SPD-Generalsekretär: Koalition handlungsfähig

12.06.2008
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil hat nach der Sitzung des Koalitionsausschusses eine positive Bilanz gezogen. Die Koalition habe trotz der "Nervositäten", vor allem auf Seiten der CSU vor den bayrischen Landtagswahlen, Handlungsfähigkeit bewiesen, sagte Heil am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur.
Leonie March: Die Reform der KFZ-Steuer ist beschlossene Sache. Von 2010 an sollen Autos nach ihrem CO2-Ausstoß besteuert werden. Die Einnahmen fließen an den Bund. Die Länder werden einen finanziellen Ausgleich bekommen. Das ist die einzige Entscheidung, die der Koalitionsausschuss gestern in Berlin definitiv gefällt hat. Ansonsten wurden Arbeitsgruppen beauftragt, werden Berichte abgewartet in den vielen strittigen Fragen: bessere Familienförderung, Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, Mindestlöhne und Erbschaftssteuer. Darüber spreche ich jetzt mit SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Guten Morgen Herr Heil!

Hubertus Heil: Guten Morgen! Ich grüße Sie!

Leonie March: Können Sie zufrieden sein mit den Ergebnissen der Sitzung?

Hubertus Heil: Ja durchaus, denn die Koalition hat trotz der Nervositäten, die vor allen Dingen bei der CSU in den letzten Tagen spürbar waren ob der bayerischen Landtagswahl, Handlungsfähigkeit bewiesen. Ich will sagen, dass ich es ein bisschen anders sehe als in Ihrer Anmoderation. Es gibt durchaus grünes Licht für Mindestlohn. Das ist wichtig, dass das was Olaf Scholz vorgelegt hat jetzt auf den Weg kommen kann, damit das was vereinbart ist kommt, damit Mindestlöhne kommen. Es ist fest vereinbart, dass die Erbschaftssteuerreform zum 01. Januar kommenden Jahres umgesetzt wird. Es sind auch unsere Vorschläge in Sachen Manager-Gehälter eingeflossen. Da gibt es eine Arbeitsgruppe. Und man hat sich darauf verständigt, seriös die Spielräume zur Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge auszuloten. Ich bin sicher, da ist was möglich. Insofern ist da viel mehr auf dem Weg, als das den Anschein hat. Technisch abgeschlossen ist das mit der KFZ-Steuer. Das ist vollkommen richtig. Aber in den anderen Bereichen hat dieser Koalitionsausschuss Bremsen gelöst.

Leonie March: Aber Ihr Parteivorsitzender Beck zeigte sich ja gestern enttäuscht, dass keine Entscheidungen zu den Themen Mindestlohn und Erbschaftssteuer gefällt wurden, sondern dass das noch mal vertagt wurde.

Hubertus Heil: Natürlich wünscht man sich immer, dass der Sack zugemacht wird. Aber Tatsache ist: In beiden Bereichen ist grünes Licht erteilt worden vom Koalitionsausschuss. Also man ist Schritte vorangekommen, und zwar große Schritte. Die Mindestlöhne werden kommen. Das ganze Gerede von der Blockade ist vorbei. Olaf Scholz hat den Auftrag der Koalition, die Gesetzentwürfe jetzt entsprechend einzubringen. Das ist ein großer Fortschritt. Es wird kein Gewackel bei der Erbschaftssteuerreform geben, trotz bayerischer Landtagswahl. Die wird zum 01. Januar in Kraft gesetzt. Und wie gesagt die Koalition hat auch aufgegriffen, dass Transparenz und Stabilität im Bereich der Manager-Gehälter und Angemessenheit ein wichtiges Thema dieser Koalition wird. Man wünscht sich immer den großen Schritt auf einmal. Das ist in einer Großen Koalition nicht immer möglich. Aber wir sind kräftig vorangekommen und das ist eine gute Nachricht für das Land.

Leonie March: Aber wenn das alles so klar ist, warum konnte der Koalitionsausschuss das gestern nicht einfach unter Dach und Fach bringen?

Hubertus Heil: Noch mal: Da gibt es fachlich eine ganze Menge noch auf Arbeitsebene auch zu prüfen und zu organisieren. Das ist in der Demokratie so. Daran sind Fraktionen beteiligt. Da geht es um Details. Der Koalitionsausschuss hat aber die Aufgabe, Signale zu geben. Und die Signale, die gegeben wurden, sind: Ampel auf grün bei den wesentlichen Projekten. Das heißt es ist noch nicht Bundestagswahlkampf. Die Koalition arbeitet und sie schafft auch was.

Leonie March: Aber es riecht schon sehr nach Bundestagswahlkampf. Die Union hat die SPD ja in den vergangenen Tagen scharf angegriffen. Da hieß es, sie hätten den Charakter einer Volkspartei verloren. Außerdem wurde die Frage gestellt, ob sie überhaupt noch regierungsfähig seien. Wie haben sich diese Vorwürfe auf die Arbeit der Koalition ausgewirkt?

Hubertus Heil: Ich glaube man muss damit leben, wenn Koalitionspartner, in diesem Fall CDU und CSU, eigene Probleme haben, dass sie immer dann besonders lautstark werden und mit dem Finger auf andere zeigen. Davon darf man sich in der verantwortlichen Regierungsarbeit nicht bremsen lassen. Gestern Abend, gestern Nacht ist deutlich geworden: es sind unsere Themen, es sind sozialdemokratische Themen, die auf der Tagesordnung sind, bei all dem was wir eben besprochen haben: Mindestlohn, Senkung Arbeitslosenversicherungsbeitrag, Erbschaftssteuerreform, auch CO2- KFZ-Steuer, Manager-Gehälter. Tatsächlich sind das ja sozialdemokratische Themen und insofern sind wir zufrieden, dass wir in der Regierungsarbeit mit unseren Themen auch vorankommen.

Leonie March: Aber kann man denn gemeinsam eine Regierung führen, wenn man sich dermaßen öffentlich angreift?

Hubertus Heil: Man darf da nicht alles besonders ernst nehmen, vor allen Dingen nicht immer, wenn es von Herrn Ramsauer kommt. Das liegt erstens in seiner Natur und zweitens in der Nervosität. Vor bayerischen Landtagswahlen für die CSU ist es einfach eine furchtbare Vorstellung, die absolute Mehrheit im Freistaat zu verlieren. Das macht die ziemlich wild. Das führt dazu, dass erkennbar ist, dass es tatsächlich zwei Koalitionspartner sind, die wir haben, nämlich CDU und CSU. Aber die gute Nachricht ist, dass trotz alledem die Koalition nicht stillsteht, sondern dass wir vorankommen. Das ist mühselig in solchen Situationen – gar keine Frage -, macht nicht immer sofort ein gutes Bild, aber wenn das grüne Licht kommt, dann ist das die gute Nachricht für das Land. Stillstand kann sich Deutschland nämlich nicht leisten.

Leonie March: Aber die Bürger fragen sich ja doch, ob die Koalition noch handlungsfähig ist, während sie sich selbst zerfleischt. Wie vermitteln Sie das?

Hubertus Heil: Noch mal, indem wir harte Sacharbeit in den Vordergrund stellen. Das betrifft die Frage von Mindestlöhnen beispielsweise. Die Leute erleben ja, dass es in Deutschland einen Aufschwung gibt, aber dass er an vielen Menschen spurlos vorübergeht, dass es so was wie ein gespaltener Aufschwung ist. Und wenn man will, dass Menschen, die hart arbeiten, von ihrer Arbeit auch leben können, dann muss man Mindestlöhne durchsetzen, darf man nicht nur darüber reden. Wir haben das übrigens auch schon in der Koalition, aber das geht jetzt weiter auch für weitere Branchen und das ist eine gute Nachricht für viele Millionen Menschen in diesem Land, dass wir Mindestlöhne durchsetzen und zwar noch in diesem Jahr.

Leonie March: Zweifel gibt es ja angesichts der sinkenden Popularitätswerte, auch daran, ob SPD-Chef Beck Kanzlerkandidat werden und Parteivorsitzender bleiben sollte. Wird da das Abschneiden der SPD bei der bayerischen Landtagswahl entscheidend sein?

Hubertus Heil: Um die berühmte K-Frage jetzt noch mal zu beantworten, eine ganz originelle Antwort, aber Sie kennen sie eigentlich schon. Die wird rechtzeitig entschieden. Im Übrigen gilt: man darf sich da nicht von jeder Umfrage aus dem Tritt bringen lassen. Wir sind in keiner einfachen Situation gewesen in den letzten Monaten. Das ist ja kein Geheimnis. Aber die SPD hat auf dem Zukunftskonvent in Nürnberg deutlich gemacht, dass sie Schritt für Schritt sich aus dem Keller rausarbeiten will. Das werden wir gemeinsam tun; da lassen wir uns auch nicht aufteilen.

Leonie March: Aber die Frage ist ja: wie wichtig ist die bayerische Landtagswahl?

Hubertus Heil: Wir wollen in Bayern kräftig dazulegen. Gar keine Frage! Wir kommen von einem sehr niedrigen Niveau in Bayern. Aber wir haben die Chance, auch die absolute Mehrheit der CSU zu brechen. Daran arbeiten wir. Das ist nicht so sehr eine Frage für die Bundes-SPD, sondern erst mal für die Menschen im Freistaat Bayern, dass Huber und Beckstein, die erkennbar nicht die Kraft haben, das Land zu führen, tatsächlich keine absolute Mehrheit mehr bekommen, dass die SPD nach vorne kommt im Interesse des Landes. Es ist eine Landtagswahl!

Leonie March: Hubertus Heil, Generalsekretär der SPD. Vielen Dank für das Gespräch!

Hubertus Heil: Schönen Tag!