenden Jahre liefert heute schon "Cyberknife", der neueste Tumor-Bestrahlungsroboter der Charité in Berlin. Markus Kufeld ist Experte für dieses Gerät:

"Der 'Cyberknife' ist ein Linearbeschleuniger, der mit Photonen arbeitet, so wie die auch in der klassischen Strahlentherapie eingesetzt werden. Aber inzwischen in so einer kompakten Bauform vorliegt, dass dieser gesamte Linearbeschleuniger auf einem Industrieroboter montiert werden kann. Das heißt, der Industrieroboter kann diesen Linearbeschleuniger an fast jede Position um den Patienten herum bewegen, und strahlt die Dosis aus sehr vielen verschiedenen Einstrahlrichtungen auf den Tumor. Und das mit einer extrem hohen Präzision."

Auf der Robocouch liegt der Patient. Um ihn herum das weiße, tonnenschwere Ungetüm. Schon der erste Blick auf "Cyberknife" lässt Patienten oft vor Schreck die Luft anhalten.

"Wir wissen, dass wir die Patienten an eine fast schon monströse Technologie heranführen."

Eine wie der mehr als drei Millionen Euro teure Roboter "Cyberknife" oder Bildverarbeitungssysteme, die in Echtzeit generierte Daten an die Ärzte während einer OP liefern.

Bernhard Preim: "Der Vergleich zum Auto ist ganz passend. Da sitzen wir auch nach wie vor am Steuer, aber es wäre wünschenswert, wenn wir vielleicht vor einem Auffahrunfall gewarnt werden. Und in ähnlicher Weise kann man sich eben auch in der Chirurgie vorstellen, dass vorher geplant wird, wo operiert wird, und wenn der Operateur jetzt einer kritischen Struktur, einem Nerv beispielsweise oder einem großen Gefäß, nahekommt, dass dann entsprechend gewarnt wird."

Zielführungs-, Referenz-, Bildverarbeitungs- oder Navigationseinheiten: Im OP-Saal der Zukunft wird es interaktive Tools für alle möglichen Anwendungen geben. Modulare Chirurgieroboter etwa werden minimal-invasiv in den Patientenkörper eingebracht, um dort vor Ort aktiv zu werden. Justiert werden diese Mikro-Roboter über endoskopische Kameras, deren Bilder virtuell begehbar sind. So kann der Arzt den Operations-Workflow kontrollieren und beeinflussen. Nicht zu vergessen das Rendezvous-Verfahren, bei dem zwei Ärzte, die weit voreinander entfernt auf dem Globus beheimatet sind, gleichzeitig am Patienten via 3D-Realität operieren. All das wird in einem Equipment kompakt zusammengeführt sein, dem "Surgical Cockpit", oder: "Der Maschine".

Jörg Schipper: "Die Maschine wird die Präzision erhöhen. Sie wird gerade im Bereich der Mikrochirurgie dem Operateur assistieren, um kleinste Handbewegungen ganz hochpräzise auszuführen. Sie werden niemals den Operateur komplett ersetzen. Minimal-invasiv ist das andere Stichwort. Wir können die Zugangswege verkleinern, wir können weniger traumatisch werden, deswegen gibt es weniger Entzündungen, postoperativ, weniger Blutungen. Das erfreut den Patienten, und natürlich auch die Krankenkasse."

Die Maschinen im OP von Morgen sollen helfen, Zeit und damit Geld zu sparen, indem sie minimal-invasiv mitoperieren und so kaum noch postoperative Blutungen und eventuelle Infektionen begünstigen. Die höhere Präzision bringt eine geringe Fehlerquote mit sich. Der Patient geht früher und gesünder nach Hause, und gegebenenfalls zurück in seine gewohnte Tätigkeit.

Dennoch wird bei diesem medizinischen Hochrüsten auch morgen noch das gute alte Operationshandwerk geübt werden müssen. So wie bei der Bypass-OP im Berliner Simulations-Operationssaal.

Rufus Baretti: "Es geht hier um einen Menschen, der sich vertrauensvoll in diese Behandlung begibt, und der da liegt, und wo man mit jedem Handgriff spürt, es darf nichts passieren. Und diesen Stressfaktor, ja, den kann man natürlich nicht simulieren."