Sprachschiff auf hoher See

Rezensiert von Michael Opitz · 18.11.2005
Er ist noch immer der bekannteste Dichter aus dem Berliner Prenzlauer Berg. Als Sprachpirat ist Bert Papenfuß sich treu geblieben. Denn wenn 'Rumba' und 'Lotte' eine Symbiose eingehen können - der feurige Tanz und ein altmodischer Frauenvorname -, dann wird auch in seinem neuen Gedichtband mit der herrschenden Ordnung ins Gericht gegangen.
Sollten Autoren über eine Art Basislager verfügen, dann dürfte das von Bert Papenfuß, seine Themen und Motiven, aus dem Prenzlauer Berg beziehen. Die einstige literarische Szene des Berliner Stadtbezirkes, zu der auch Papenfuß gehörte, hat sich trotz sehr individueller Tonlagen in einer Sprache artikuliert, die sich von der offiziellen, wie sie in der DDR gesprochen wurde, unterschied.

Die Bücher von Papenfuß, die bis Mitte der achtziger Jahre in Selbstverlagen erschienen, waren subversiv, weil sie im Gebrauch der sprachlichen Mittel den Herrschaftsdiskurs unterliefen. Wer die Texte des Autors liest – weitere Bedeutungsebenen eröffnen sich, wenn er sie vorträgt –, der wird mit Wortrudimenten, Dialekten, Wortmontagen und einer Syntax konfrontiert, die den Regeln der Grammatik widerspricht.

Papenfuß nimmt sich die verschliffene, missbrauchte und vergewaltigte Sprache vor und zerlegt sie so weit, bis durch Weglassungen und Neuschöpfungen unter den verkrusteten Sprachschichten Bedeutungen auftauchen, die er festhalten will.

Der jetzt bei Urs Engeler erschienene neue Lyrikband von Papenfuß vereint Gedichte der letzten vier Jahre. Der Titel "Rumbalotte" klingt seltsam, denn er bringt zwei Worte miteinander in Beziehung, die sich auszuschließen scheinen: Rumba, dieser herausfordernde lateinamerikanische Tanz, geht mit dem Vornamen Lotte eine Verbindung ein, der durch Goethes "Werther" und Thomas Manns "Lotte in Weimar" Eingang in die Literatur fand.

Wie in dem Gedicht "Sturmgesang der Baltischen Horden", in dem davon die Rede ist, dass die schwarze Fahne – Symbol der Anarchie – gehisst wird, wenn der "Norden den Osten küsst", plädiert Papenfuß für den Zusammenschluss von scheinbar Unvereinbarem. Wenn ‚Rumba’ und ‚Lotte’ eine Symbiose eingehen oder der Norden den Osten küsst, dann ist das ein Zeichen, dass mit der herrschenden Ordnung ins Gericht gegangen wird, dann ist die Zeit für jegliche Form von Piraterie gekommen, werden Ordnungsregeln außer Kraft gesetzt.

Papenfuß bringt in den neuen Gedichten nicht nur auffällig häufig den Namen von Störtebeker ins Gespräch, sondern es klabautert förmlich in seinen Texten, weil häufig Bezüge zum Maritimen hergestellt werden. Aber er greift auch auf Anleihen der Slam-Poesie zurück, nutzt Rotwelsch und friesische Dialekte, so dass an Seeräuberei grenzt, was er mit diesen Gedichten betreibt.

Da werden Begriffe geentert, Bedeutungen wie Segel eingeholt und Wortverbindungen wie Taue gekappt. Manchmal zieht Papenfuß’ Sprachschiff ruhig seine Bahn, sind die Bedeutungen relativ eindeutig auszumachen, bis es einen jähen Wechsel gibt, Sturm aufkommt und im Auf und Ab zwischen Wellenbergen und -tälern die Gefahr des Untergehens besteht. Diese Gedichte behaupten sich trotzig. Und der Rebell Papenfuß ist noch nicht gestorben, wie es in dem Gedicht "Das lachende Auge" heißt, einem der stärksten des Bandes.

Bert Papenfuß
Rumbalotte.
Gedichte 1998-2002.

Basel/Weil am Rhein/Wien 2005.
153 Seiten.