Soziale Netzwerke als Unterrichtsmittel

Ralf Appelt im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 16.03.2010
Die Möglichkeiten, die soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter bieten, sollte man auch für den Unterricht nutzen, findet der Erziehungswissenschaftler Ralf Appelt. Dabei hänge viel davon ab, wie stark der einzelne Lehrer sich mit solchen Netzwerken vertraut mache.
Jan-Christoph Kitzler: In Köln beginnt heute die Bildungsmesse Didacta. Das ist an sich noch keine allzu große Sache für Leute, die das nicht interessiert. Richtig spannend ist aber, dass in diesem Jahr in den Messehallen die digitale Revolution im Unterricht diskutiert wird. Wir haben uns vielleicht schon daran gewöhnt, dass schon Erstklässler in der Schule am Computer sitzen und die ersten Schritte im Internet machen. Doch die neuen digitalen Welten können noch viel mehr, meinen die Bildungsforscher. Sie sprechen vom vernetzten Lernen und auch davon, dass man Angebote wie Facebook und Twitter auch didaktisch mit Gewinn nutzen kann. Einer, der damit schon Erfahrung gesammelt hat, ist Ralf Appelt vom MultiMedia-Studio der Universität Hamburg. Guten Morgen, Herr Appelt.

Ralf Appelt: Schönen guten Morgen!

Kitzler: Erklären Sie doch mal, wie Sie Facebook oder Twitter für Ihre Seminare nutzen.

Appelt: Zum einen ist es so, dass diese ganzen Social-Networking-Dienste und Social-Media-Angebote natürlich die Möglichkeit bieten, die Teilnehmer eines Bildungsprozesses miteinander zu vernetzen. Das heißt, die Studenten können auch außerhalb des Seminars miteinander kommunizieren, und das – und das ist eben neu – über Werkzeuge, die sie vielleicht ohnehin schon nutzen, also Facebook beispielsweise, die meisten Studenten sind dort bereits und man kann dann eine Gruppe aufmachen und sagen, okay, das ganze Seminar geht da rein.

Kitzler: Das heißt, man hätte sozusagen vom Raum unabhängige und potenziell ständige Gruppenarbeit?

Appelt: Genau. Potenziell zumindest, genau das ist der springende Punkt. Das passiert natürlich nicht immer so, wie der Lehrende sich das vielleicht manchmal wünscht, aber das Angebot ist immerhin da und die Verbindung zwischen dem, was ich eigentlich privat mache und was ich eigentlich in meinem Bildungsprozess mache, die ist natürlich viel leichter zu schaffen.

Kitzler: Um das zu machen, muss man natürlich die richtigen Geräte zur Verfügung haben und man muss auch etwas von sich preisgeben, zum Beispiel wenn man sich bei Facebook anmeldet. Kann man das bei allen voraussetzen, dass sie das wollen?

Appelt: Nein, ganz sicher nicht, und das ist auch ganz sicher nicht immer die richtige Lösung. Da muss man natürlich gucken, ob man mit Studierenden oder mit Schülern arbeitet, und selbst Studierende haben ein Recht, ihre Privatsphäre ein bisschen zu wahren und nicht alles mit Seminarteilnehmern und vor allem nicht mit dem Lehrenden zu teilen. Aber da kann man natürlich mit jeder einzelnen Seminargruppe Vereinbarungen treffen und Absprachen treffen, um diese Chancen, die eben in diesen neuen Dingen stecken, auch nutzen zu können.

Kitzler: Sie machen ja auch Lehrerausbildung an der Universität. Sagen Sie doch mal ein Beispiel, wie man etwa auch an der Schule Facebook für Klassenarbeit nutzen kann.

Appelt: Ich finde es schwierig, tatsächlich zu sagen: So müsste man es tun. Mir ist auch bisher kein Fall bekannt, wo das jemand ausprobiert hat. Interessant wird es genau in dem Moment, wo man sagt, wir möchten uns eigentlich über die Grenzen des Klassenraumes, oder über die Grenzen der Schule hinweg bewegen. Beispielsweise bei Kooperationsprojekten hätte man wieder den Vorteil, die Leute sind ohnehin auf so einer Plattform und man kann viel leichter eine Vernetzung herstellen.

Das bietet sich auch an, wenn nicht alle Schüler am Unterricht teilnehmen können, weil sie eine längere Reise machen, weil sie krank sind, weil sie im Praktikum sind. Dann bieten solche Vernetzungstools natürlich besonderes Potenzial.

Kitzler: Und den Schülern bringt das wahrscheinlich auch viel mehr Spaß, weil die eh sehr gerne in diesen sozialen Netzwerken unterwegs sind. Meinen Sie denn, dass damit auch wirklich besseres Lernen, eine bessere Qualität des Lernens möglich ist?

Appelt: Ich glaube, das bleibt abzuwarten. Das liegt so ein bisschen in den Händen desjenigen, der das Ganze organisiert, also des Lehrers im Regelfall, wie kreativ er damit ist und wie geschickt er diese Werkzeuge einsetzt. Einfach nur zu sagen, wir organisieren jetzt unsere Klassenfahrt mit Facebook oder so etwas, wird es sicher noch nicht sein, aber es gibt hier draußen in Deutschland eine ganze Menge sehr findiger Lehrer, die sich damit beschäftigen und überlegen, wie man das geschickt einsetzen kann. Und ich bin sicher, wenn man das ein bisschen weiter beobachtet und kreativ damit umgeht, dass man dann durchaus neue Potenziale heben kann, die wir im Moment noch nicht erkannt haben.

Kitzler: Aber der Schlüssel ist wirklich der Lehrer, der auch bei Twitter, bei Facebook zu Hause ist und das auch für sich benutzt?

Appelt: Ja. Es ist schon vorausgesetzt, dass der Lehrer zumindest mal weiß, was dort möglich ist. Einfach den Schülern das Feld zu überlassen und zu sagen, ja, macht mal, halte ich für denkbar ungünstig. Selbst wenn der Lehrer sich dagegen entscheidet, das im Unterricht einzusetzen, sollte er doch wissen, welche Potenziale da drinstecken, einfach um abwägen zu können, will ich das in meinem Unterricht oder nicht.

Denn das größte Problem ist eigentlich, dass diese Unkenntnis bei Lehrern und Eltern über diese Plattformen, über diese ganzen Dienste – und da geht es nicht nur um Facebook, sondern insgesamt um dieses social web -, da stecken so viele Gefahren drin, die natürlich auch teilweise da sind, aber vieles könnte man einfach aushebeln, wenn die Kenntnisse ein bisschen umfassender wären.

Kitzler: Glauben Sie, dass sich der Unterricht in den kommenden Jahren durch diese neuen digitalen Möglichkeiten radikal verändern wird?

Appelt: Ich kann es mir zumindest vorstellen und ich glaube, insbesondere auch durch die digitalen Endgeräte, die mehr und mehr zur Verfügung stehen. Das fängt an beim Handy und geht dann über Smartphones und wer weiß, was uns da noch alles überraschen wird. Die bringen natürlich, ob der Lehrer das will oder nicht, das Internet früher oder später ins Klassenzimmer. Dann kann man versuchen, das zu ignorieren und zu umschiffen, was, glaube ich, nicht gelingen wird, oder es wird sich eben was ändern müssen an dem, wie wir lernen.

Kitzler: Ralf Appelt vom MultiMedia-Studio der Universität Hamburg über Facebook, Twitter und Co. im Unterricht. Vielen Dank für das Gespräch.

Appelt: Gerne.