Spurensuche im Weltraum

Lisa Kaltenegger im Gespräch mit Dieter Kassel · 07.08.2012
Die NASA-Sonde "Curiosity" soll auf dem Mars nach Spuren von Leben suchen. Die Astrophysikerin Lisa Kaltenegger ist darin Expertin: Sie beobachtet Planeten in fernen Sonnensystemen, auf denen es fremde Wesen geben könnte. 800 Gestirne hat sie bereits in die engere Wahl gezogen.
Dieter Kassel: Millionen von Menschen auf der ganzen Welt haben gestern mitgefiebert, als der Marsrover "Curiosity" auf der Planetenoberfläche landete und als alles dann viel besser lief, als es selbst die Wissenschaftler erwartet hatten. Dieses große Interesse liegt sicherlich daran, dass das das größte je von Menschen gebaute Objekt ist, das wirklich auf dem Mars landen konnte, aber ich glaube, es hat auch etwas damit zu tun, dass Wissenschaftler noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben haben, dass es auf dem Mars irgendeine Art von Leben geben könnte. Und ob es diese Lebensspuren gibt - eben gerade auch das soll ja die "Curiosity" herausfinden.

Denn für Laien wie auch für manche Physiker ist das immer noch die spannendste Frage: Gibt es da draußen irgendwo Leben im All. Und genau mit dieser Frage beschäftigt sich Lisa Kaltenegger, sie ist Astrophysikerin am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und dort jetzt für uns am Telefon. Schönen guten Morgen, Frau Kaltenegger!

Lisa Kaltenegger: Guten Morgen!

Kassel: Sie suchen ja ganz woanders, aber trotzdem. So etwas wie gestern Morgen, diese Landung der "Curiosity" auf dem Mars, ist das auch für Sie spannend?

Kaltenegger: Absolut! Also das war gestern ja wunderschön, mitzufiebern und zu sehen, wie diese Glanzleistung, also dieses Engineering, dass dieses Ding überhaupt aufgesetzt hat. Also wenn Sie vorher die Animationen gesehen haben, dass das alles geklappt hat, und das auf einem anderen Planeten, dass man den Rover absetzen hat können, der jetzt nach Spuren von Leben oder nach Spuren von früherem Leben auf dem Mars sucht, ich meine, das war ein ganz schön bewegender Moment gestern. Ich muss sagen, ich wäre gern am Times Square gewesen und hätte es dort mit verfolgt, aber so, einfach übers Internet, war es auch sehr, sehr bewegend.

Kassel: Wie wahrscheinlich ist es denn für Sie als Expertin, dass da tatsächlich noch Leben auf dem Mars gefunden wird?

Kaltenegger: Ich denke mal, da muss man immer ein bisschen aufpassen, dass man in der Wissenschaft seinen eigenen persönlichen Glauben hintanstellt, weil sonst ist es sehr leicht, Sachen zu finden, die man gern finden würde. Das heißt, ich bin neugierig, aber ich kann Ihnen eigentlich nicht sagen, wie wahrscheinlich es ist, dass unter der Oberfläche eben jetzt es noch Leben geben könnte am Mars, weil das weiß keiner.

Aber natürlich, wir haben die Möglichkeit, unter der Oberfläche zu suchen und die Frage dadurch abzudecken, das heißt, wie wahrscheinlich es ist, dass es da jetzt noch Spuren von Leben gibt oder vielleicht sogar subsurface life ("unterirdisches Leben", Anm. d. R.), das kann Ihnen eigentlich keiner sagen, aber dadurch, dass wir hinfliegen können und buddeln können, warum probieren wir es nicht und versuchen herauszukriegen, ob es woanders auch Leben geben kann, das dann einfach ein zweites Mal entstanden sein kann.

Kassel: Nun habe ich schon verraten, dass Sie aber eigentlich ganz woanders suchen. Wo suchen Sie denn?

Kaltenegger: Also mein Hauptgebiet ist die Suche nach Spuren von Leben oder die Charakterisierung von Planeten, die so klein sind wie unsere Erde, aber um andere Sonnen, also extrasolare Planeten. Und im Augenblick haben wir über 800 von denen schon gefunden, die um andere Sonnen kreisen, und da gibt es auch Möglichkeiten, die Spuren von Habitabilität, also dass es dort Leben geben könnte und auch die Spuren von Leben, in dem spektralen Fingerabdruck mehr oder weniger nachzuweisen. Das ist, wenn Sie das Licht aufspalten, wie Sie es in der Schule gemacht haben, von dem Rot nach Blau, dann kann man aus diesem Licht ablesen, ob es da Chemikalien in der Planetenatmosphäre gibt, die, wie auf der Erde, auf Leben hinweisen.

Kassel: Wie weit sind denn die Planeten, die Sie da beobachten, weg?

Kaltenegger: Die Planeten, die ich beobachte, sind ein bisschen weiter weg. Also, wenn man sich einfach vorstellt, die Sonne ist jetzt so groß wie ein Zuckerkern, dann sind die ganzen Planeten in unserem System in so einem Keks drinnen. Aber der nächste Stern, der überhaupt einen Planeten haben könnte, überhaupt der nächste Stern ist in dem Maßstab zirka zwei Fußballfelder weg. Also das ist weit, im Vergleich. Zum Hinfliegen wird es wohl in nächster Zeit nichts. Und die, die wir uns anschauen, sind noch ein bisschen weiter weg. Also da braucht sogar das Licht an die 20 Jahre, um bis zu uns zu kommen.

Kassel: Wie kann man denn bei der Entfernung von der Erde aus noch so genau gucken, dass man diese Hinweise, die Sie gerade schon beschrieben haben, identifizieren kann?

Kaltenegger: Das geht eben mit Licht. In der Astronomie ist es so, dass wir eigentlich alles nur über Licht wissen, und wenn man ein groß genuges Teleskop hat, ist das mehr oder weniger so, dass man viel von dem Licht einfangen kann und dadurch sehr lichtschwache Objekte anschauen kann und dann einfach, wenn man lange genug schaut, wenn man das einfach Stunden und Stunden anstarrt, mehr oder weniger genauso, wenn Sie eine Digitalkamera haben und lange belichten, damit Sie etwas Lichtschwaches sehen. Dann kann man jetzt im Augenblick sehr viel kleine Planeten finden, und mit der nächsten Generation dann auch die Atmosphäre abtasten nach diesen Lebensspuren wie Sauerstoff, (unverständlich, Anm. d. R.) Gas wie Methan und Wasser.

Kassel: Das heißt aber auch, Sie können dann Planeten identifizieren, auf denen die Voraussetzungen für das, was wir für Leben halten, gegeben sind, Sie können aber nicht aus dieser Entfernung feststellen, ob es da wirklich Leben gibt.

Kaltenegger: Ha! Das ist jetzt die Frage. Also erst können Sie mal feststellen, dass es dort die Voraussetzungen gibt, da gebe ich Ihnen absolut recht, und dann gibt es aber auch verschiedene Zeichen in der Atmosphäre, Absorptionsspuren, also einfach eine Kombination von Chemikalien wie zum Beispiel Sauerstoff mit Methan in Kombination, und dann braucht es was Wasser, weil wir glauben, wir brauchen Wasser für Leben, die dann aber nicht erklärbar sind außer, dass es dort Leben gibt, das eben diesen Sauerstoff in großen Quantitäten produziert. Das heißt, es ist einfach eine schrittweise Annäherung. Erst einmal, gibt es da die verschiedenen Voraussetzungen für Leben? Und zweitens, sieht man dann etwas, was wir eigentlich nur mit Leben erstellen können auf so einem Planeten?

Kassel: Haben Sie denn - Sie haben, glaube ich, gesagt, 800 Planeten haben Sie grundsätzlich da im Visier - gibt es da schon ein oder zwei, wo Sie sagen, oh, da kreucht und fleucht was?

Kaltenegger: Ja, also es gibt noch nichts, wo wir sagen, da kreucht und fleucht was, aber es gibt schon welche, die klein genug sind, dass sie, wie die Erde, ein Felsbrocken sein können, und dazu noch im richtigen Abstand sind, also genau gerade gleich weit weg oder ähnlich weit weg wie die Erde, damit es nicht zu heiß und nicht zu kalt ist, sodass Sie Wasser, flüssiges Wasser auf der Oberfläche haben. Und auf diesen, würden wir sagen, sind die Möglichkeiten gegeben. Aber wie Sie gesagt haben, wir haben das Teleskop noch nicht, das die Spuren jetzt in der Atmosphäre schon lesen kann, aber wir haben die Ziele, wo wir unser Teleskop, wenn wir es kriegen, gleich hin richten werden.

Kassel: Das heißt, Sie kriegen bald ein neues Teleskop, mit dem das gehen wird?

Kaltenegger: Also, wenn "Hubble" runterkommt, kommt das "James-Webb"-Teleskop rauf, das ist das nächste Teleskop, 6,5 Meter, das 2018 in den Weltraum geschossen wird, das dann die Möglichkeit hat, so was zu machen. Und auf der Erde bauen wir natürlich diese ganz großen Teleskope, diese 40-Meter-Teleskope, da gibt es diese "Extremely Large Telescope", also das ist ein sehr kreativer Name, das europäische "Extremely Large Telescope", das auch in Chile gebaut wird. Und diese beiden Entwicklungen, alle so mit (unverständlich, Anm. d. R.) - das sind die Teleskope, mit denen wir uns große Chancen ausrechnen, endlich einmal diese Frage anzugehen, gibt es Leben außerhalb von unserer Erde irgendwo anders im Universum.

Kassel: Wir reden heute Vormittag hier im Deutschlandradio Kultur mit der Astrophysikerin Lisa Kaltenegger über ihre wissenschaftliche Suche nach fremdem Leben. Und wissenschaftlich seriös werden Sie sich ja wahrscheinlich darauf einstellen, na ja, Bakterien, Kakerlaken oder Ähnliches zu finden, aber träumen Sie manchmal auch davon, durch eines dieser Teleskope zu gucken, und es winkt jemand?

Kaltenegger: Also, träumen kann man immer, aber dieses Winken, da brauchen Sie ein richtiges Superteleskop, damit Sie das auflösen können.

Kassel: Aber Sie wissen, was ich meine. Also wir reden ja von Lebewesen einfachster Natur, aber das wirklich da etwas Menschenähnliches, das vielleicht mit irgendeiner Sprache sogar kommuniziert und auch nur darauf wartet, uns zu finden, auf uns lauert - rechnen Sie damit oder sagen Sie, das ist Science-Fiction?

Kaltenegger: Ich würde sagen, im Augenblick kriegen wir gerade raus, wie viele von diesen kleinen Planeten es pro Stern in dieser habitablen Zone gibt. Und wenn es sehr, sehr viele sind, dann kann man eigentlich davon ausgehen, dass, wenn sich Leben also überall entwickelt, und das wissen wir noch nicht, aber wenn wir mal davon ausgehen, dann müsste sich doch auf ein paar von denen das Leben so weit entwickeln wie bei uns. Und dann ist es natürlich sehr interessant zu fragen, wie wird so ein Leben winken, und würde man das überhaupt mitkriegen?

Kassel: Denken Sie manchmal auch über eine Frage nach, die ja durchaus seriöse Wissenschaftler schon aufgebracht haben, nämlich, dass es gefährlich für Menschen werden könnte, wenn wir Leben entdecken, das uns weit überlegen ist, dass es vielleicht sehr ungeschickt ist, dieses Leben auf uns aufmerksam zu machen?

Kaltenegger: Also da hat Stephen Hawking ja damals eine große Diskussion losgeschlagen mit dieser Frage. Und was ich Ihnen gerade erzählt habe, also diese Spuren von Leben in der Atmosphäre, die produzieren wir ja genauso. Das heißt, wenn jemand nur zirka zehn bis 15 Jahre mehr Funding hat für Space Science, für Weltraumwissenschaft, dann müssten die das von außerhalb, gehen wir mal davon aus, es gäbe Astronomen, die auf uns schauen, ja schon sehen.

Und die andere Frage, die da oft reinprojiziert wird in diese mehr oder weniger ein bisschen Angst, ist: Oh, da kommt wer und der will unsere Rohstoffe, der nimmt unser Wasser und so weiter weg. Das geht viel, viel einfacher, das heißt, das könnte man an Asteroiden, die ja in dem eigenen Keks noch drinnen sind, da braucht man nicht die Fußballfelder, fliegen und diese ganze Energie verwenden. Also, Rohstoffe kann man in seinem eigenen System eigentlich immer finden.

Und dann ist die Frage, es ist eine ganz große Distanz, das heißt, warum würden sie diese riesige Distanz fliegen? Hoffentlich, weil sie neugierig sind und einfach herauskriegen wollen, was es auf einem anderen Planeten gibt. Und ich sah da eigentlich schon sehr logistische Probleme, wenn sie da mit einer ganzen Armee kommen möchten. Also, ich würde sagen, da mache ich mir keine gröberen Sorgen, weil Rohstoffe gibt es im eigenen System einfacher, und dass jemand kommt, und uns irgendwas wegnimmt, ist eher unwahrscheinlich, und mehr altlastig in wie wir uns eigentlich verhalten haben, wenn wir auf eine Kultur gestoßen sind, die vielleicht nicht so technologisch weit entwickelt war.

Kassel: Nun haben Sie mir ja vorhin schon erzählt, dass Sie als Hinweis auf mögliches Leben immer nach Sauerstoff-Methan-Verbindungen sehen. Wasser wird als Voraussetzung gesehen. Ist das nicht eigentlich eine sehr anthropozentrische Sicht, könnte es nicht theoretisch fremdes Leben geben, das vollkommen anders ist als wir? Das zum Beispiel enorme Hitze dann in der Nähe einer Sonne aushält und das gar kein Wasser und gar keinen Sauerstoff braucht?

Kaltenegger: Also können, absolut. Und die Frage ist halt, was wird so ein Leben für Spuren in der Atmosphäre hinterlassen. Weil, wir müssen ja was bauen oder wir müssen ein Instrument bauen, das diese Spuren messen kann, also wissenschaftlich. Man kann immer diskutieren, was könnte es geben und wo könnte es sein, aber so lange wir nicht wissen, welche Spuren es hinterlässt und was wir suchen könnten, nehmen wir das, was wir kennen. Also absolut, ich gebe Ihnen recht, wir konzentrieren uns da auf Leben auf unserer Erde, und sonst halten wir einfach bei diesen Messungen die Augen offen auf ganz interessante, unerklärbare Kombinationen von Gas. Und denken wir uns dann, hm, das geben wir dann an die Biologen weiter und sagen, könnte es Leben geben, das genau so was produziert unter diesen Bedingungen.

Kassel: Lisa Kaltenegger war das. Sie ist Astrophysikerin am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und tut hoch wissenschaftlich das, was wir nach zwei, drei Bier beim Blick in den Himmel auch mal gerne tun, sie sucht nämlich nach extraterrestrischem Leben. Frau Kaltenegger, ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg und danke Ihnen für das Gespräch.

Kaltenegger: Vielen Dank!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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