Sozialismus mit Rotwein und Empanadas

Von Victoria Eglau · 04.09.2010
Salvador Allende war der erste gewählte sozialistische Präsident Lateinamerikas. Zuvor waren Stationen seiner politischen Karriere: Gesundheitsminister, Kongress-Abgeordneter und Senator. Nur drei Jahre nach der Wahl endete seine Präsidentschaft mit dem Putsch durch die Militärjunta und dem Tod Allendes.
1970: Präsidentschaftswahlkampf in Chile. Salvador Allende ist der Kandidat der Unidad Popular, der Volkseinheit: eines Bündnisses aus Sozialisten, Kommunisten und einigen kleineren Linksparteien. Allende, Arzt und langjähriger Senatspräsident, kandidiert bereits zum vierten Mal. Bei der Wahl am 4. September erhält der Sozialist 36,3 Prozent der Stimmen. Er verfehlt die absolute Mehrheit, liegt aber vor den Kandidaten der Rechten und der Christdemokraten.

"Er wurde dann im Kongress gewählt, im zweiten Wahlgang im Kongress. Und dank der Unterstützung der Christdemokratie konnte er an die Macht kommen."

Claudia Zilla, Lateinamerika-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Chiles neuer Präsident Salvador Allende vertrat einen demokratischen Weg zum Sozialismus. Die USA betrachteten ihn – gut ein Jahrzehnt nach der Machtübernahme Fidel Castros auf Kuba – als Bedrohung in ihrem Hinterhof.


"Es ging darum, zu verhindern, dass Lateinamerika rot wird. Mittlerweile haben auch Primärquellen das bestätigt, dass die USA sich aktiv dafür eingesetzt haben, die Wahl Allendes zu verhindern. Durch nordamerikanische Unternehmen vor Ort, aber auch durch Aktionen der CIA."

"Allende plantea que quiere hacer un socialismo a la chilena. Con empanadas y vino tinto.”"

Allende wollte einen Sozialismus mit Rotwein und Empanadas, den traditionellen Fleischtaschen, das heißt, einen volksnahen Sozialismus – erinnert sich der chilenische Wirtschaftswissenschaftler José Salvador.

""Alle Chilenen sollten Zugang zu Bildung und zur Gesundheitsversorgung haben. Die Einkommen sollten gerechter verteilt werden, und die Arbeiter ein stärkeres Mitspracherecht in den Unternehmensführungen bekommen. Um all das zu erreichen, waren strukturelle Veränderungen notwendig."

Die wichtigste der Reformen Salvador Allendes: die Verstaatlichung des lukrativen Kupferbergbaus, der bis dahin vor allem in US-amerikanischer Hand gewesen war.

"Mit dieser Verfassungsreform gehen die Kupferminen in nationales Eigentum über. Und die Bodenschätze unseres Landes werden für den Staat bewahrt."

erklärte der chilenische Präsident 1971. Bis heute ist die Kupferindustrie Chiles wichtigste Einnahmequelle. Im Parlament stimmten alle Parteien der von Allende betriebenen Verstaatlichung zu. Es war eine der wenigen politischen Maßnahmen, bei denen der Sozialist Konsens erzielte. Nachdem das erste Amtsjahr 1971 für ihn weitgehend positiv verlaufen war, rutschten Allende und die Unidad Popular in die Krise. Claudia Zilla:

"Es gab Maßnahmen, wie zum Beispiel Landübernahmen, die eher gewalttätig gelaufen waren, und die zugelassen wurden. Oder die Legalisierung von Gruppen, die an gewalttätigen Aktionen teilgenommen hatten. Das heißt, es wurde der demokratische Weg zum Sozialismus vertreten, gleichzeitig aber gab es Aktionen, die dem widersprachen. Und die Nationalisierungen waren nicht immer mit einer finanziellen Entschädigung begleitet."

Die Polarisierung zwischen links und rechts nahm immer weiter zu. Seine Regierung verlor die Unterstützung der Christdemokraten, die Mittelschicht wandte sich ab. Das lag auch an den wirtschaftlichen Problemen: Streiks, Versorgungsengpässe und Inflation. Die Bestrebungen der chilenischen Rechten, Allendes Regierung zu destabilisieren, wurden von den USA unterstützt. Oppositionsmedien und Streitkräfte erhielten Geld aus Washington. Nach den Worten des damaligen Außenministers Henry Kissinger schuf seine Regierung "die größtmöglichen Voraussetzungen für einen Putsch in Chile”. Im August 1973 wurde Augusto Pinochet Heeres-Chef. Knapp drei Wochen später ergriffen die Militärs die Macht. Am 11. September bombardierten sie den Regierungspalast Moneda. Bevor Präsident Allende dort starb – ob durch Selbstmord oder Mord ist nicht zweifelsfrei geklärt – richtete er eine letzte Radiobotschaft an die Chilenen:

"Ich werde nicht zurücktreten. Ich werde die Treue des Volkes mit meinem Leben bezahlen. Die Geschichte ist unser, sie wird von den Völkern geschrieben."