Spionage-Eklat

Der Keim des Misstrauens

Die Nato-Flagge weht im Wind.
"Denn gerade in dieser Zeit, in der die Konflikte in der Welt richtig heißlaufen, darf das Bündnis es nicht zulassen, auseinanderdividiert zu werden." © picture-alliance / dpa / S. Sabawoon
Von Rolf Clement, Deutschlandfunk · 18.08.2014
Islamisten aus Europa reisen über die Türkei in den Irak und nach Syrien. Kein Wunder, dass sich die Geheimdienste dafür interessieren - auch die deutschen. Doch nun müssen alle Beteiligten darauf achten, dass der Vorgang nicht eskaliert, meint Rolf Clement.
Die freundliche Einladung zu einem Gespräch ins türkische Außenministerium, die den deutschen Botschafter in Ankara heute ereilte, ist ein recht klares diplomatisches Signal unter Verbündeten. Da wird man nicht einbestellt, sondern zum Tee gebeten. Für die Türkei muss es schon grotesk wirken: Wegen der radikalen Kurdenorganisationen, die aus der Türkei kommend auch in Deutschland agieren, brauchen die deutschen Sicherheitsbehörden Informationen, die die türkischen Sicherheitsbehörden so nicht brauchen und wohl auch nicht erheben.
Nun aber werden die Kurden im Irak gegen die Terrorgruppe IS ausgerüstet, ab nächste Woche soll militärisches Gerät auch aus Deutschland geliefert werden. Bleibt das Gerät im Irak? Das muss schon eigenartig wirken, aber Politik ist oft kompliziert. Die Islamisten, die aus Europa nach Syrien und in den Irak gehen, reisen über die Türkei, und diese, so heißt es immer wieder, unternehme recht wenig dagegen. Das betrifft zahlreiche Verbündete, und so ist es schon im Interesse einiger NATO-Staaten, mehr zu wissen als die türkische Regierung sagt. Das westliche Bündnis ist hellwach angesichts der geopolitischen Lage der Türkei. Sie grenzt fast überall an Krisenregionen – Syrien, Irak, Iran, Armenien, Aserbaidschan und über das Schwarze Meer auch an Russland. Hier haben alle westlichen Staaten ein hohes Aufklärungsinteresse, das liegt auf der Hand.
Auch die Türkei stützt sich auf die NATO
So tummeln sich in der Türkei sicherlich noch weitere Geheimdienste. Es ist also nicht verwunderlich, wenn dort aufgeklärt wird – und dass da zwei US-Außenminister in den sogenannten Beifang geraten sind, zeigt die Dimension des Aufklärens. Es ist ein Hinweis darauf, dass auch die politische Ebene im Visier steht – mit wem spricht denn der US-Außenminister in Ankara? So wird die Angelegenheit pikant für das Bündnis: Zum einen braucht es gerade in dieser Krisenzeit die Türkei, mehr noch als sonst. Denn gerade die geopolitische Lage macht sie zu einem zurzeit besonders wichtigen Partner.
Auch die Türkei stützt sich auf die NATO: Die NATO hilft der Türkei bei der Absicherung ihrer Südgrenze durch Patriot-Luftabwehrverbände, die, Ironie der Politik, aus Deutschland kommen. Zum anderen macht das, was wir jetzt erfahren haben, deutlich, dass die Partnerstaaten mit der Art und der Intensität der Informationen aus Ankara nicht zufrieden sind. Der türkische Ministerpräsident Erdogan sendet manchmal interpretationsfähige Zeichen. Das legt den Keim des Misstrauens. In diesem Spannungsfeld muss nun Politik gestaltet werden. Alle Beteiligten müssen nun darauf achten, dass dieser Vorgang nicht eskaliert.
Die Regierungen dürfen sich nicht in eine überhitzte Debatte hineintreiben lassen. Denn gerade in dieser Zeit, in der die Konflikte in der Welt richtig heißlaufen, darf das Bündnis es nicht zulassen, auseinanderdividiert zu werden. Jetzt, da Geschlossenheit nötig ist, wurde der Keim des Misstrauens gesät. Es kommt darauf an, dass er jetzt nicht treiben kann.
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