Stadtentwicklung

Eine Sporthalle für den Brennpunkt

Heinz Fassmann im Gespräch mit Christopher Ricke · 27.01.2014
Mietwohnungen, Eigentumswohnungen und sozial geförderte Wohnungen – diese Mischung müsse es auch in den guten und zentrumsnahen Lagen der Städte geben, sagt der Stadtplaner Heinz Fassmann. Zugleich sollten die Kommunen ihre Problemviertel aufwerten und marode Gebäude sanieren.
Christopher Ricke: Das war und ist eine hitzige Debatte, in manchen Teilen auch eine polemische Debatte: die über Zuwanderung nach Deutschland. Zwei Tatsachen gibt es allerdings festzuhalten. Erstens: Die deutsche Wirtschaft braucht Zuwanderung. Zuwanderer aus Südosteuropa sind überdurchschnittlich jung, überdurchschnittlich gut gebildet und eine Wohltat für die Sozialkassen. Aber – und jetzt sind wir bei zweitens – es haben sich in den letzten Jahren in manchen Städten in Deutschland soziale Brennpunkte gebildet, die man so nicht weiter lodern lassen kann.
Die Bundesbauministerin, Barbara Hendricks von der SPD, berät heute mit den betroffenen Kommunen, wie man das Problem angehen soll. Ich sprach mit Professor Heinz Fassmann von der Uni Wien. Der beschäftigt sich mit Raumforschung und Raumordnung, Stadtplanung und Stadtentwicklung. Herr Fassmann, warum entstehen denn Problemzonen, wie wir sie jetzt kennen aus Duisburg, Dortmund oder Berlin? Haben die irgendwie magnetische Kräfte?
Heinz Fassmann: Na ja, in erster Linie niedrige Boden- und Mietpreise. Ein Teil der zugewanderten Bevölkerung gehört nicht zu den hohen Einkommensbeziehern, sondern muss mit relativ wenig Einkommen auskommen, und die ziehen daher dorthin, wo es relativ billig ist, und sie ziehen sozusagen vermehrt dorthin und bilden so etwas wie eine ethnische Community in einem kleinräumigen Gebiet. Der Mechanismus im Hintergrund ist in erster Linie Bodenpreise und die Unterschiede der Bodenpreise in einer Stadt.
Ricke: Es gibt ja Städte mit sehr hohem Ausländer- und Zuwandereranteil, die aber nur kleine Probleme haben. Frankfurt, München, Stuttgart, das sind Städte, die beim Ausländeranteil ganz vorne sind, wo es aber diese Probleme in diesem Ausmaß nicht gibt. Was hat man denn zum Beispiel in München geschafft, was in Duisburg nicht klappt?
Fassmann: Eine Sache ist sicherlich, dass München eine durchaus florierende Wirtschaft hat und die Zuwanderer dort auch über entsprechende ökonomische Voraussetzungen verfügen, um sich ihren Platz in der Stadt auch auszusuchen, und das muss nicht immer nur der Niedrigpreis-Standort in einer Stadt sein.
Zufällige Begegnungen – weniger Konfliktpotenzial
Aber diese Städte haben auch ganz bewusst, gerade wenn ich an München denke, auf so etwas wie Mischung der Bevölkerung gesetzt, also Wohnbau, Stadtplanung so anlegen, dass Konzentrationen von bestimmten sozialen oder ethnischen Gruppen in der Stadt vermieden wird.
Ich halte das für eine ganz richtige und auch wichtige Strategie, denn Integration bedeutet ja immer auch Lernen und Auseinandersetzen der zugewanderten Bevölkerung mit der gleichsam schon immer da gewesenen Bevölkerung und umgekehrt, und solche Lern- und Auseinandersetzungsprozesse können nur dann stattfinden, wenn die Menschen auch vor Ort gleichsam gemischt sind. Dann passieren zufällige Begegnungen, Gespräche, das Kennenlernen, Kontakte, und wenn das stattfindet, dann haben wir einfach auch weniger Konfliktpotenzial und, wenn Sie so wollen, eine bessere gesellschaftliche Integration.
Ricke: Wie kann man denn in den Problemstädten da jetzt nachsteuern? Zwangsumzüge können es ja nicht sein.
Fassmann: Nein, Zwangsumzüge können es nicht sein. Man muss, wenn man das Problem grundsätzlich angeht, sicherlich schauen, dass diese Stadtteile, die eine Abwärtsbewegung haben, mit städtischem Verfall, mit Desinvestitionstätigkeiten, dass dort dieser Verfallsprozess wieder umgedreht wird, indem die Stadt dort Investitionen setzt, indem sie hilft, dass die Gebäudestruktur wieder saniert wird, indem sie vielleicht aber auch wichtige Infrastrukturen, sei es eine Stadtbibliothek oder eine Sporthalle, was auch immer, dort hinsetzt, um gleichsam zu signalisieren, diesen Stadtteil geben wir nicht auf, nein, ganz im Gegenteil: Wir werden schauen, dass dieser Stadtteil wieder auf die Beine kommt. Dann ergibt sich gleichsam automatisch auch ein anderes Mischungsverhältnis von der Bevölkerung, die dann vor Ort wohnt.
Ricke: Das klingt nach einem Projekt für Jahrzehnte. Kann man denn kurzfristig etwas tun?
Fassmann: Das ist ein Projekt für Jahrzehnte, keine Frage. Kurzfristig ist das nicht. Alles was mit Bauen zu tun hat, hat leider immer eine längere Vorlaufzeit. Nein, kurzfristig wird man nur Symptombekämpfung durchführen können, Mediatoren vor Ort hinschicken, vielleicht Programme vor Ort machen, damit Konflikte minimiert werden. Aber das ist alles nur, wenn Sie so wollen, Feuerwehr spielen, nicht der grundsätzliche Baumeister wird damit in solche Stadtteile geschickt.
Ricke: Es sollen ja jetzt die Mittel für die Städtebauförderung in Deutschland aufgestockt werden. Die neue Bauministerin spricht von der sozialen Stadt. Wie gibt man denn die angekündigten 700 Millionen Euro am besten aus?
Mittel für Altbausanierung bereitstellen
Fassmann: Na ja, in diese Richtung, wie ich es vielleicht angedeutet habe, also überproportional dort, wo Stadtteile mit Verfallserscheinungen zu beobachten sind. Man braucht sicherlich auch einen Neubau in den Städten. Viele Städte sind wachsend. Aber dann sollte man darauf achten, keine Großwohnanlagen, sondern kleinere Strukturen mit gemischten Grundrissen, vielleicht aber auch mit gemischten rechtlichen Formen, also Mietwohnungen, Eigentumswohnungen, sozial geförderte Wohnungen vor Ort zu mischen. Das erschiene mir wichtig, aber auch Mittel bereitstellen für eine Bestandspolitik, also für Gebäude, die nicht neu, sondern alt sind, aber vielleicht sanierungsbedürftig sind. Dort gezielt Mittel hinfließen zu lassen, ist eine ganz sinnvolle Angelegenheit, weil Bestandspolitik immer sehr viel wichtiger letztlich ist als eine Neubaupolitik.
Ricke: Professor Heinz Fassmann von der Uni Wien. Er beschäftigt sich mit Raumforschung, Raumordnung, Stadtplanung und Stadtentwicklung. Vielen Dank, Herr Fassmann.
Fassmann: Danke schön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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