SPD

Fünf Jahre Sigmar Gabriel

Sigmar Gabriel gestikuliert bei einer Rede mit dem rechten Zeigefinger
SPD-Chef Sigmar Gabriel vorige Woche beim Landesparteitag in Hessen. © dpa / Andreas Arnold
Von Frank Capellan · 24.11.2014
Die kurzatmigen Wechsel an der Parteispitze sind Vergangenheit. Die zu Flügelkämpfen neigende SPD scheint sich konsolidiert zu haben. Seit fünf Jahren leitet Sigmar Gabriel die Geschicke der SPD - aber wohin führt er die Partei?
"Wir müssen raus ins Leben. Da, wo es laut ist, da wo es brodelt, da wo es riecht, gelegentlich auch stinkt."
Es ist mucksmäuschenstill in der Dresdner Messehalle, als Sigmar Gabriel am 13. November 2009 seine Bewerbungsrede hält. Jeder Platz ist besetzt, viele Sozialdemokraten stehen zwischen den Stuhlreihen. Zu ihnen spricht ein Hoffnungsträger, der eine Partei übernimmt, die am Boden liegt: Nur 23 Prozent der Wähler stimmten noch für Merkels Juniorpartner. Manuela Schwesig, heute seine Stellvertreterin, ist davon überzeugt: Allein Gabriel ist es zu verdanken, dass die SPD damals nicht auseinandergeflogen ist.
"Das ist der große Verdienst von Sigmar Gabriel, dass er die Partei wieder geschlossen hat und ihr Mut gegeben hat. Dass er nicht den Draht zu den sogenannten kleinen Leuten verloren hat."
Mehr innerparteiliche Demokratie
In den Oppositionsjahren führt Gabriel seine Partei wieder nach links. Teile der Agenda 2010 werden korrigiert, der verhassten Rente mit 67 folgt - unter bestimmten Voraussetzungen - eine mit 63. Seine Generalsekretärin reformiert die alte Tante, kämpft für mehr innerparteiliche Demokratie, stärkt Mitgliederentscheide. Und: Andrea Nahles geht wie keine andere dorthin, wo´s stinkt.
"Guten Tag, ich bin Andrea Nahles ... "
Tausende von Klinken putzen die Genossen im Wahlkampf 2013. Peer Steinbrück, der einst im Volk so beliebte Finanzminister wird Kanzlerkandidat. Doch irgendwie passt er nicht zum linken Programm. Erst recht nicht, seit Steinbrück mit horrenden Vortragshonoraren von sich reden macht. 22. September 2013 - wieder lange Gesichter im Willy Brandt-Haus.
Gabriel geht aufs Ganze
Nicht einmal drei Prozent konnte die SPD unter Gabriels Führung zulegen. Einen Moment scheint es, als müsse er Konsequenzen ziehen, doch er geht aufs Ganze. Opposition ist Mist - Gabriel sieht keine Alternative zur Neuauflage der verhassten Koalition mit Angela Merkel und lässt sich seinen Schritt per Mitgliedervotum absegnen.
"Wenn das alles im Koalitionsvertrag steht,verdammt noch mal, dann dürfen wir doch keinen Zweifel daran lassen, dass wir den auch unterschreiben und mehrheitsfähig in der SPD machen. Reden, auch da wo es Konflikte gibt, sich nicht davor scheuen. Wir werden eine neue Sozialdemokratie aufbauen müssen in Deutschland, die SPD steht vor gewaltigen Umbrüchen."
Vermögensteuer für tot erklärt
Siggi Pop, diesen Spitznamen hat Gabriel, seit er mal der SPD-Beauftragte für Popkultur war. Jetzt aber gestaltet er das Land mit, seine Sozialdemokraten sind in Regierungsverantwortung. Und grätscht der Chef den Genossen gern mal dazwischen. Die Vermögensteuer, Dogma vieler Sozialdemokraten, hat er gerade für tot erklärt, weil es in Deutschland nicht möglich sei, Geldvermögen und Immobilien höher zu besteuern als Betriebsvermögen.
"Ich glaube, dass deshalb die Vermögenssteuer in Deutschland keine Chance hat."
Bundestagssitzung in Berlin. Die Klingel ruft ins Plenum. Zufällige Begegnung mit einem, der gar nicht mehr dazu gehört. Ludwig Stiegler, SPD-Urgestein aus Bayern. Der Mann, der immer einen roten Pullover trägt, ein Polit-Rentner, der um markige Sprüche nie verlegen war und so manchen Streit mit Sigmar Gabriel ausgefochten hat, auch in der Steuerpolitik - jetzt aber geht er ausgesprochen milde mit dem Vorsitzenden um:
"Gabriel ist ein Realist, und man muss eben sehen, dass ein Programmsatz zur Vermögensteuer unser Wahlergebnis nicht verbessert hat."
Kritik der SPD-Linken
Gabriel der Realist und die Parteilinke versucht dagegen zu halten. Gerade erst hat sich in Magdeburg eine neue Plattform gegründet, die sich durchaus gegen den unternehmerfreundlichen Kurs des Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel richtet.
Die neue Linke innerhalb der SPD wird von Gabriels Stellvertreter Ralf Stegner (links) geführt.
Die neue Linke innerhalb der SPD wird von Gabriels Stellvertreter Ralf Stegner (links) geführt.© dpa/picture alliance/Markus Scholz
"Hektische und unsouveräne Versuche, die Programmatik der SPD wieder nach rechts zu verschieben, um damit eine vermeintliche Mitte anzusprechen, sind der falsche Weg", heißt es wörtlich im Gründungsaufruf. Parteivize und Erstunterzeichner Ralf Stegner kann nur schwer verbergen, dass dies klar gegen Gabriel geht:
"Die Parteilinke will keinen neuen Kurs der Partei. Sie will nur, dass wir das gute Programm, das wir haben, auch durchsetzen!"
Die Kritik der SPD-Linken gründet auch auf der Sorge, dass der Parteichef mit seinem Kurs ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene völlig aussichtslos machen könnte. Eine Sorge, die auch Simone Peter, Vorsitzende des grünen Wunschpartners teilt:
"Ich weiß nicht, ob der Kampf um die Mitte hier das richtige Instrument ist!"
Und so bleibt er, fünf Jahre nachdem er die Partei übernommen hat, die Antwort auf eine Frage schuldig: Wie er die SPD aus der ewigen Gefangenschaft mit der Union herausführen will. Es klingt wie das berühmte Pfeifen im Wald, wenn er über das Regieren an der Seite der Kanzlerin erklärt:
"Es ist ja nicht so, dass Angela Merkel wie die Schwarze Witwe im Netz ist, und dann wartet sie, bis die SPD kommt, und dann frisst sie sie auf!"
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