Spaß am Singen - und an deftiger Kost

Von Mascha Drost · 17.02.2012
Im Schlachthof in Köln-Ehrenfeld treffen sich jede Woche nach Dienstschluss die "Fleischersänger" zur Chorprobe. Bei den Metzgern dürfen auch Bäcker, Kfz-Meister und Taxifahrer mitsingen.
Walter Heinen: "Wir sind ein reiner Männergesangsverein, uns gibt es seit 1902. Und das ist immer sehr schön wenn wir auf der Bühne stehen, da sag ich: Wir sind die Fleischersänger Köln – (im Chor) EV! Das kommt immer gut rum, die meisten erschrecken sich! (lacht) Bei uns ist eigentlich nur eine Bedingung: Man muss Spaß am Singen haben, gern Fleisch und Wurst essen und das Fleisch im Fachgeschäft kaufen - das ist es schon."

Chorsänger: "Vegetarier? Wir nehmen alle auf - wer zu uns kommt, wird zum Menschen gemacht!"

Jochen Mühle: "Und somit existieren wir schon Jahre, Jahre!"

Chorleiter: "Mir war sehr schnell klar, dass dieser Chor, was das Kölsche Liedgut angeht und Unterhaltungsmusik, einfach unschlagbar ist."

Chorleiter Theo Balkhausen. Die Kölner akzeptieren ihn – und das, obwohl er aus der belächelten Voreifel kommt...

Chorleiter: "Ich finde das einfach klasse – wir proben, wir singen, wir essen zusammen, wir feiern - und das wertet so eine Probe auf."

Jede Woche treffen sich die Fleischersänger zum Proben - im Schlachthof. 35 sind es etwa, diesen Mittwoch etwas weniger – es läuft Fußball. Peter Schrein ist trotzdem gekommen.

Peter Schrein: "Wegen der Geselligkeit, weil es Spaß macht, vor allem ist es auch gesund."

Er ist Rentner und fährt nebenher Taxi.

Peter Schrein: "Ich hatte mal mit dem Herz Probleme gehabt, war beim Kardiologen, der hat ein Plakat herausgeholt und da stand: Singen ist gut fürs Herz. So habe ich keinen Stent bekommen, sondern nur Tabletten, und ist alles wieder in Ordnung – ne, ist wirklich gesund! Und man braucht keinen Psychiater, das hilft auch."

Walter Heinen: "Man erholt sich hier, man tankt wieder auf, es hat immer einer einen Witz, bei 35 Männern hat immer einer einen Witz dabei, meistens kennt man den nicht, oder tut wenigstens so."

Chorsänger: "Wo man singt, da lass dich nieder, böse Leute spielen Grammophon!" (Lachen) "

Das große Fest, das gibt es in Köln jedes Jahr. Und seit 50 Jahren sind auch die Fleischersänger beim Karneval dabei – einmal sogar auf einem Wagen beim großen Rosenmontagsumzug. Und immer mit einer eigenen Sitzung.

Walter Heinen: " "Wir texten schon mal um, zum Beispiel auf Kölsch: Du hast das Leben lang gearbeitet, und gedacht, das wär so gut, doch die Rente wird gestrichen, jetzt bist du der Idiot! Das kam also unheimlich gut an, so vor 3, 4 Jahren, ist heute noch brandaktuell."

Walter Heinen ist Metzger, seit 30 Jahren dabei und Präsident des Chores. Einer der wenigen mit dunklen Haaren und einer der vielen mit üppigem Schnurrbart.

Walter Heinen: "Und die zweite Strophe haben wir dann gemacht: 'Wenn du heutzutag mal krank wirst ist das nicht besonders gut, denn die Krankenkass' zahlt garnix, hast die Kosten selbst am Hut.' Also ist ein bisschen was kräftiges, kommt im Karneval immer gut an."

Peter Schrein: "Da singen sie hinterher immer: 'Da simmer dabei, das ist prihima' – passt ja auch gut! Ich hab im Karneval ein Lieblingslied gehabt 'Hast du deine Zähne in der Hand, dann ist gewiss, dass du keine 20 Jahre alt bist', hab ich dann immer gesungen auf Kölsch (singt) Jochen hat das gehört und gesagt 'Komm das singen wir alle im Karneval!'
Dann haben wir das alle im Karneval gesungen!"

Jochen, das ist Joachim Mühle – über 80, das älteste Chormitglied, und: gebürtiger Görlitzer.

Walter Heinen: "Wunderbar, wenn er auf der Bühne steht und singt 'Ich bin ene Kölsche Jung' das glaubt ihm jeder – so, jetzt hab ich ihn mal geoutet."

An jungen Kölschen Jungs allerdings fehlt es den Fleischersängern leider.

Walter Heinen: " "Und das ist eigentlich auch unser Problem – so ab 40 haben wir schon, dann sind sie schon mal länger verheiratet und sind dann froh, dass sie mal weg kommen, und freuen sich dann wieder auf die Frau!" (Lacht) "

Ein Potpourri beendet die heutige Probe – ein Potpourri, das, wie der Chorleiter stolz verkündet, regelrecht "Kreise zieht" und Köln-übergreifend für Aufregung sorgt. Denn was ist schon EIN Udo Jürgens gegen 30 Fleischersänger...


Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.