Sozialverhalten bei Affen

Von Carolin Hoffrogge · 11.12.2011
Affenforscher aus aller Welt haben sich diese Woche zu den Göttinger Freilandtagen in der Universitätsstadt getroffen. Besonders interessiert sie dabei die feine Balance zwischen notwendiger Flexibilität und bewährter Beständigkeit im Sozialverhalten. Davon versprechen sie sich, auch die Evolution des Menschen besser verstehen zu können.
"Ein großer Focus der Arbeit ist, warum sich Freundschaft entwickelt hat, warum kooperieren wir miteinander? Warum sind wir nett miteinander? Wo wir doch eigentlich wissen, es ist immer Konkurrenz um Paarungspartnerinnen, um Nahrung, um das Überleben im Prinzip."

Julia Ostner ist Juniorprofessorin am Courant Forschungszentrum zur Evolution von Sozialverhalten der Universität Göttingen. Die 40-jährige Biologin beobachtet Assammakaken im Nordosten Thailands, im Puh Khieo Nationalpark. In den vergangenen Jahrzehnten seien weibliche Makaken umfassend untersucht worden, so Julia Ostner. Aber das Sozialleben der männlichen Makaken stand bisher nicht im Mittelpunkt der Primatenforscher.

"Was wir finden konnten, was uns so aufgefallen ist, uns so fasziniert hat, dass die Männchen sehr nett miteinander umgehen, die sind aber nicht miteinander verwandt. Tatsächlich enge Beziehungen eingehen, die auch stabil sind über Jahre. Die unterstützen sich in Koalitionen, lausen sich, sind aber nicht verwandt.

Wenn Tiere verwandt sind, wie das oft bei Weibchen bei Affen der Fall ist, weil die Zuhause bleiben in ihrer Gruppe, dann erwarten wir das. Das ist was wir Verwandtenunterstüzung nennen. Ich helfe meiner Schwester und die gibt dann ja auch meine Gene weiter. Beim Männchen ist das unerwarteter."

Wie wichtig enge Bindungen bei Affen sind, erlebt auch Cathrine Crockford bei ihrer Arbeit im Budanga Forest in Uganda. Die britische Primatenforscherin reist mehrmals im Jahr in das zentralafrikanische Land, um hier mit 70 wilden Schimpansen zu leben. Bis auf fünf Meter geht Cathrine Crockford an die Menschenaffen heran, kennt ihre Schützlinge genau. Mittlerweile kennt sie auch den Gehalt des Hormons Oxytocin in jedem Schimpansen. Es ist das erste Mal, dass Primatenforscher nach diesem Hormon suchen, bekannt als Bindungshormon.

"Wir haben jetzt angefangen Urinproben zu nehmen. Das ist vielleicht ein nasser Job. Besonders wenn die Schimpansen direkt über uns im Baum sitzen. Wir warten dann bis einer lospinkelt und halten einen langen Stab mit einer Plastiktüte hoch, um den Urin aufzufangen, damit wir ihn danach pipettieren können."

Die Urinproben der Schimpansen werden dann sofort in ein Speziallabor nach Wisconsin in die USA geschickt und dort auf das Bindungshormon Oxytocin untersucht. Denn je höher der Gehalt des Hormons desto gesünder und langlebiger der Schimpanse. Mit ihrer Untersuchung konnte Cathrine Crockford auch nachweisen, dass nicht nur verwandtschaftliche Beziehungen bei den Affen wichtig sind.

"Wir haben beobachtet, dass die Schimpansen mit ihren Bindungen sehr flexibel sind. Befreunden sie sich nur mit Verwandten oder auch mit anderen? Wenn sie sich auch über ihre verwandtschaftlichen Beziehungen binden, haben sie Fitnessvorteile. Das wissen wir auch vom Menschen, wenn man zwei drei sehr enge Freunde hat, dann hat das einen großen Einfluss auf ein gesundes menschliches Leben."

Auch Orang-Utans auf den Inseln Borneo und Sumatra in Indonesien sind ausgesprochen flexibel. Mehrmals im Jahr fährt Primatenforscher Carel van Schaik zu ihnen. Dann folgt der Leiter des Insituts für Anthropologie der Universität Zürich den Orang-Utans durch den Urwald, seit 30 Jahren schon.

Wie flexibel die Orang-Utans sind zeigt schon ihre Sprache, so Professor van Schaik. Obwohl die Inseln Sumatra und Borneo geographisch dicht beieinander liegen, haben sich die Laute und ihre Bedeutung für die großen Menschenaffen unterschiedlich entwickelt, zum Beispiel der lange Ruf.

"Mit diesen Long calls. In Sumatra ist es ganz eindeutig, dass die Männchen Weibchen anziehen mit diesen Long calls, aber nicht nur Weibchen, die sexuell aktiv sind, sondern auch Weibchen mit Kindern, denn diese Männchen die schützen sie dort. In Borneo ist das nicht der Fall, weil die Weibchen mit Kindern, die ignorieren sie oder verwenden die long calls sogar, um sich zu verstecken, damit sie diesen Kerl nicht treffen."

Martha Robbins arbeitet am Max Planck Institut für Evolutionäre Anthroplogie in Leipzig. Die Hälfte ihres Arbeitsjahres verbringt die Mittvierzigerin in den afrikanischen Ländern Uganda, Ruanda und Gabun. Sie folgt Berggorillas und Western Gorillas. Jede Information über die Gorillas muss sie sich mühsam beschaffen. Bis auf 7 Meter traut sich Martha Robbins an die großen Gorillas heran.

"Im Sozialverhalten zeigen sie Unterschiede. Western Gorillas klatschen in die Hände, eine Art Signal um ihre Gruppe vor Gefahren zu warnen. Das kennen wir bei Berggorillas nicht. Oder wenn die Gorillas geschlafen haben, stehen sie manches Mal auf und formieren sich zu einer Art Prozession, um Essen zu suchen.

Dann läuft ein Gorilla hinter dem anderen her, legt die Hand auf dessen Rücken, sodass es aussieht wie ein Zug. In einigen Gruppen sehen wir das, in anderen nicht. Das sind alles Hinweise auf flexibles Verhalten und zeigt uns,- wenn wir unsere nahesten Verwandten, die Affen beobachten, wie wir Menschen unsere Flexibilität evolutionsgeschichtlich entwickelt haben."