Sparkassen- und Giroverband kritisiert zentrale Bankenaufsicht

04.09.2012
Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Georg Fahrenschon, hält nichts von den Plänen der EU-Kommission, 6400 europäische Finanzinstitute von einem Ort aus zu beaufsichtigen. Sparkassen würden dadurch unnötig mit Bürokratie belastet.
Jan-Christoph Kitzler: Eigentlich will Wettbewerbskommissar Michel Barnier nur das umsetzen, was der EU-Gipfel Ende Juni beschlossen hatte, nämlich eine zentrale Bankenaufsicht in der Eurozone. Wir erinnern uns: Der Krisengipfel hatte Direkthilfen für Banken aus dem Euro-Rettungsschirm beschlossen, aber nur, wenn es eine zentrale Bankenaufsicht gibt. Die Europäische Zentralbank soll nun nach dem Willen Barniers künftig die rund 6.000 Banken in der Eurozone kontrollieren.

Bevor wir gleich darüber sprechen, berichtet Brigitte Scholtes über die Diskussion, wie das konkret aussehen könnte:

Diskussion über EZB und Bankenaufsicht (MP3-Audio) Beitrag: Diskussion über EZB und Bankenaufsicht (MP3-Audio)

Also die Aufsicht hat eine wichtige Funktion, meint zumindest Ulrich Kater, der Chefvolkswirt der Deka-Bank, und es gibt durchaus noch Streit über die Frage, ob denn wirklich alle Banken von zentraler europäischer Stelle beaufsichtigt werden sollten. Unwohl ist dabei zum Beispiel den Sparkassen in Deutschland, und über die Gründe dafür habe ich mit Georg Fahrenschon gesprochen, er war bayrischer Finanzminister, ist CSU-Politiker und inzwischen Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Zuerst habe ich ihn gefragt, was denn aus seiner Sicht gegen eine zentrale europäische Bankenaufsicht spricht.

Georg Fahrenschon: Gegen eine effiziente Aufsicht spricht gar nichts, im Gegenteil, das ist uns sehr wichtig. Aber das ist nur möglich, wenn man auch ausreichend Einblick in die Geschäfte des jeweiligen Kreditinstituts hat. Da spielt wirklich Nähe eine zentrale Rolle. Von einem Ort aus 6.400 Institute zu beaufsichtigen, das wird nicht funktionieren, das verhindert sogar wirksame Aufsicht. Wir glauben deshalb, dass wir mit der Beaufsichtigung durch nationale Aufseher gute Erfahrung gemacht haben. Für die europaweiten, für die international tätigen, am Ende auch besonders anfälligen Banken, da kann man neue Wege gehen, aber die Kreissparkasse um die Ecke, die Raiffeisenbank am Marktplatz, die sollte man von solchen Plänen fernhalten.

Kitzler: Aber wenn Europa finanzpolitisch mehr zusammenwachsen soll, um Krisen wie die derzeitige künftig zu verhindern, braucht man dann nicht auch schlagkräftige gemeinsame Instrumente wie zum Beispiel eine Bankenaufsicht, die die Namen auch verdient, die tatsächlich alle Banken kontrollieren kann?

Fahrenschon: Ja, aber es macht doch überhaupt keinen Sinn, jetzt an einer Stelle eine Riesenbehörde aus dem Boden zu stampfen, um dann die Aufsicht für die regionalen Institute doch wieder zurück zu delegieren, dann kann sie auch gleich dort bleiben. Im Übrigen, ja, Sie haben recht, wir brauchen jetzt eine Antwort auf die Bereiche, wo Fehler gemacht wurden. Die örtlichen Sparkassen, die Volks- und Raiffeisenbanken, die haben die weltweite Finanzmarktkrise nicht ausgelöst, es waren die Investmentbanken, es waren die Großbanken, die international tätig waren - dort brauchen wir neue Wege. Wir sollten aber die regionalen Institute da raus lassen.

Kitzler: Man redet ja immer davon, dass die systemrelevanten Banken so besonders gefährlich seien, aber so ganz klar ist das ja nicht, wer ist eigentlich systemrelevant. Und das Beispiel Spanien zeigt ja auch, da war es ja auch eine kleine Bank, die die große Krise ausgelöst hat. Ist das nicht auch in Deutschland ein Gefahrenpotential?

Fahrenschon: Die Sparkassen in Deutschland fühlen sich dem Regionalprinzip absolut verpflichtet. Sie werden keine Sparkasse finden, die, wenn sie aus Karlsruhe kommt, in Leipzig oder in Erfurt im Wettbewerb steht. Das ist der zentrale Unterschied zu Banken in anderen europäischen Ländern, die dieses Regionalprinzip aufgegeben haben. Wir glauben, dass wir an der Stelle effiziente Aufsicht brauchen, dass wir aber diese effiziente Aufsicht nicht mit einer zentralen Mammut-Behörde erledigen können, sondern dass wir ganz erfolgreich an den jeweiligen regionalen Strukturen uns orientieren sollten.

Kitzler: Ja…

Fahrenschon: Im Übrigen haben wir den Eindruck, dass es am Ende des Tages eigentlich noch um viel mehr geht. Es geht nämlich nicht nur um die Frage der Aufsicht, sondern der Kommissar hat ja auch Pläne eines gemeinsamen europäischen Einlagensicherungssystems vorgelegt, und das würde bedeuten, dass nach dem Steuerzahler jetzt auch der deutsche Sparer für die riskanten Banken und deren Geschäfte in anderen Ländern in die Verpflichtung genommen werden soll, und da werden wir uns dagegen wehren.

Kitzler: Bei den Sparkassen gilt das Regionalprinzip, das haben Sie gesagt, aber haben nicht gerade die Sparkassen auch besondere Risiken durch ihre Beteiligungen an den Landesbanken, an Bausparkassen und Versicherungen über die Regionalverbände? Zum Beispiel WestLB hat ja gezeigt, das kann auch ganz schön teuer werden.

Fahrenschon: Ja, aber auch hier sind wir unserer Verantwortung gerecht geworden. Das ist mit Sicherheit kein Ruhmesblatt für die Deutsche Sparkassenfinanzgruppe, aber wir haben uns nicht an irgendwelche anderen europäischen Mitgliedsstaaten gewandt, sondern sind unserer Verantwortung gerecht geworden und haben in den letzten Monaten eine ehemals der größten Banken in Deutschland abgewickelt und vom Markt genommen. Das ist ja der Unterschied, wir können doch jetzt bitte nicht auf einmal sagen, weil die in Deutschland ihre Probleme lösen, wollen wir jetzt auch auf ihr Geld, auf ihre Spareinlagen Zugriff machen und unsere eigenen Hausaufgaben nicht mehr erledigen. In Europa gilt nach wie vor das System der Subsidiarität: Wir sind 27 nationale Staaten, die sich in einem Zusammenschluss organisieren, kooperieren, auch Chancen ergreifen, aber da mit Zentralismus zu arbeiten, das geht falsch.

Kitzler: Ist es aber denn so falsch, wenn man eine gemeinsame - ein Zusammenwachsen der europäischen Finanzbehörden will, und wenn man dann auf der anderen Seite Kontrollinstanzen hat, die immer mit unterschiedlichen Brillen arbeiten, die eine andere Brille aufsetzen, wenn sie deutsche Regionalbanken ansehen, als eine große Bank, die europaweit tätig ist?

Fahrenschon: Ich glaube, es ist auch richtig, dass man Banken unterschiedlicher Größe, auch unterschiedlicher Ausrichtung unterschiedlich beaufsichtigt. Die Risiken stecken doch bitte nicht im regionalen Ansatz einer Sparkasse. Dort wird das Geld der Region eingesammelt und in der Region investiert. Unser Euro wird quasi innerhalb der Region für Infrastrukturprojekte der Region, für Investitionen in der Region eingenommen. Das hat eine ganz andere Risikoauswirkung wie die weltweite Spekulation mit Devisen oder Metallen oder Nahrungsmitteln. Das sind alles Bereiche, die völlig andere Elemente darstellen, die viel riskanter sind, und die riskanten, weltweit tätigen Großinstitute, die müssen völlig anders und viel schärfer beaufsichtigt werden wie die klassische Raiffeisenbank oder die Sparkasse um die Ecke.

Kitzler: Was haben denn eigentlich die deutschen Sparkassen, die Raiffeisenbank um die Ecke, was hat die zu befürchten im Falle einer gemeinsamen europäischen Kontrolle?

Fahrenschon: Wir glauben einfach, dass es nicht funktionieren kann. Am Ende legen Sie die Institute, die eine ganz wichtige Aufgabe haben, auch die regionale Wirtschaft mit Krediten zu versorgen, Sie schütten sie zu mit Bürokratie, Sie verhindern wirksame Arbeit. Sie können einfach die normale klassische Volksbank, die einfache Sparkasse, nicht mit einer weltweit tätigen Investmentbank vergleichen. Wenn Sie die über einen Kamm scheren, dann machen Sie einen Fehler, und deshalb wehren wir uns dagegen.

Kitzler: Bundeskanzlerin Merkel hat schon nach der Lehman-Pleite vor ein paar Jahren gesagt: Kein Finanzplatz, kein Finanzakteur, kein Finanzprodukt dürfen ohne Regulierung sein. Ist der Satz richtig oder falsch?

Fahrenschon: Der Satz ist richtig, aber trotzdem müssen wir uns natürlich immer auch damit auseinandersetzen, wer macht was, und was ist die richtige Antwort auf sein Geschäftsmodell. Die Kanzlerin hat völlig richtig darauf hingewiesen, dass wir einen großen Bereich haben, die sogenannten Schattenbanken mit all ihren Produkten, die über keine Börse gehen, wo niemand weiß, welche Preise dafür gehandelt werden, wie viel Volumina darin stecken, und dass die reguliert werden müssen. Und ich glaube, sie hat auch Recht, wenn sie sagt, wir brauchen jetzt Konsequenzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die deutsche Bundeskanzlerin, die ja in einem System des Föderalismus mit 16 Bundesländern auch groß geworden ist, einem System die Hand reicht, wo alle über einen Kamm geschert werden.

Kitzler: Georg Fahrenschon, der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, einen schönen Tag!

Fahrenschon: Herzlichen Dank und auf Wiederhören!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


Mehr zum Thema:

Plädoyer für mehr Bankenaufsicht
Bremer Volkswirt Rudolf Hickel fordert starke Regulierung der Finanzmärkte (DKultur)

Systemrelevante Banken unter europäische Aufsicht stellen
CSU-Europaparlamentarier sieht in der Schaffung einer Superbehörde keine Lösung (DLF)

Erklärwerk: Die Bankenaufsicht
(dradio)
Mehr zum Thema