Spektakulärer Diebstahl

Von Kerstin Schweighöfer · 16.10.2012
Wie die Täter es schaffen konnten, sieben wertvolle Werke namhafter Avantgarde-Künstler aus der Rotterdamer Kunsthalle zu entwenden, ist ebenso unklar wie das Motiv: Geht es um Lösegeld, stecken fanatische Kunstliebhaber dahinter – oder sind die Täter einfach nur ahnungslos?
Er hat heute die niederländischen Medien beherrscht, der spektakuläre Kunstraub in der Rotterdamer Kunsthalle - der Kunsthal, wo seit dem 7. Oktober eine kostbare Avantgarde-Ausstellung zu sehen ist. Erst im Laufe des Nachmittags gab die Polizei bekannt, um welche Werke es geht.

Insgesamt sieben Gemälde wurden geraubt, darunter die "lesende Frau” von Matisse, der Kopf eines Harlekins von Picasso, ein Gauguin, zwei Monets sowie die "Frau mit geschlossenen Augen” von Lucian Freud. Ihr Wert : mehrere Millionen Euro.

Gegen drei Uhr nachts war bei der Polizei eine Einbruchs-Alarmmeldung eingegangen. Wie es den Dieben gelang, in die Kunsthalle einzudringen, ist völlig unklar. Sichtbare Beschädigungen an Eingängen und Fassaden fehlen. Die Polizei fand bislang lediglich Fingerabdrücke und Reifenspuren an der Parkseite des Gebäudes, dort ist es immer relativ ruhig, erst recht in der Nacht. Polizeisprecher Ronald Ekkers:

"Wir sind dabei, sämtliche Spuren zu sichern und haben die Anwohner befragt, wir hoffen, dass wir bald wissen, was genau sich hier abgespielt hat."

Die Rotterdamer Kunsthalle hat zwar keine eigene Kollektion, aber die Sicherheitsstandards entsprechen denen der wichtigsten Museen der Welt entsprechen, das betonte zumindest der ehemalige Kunsthal-Direktor Wim van Krimpen. Sonst hätte das von Rem Koolhaas entworfene Institut auch nie die kostbaren Leihgaben für diese Avantgarde-Ausstellung bekommen.

Allerdings hat das Institut ausschließlich auf seine Alarmanlagen vertraut und nicht zusätzlich zur Technik auch noch Sicherheitspersonal eingesetzt; das Haus war in der vergangenen Nacht leer. Das war mit den Leihgebern und auch der Versichungsgesellschaft so abgesprochen.

Auch habe die Architektur des Gebäudes auf Diebe keine abschreckende Wirkung, sagt Ton Cremers, der renommierteste Kunstsicherheitsexperte der Niederlande, der Museen in ganz Europa berät: Denn Architekt Rem Koolhaas hat ein helles offenes Gebäude mit vielen Fensterflächen entworfen. Aber, so betont Cremers: Es sei so gut wie unmöglich, ein Museum 100 Prozent diebstahlsicher zu machen.

Kunsthal-Direktorin Emily Ansenk musste eine Auslandsreise abbrechen und ist heute Vormittag Hals über Kopf von Istanbul nach Rotterdam zurückgeflogen. Die geraubten Werke seien gut dokumentiert und dadurch so gut wie unverkäuflich, betonte sie sichtlich angeschlagen heute nachmittag auf einer Pressekonferenz.

Was die Diebe mit der Beute machen wollen, ist vielen deshalb ein Rätsel. Es könnte ein Auftragsraub sein, für einen fanatischen Kunstliebhaber, der die Bilder ganz für sich alleine haben möchte. Es könnte auch um Lösegeld gehen, Motto: "eine Million, und Sie bekommen den Matisse zurück.”

In den meisten Fällen, so Kunstraubexperte Cremers, seien sich die Diebe gar nicht darüber bewusst, dass die Werke unverkäuflich sind.

Es gehe oft um Gangster aus dem Drogen- und Rotlichtmilieu: Sie hören in den Medien etwas über Meisterwerke und beschließen dann zuzuschlagen – ohne sich darüber bewusst zu sein, dass sie mit ihrer Beute hinterher wenig anfangen können.

Die geraubten Kunstwerke stammen aus der Kollektion der Triton Foundation, einer Privatsammlung, die sich der Rotterdamer Unternehmer Willem Cordia zusammen mit seiner Frau Marijke in den letzten 20 Jahren aufgebaut hat - Avantgarde-Kunst von Mondrian, den Impressionisten, van Gogh, Duchamps oder Yves Klein. Willem Cordia ist mit Reedereien und Speditionen im Rotterdamer Hafen steinreich geworden, Hafenbaron wurde er genannt. Er verstarb im letzten Jahr. Seine Sammlung gehört zu den renommiertesten Europas. Bislang wurden nur vereinzelt Werke ausgeliehen. Für die Kunsthalle machte die Triton Foundation eine Ausnahme und lieh die Höhepunkte der Sammlung aus – 150 Meisterwerke. Denn mit dieser Ausstellung wollte die Kunsthalle angemessen ihren 20. Geburtstag feiern.

Vorläufig allerdings ist alle Feierlaune verflogen. Direktorin Ansenk sprach vom Alptraum eines jeden Museumsdirektors.

Gleichwohl will sie sich nicht unterkriegen lassen. "Morgen”, so kündigte sie fast trotzig an, "sind wir wieder ganz normal geöffnet".


Kunsthal Rotterdam Ausstellung "Avant-Gardes"

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