Sonnenstürme als Gefahr für Satelliten

Von Alexander Budde · 28.09.2013
Von Sonnenstürmen spricht man, wenn durch Eruptionen auf der Sonne hochenergetische Teilchen auf die Erde treffen. Sie können Satelliten lahmlegen oder das Stromnetz beschädigen. Den Prototyp für ein Frühwarnsystem haben Astrophysiker der Universität Göttingen vorgestellt.
Volker Bothmer vom Institut für Astrophysik der Universität Göttingen lässt die Sonne kaum aus den Augen. Er leitet das internationale Forscherteam, das im Rahmen des AFFECTS-Projekts ein verlässliches Frühwarnsystem für Weltraumwetter entwickeln soll. Die Projektpartner nutzen dazu Daten diverser Weltraum-Missionen, an denen sie beteiligt sind.

Die beiden NASA-Satelliten Stereo A und Stereo B etwa sind so positioniert, dass sie auch Vorgänge auf der erdabgewandten Seite des Sterns beobachten können, was eine längere Vorhersage erlaubt. Eine andere Sonde in Regie der NASA sendet im Sekundentakt hoch auflösende Bilder der Sonne, die sich der Astrophysiker sodann auf dem Monitor aufrufen kann.

Volker Bothmer: "Da sehen wir Bilder der Sonne, aufgenommen vom Solar Dynamics Observatory in verschiedenen Höhen der Sonnenatmosphäre. Verschiedene Temperaturen im ultravioletten Licht. Und da können wir jetzt in verschiedenen Höhen sehen, da kommt der Sonnenwind her, da entsteht möglicherweise ein Sonnensturm. Und wichtig ist auch, dass wir das darunter liegende Magnetfeld detektieren, damit wir wissen, was dann später vielleicht die Erde treffen kann."

Sonnenstürme können Geschwindigkeiten von mehreren Millionen Stundenkilometern erreichen. Die schnellsten Partikel brauchen weniger als einen Tag, um die 150 Millionen Kilometer entfernte Erde zu erreichen. Je nachdem wie und mit welcher Wucht diese Flut aus hoch energetischen Teilchen auf das Magnetfeld der Erde prallt, kann sie schwere Schäden an technischen Systemen und Installationen anrichten. Sonnenstürme hatten 2003 etwa zu einem mehrstündigen Stromausfall in Schweden geführt, das europäische Flugradar war für Stunden ausgefallen. Auch der Flugverkehr in den USA war gestört.

Volker Bothmer: "Wir haben 60 Flüge gehabt, die in den USA über die Polargebiete verlaufen wären. Die sind am Boden geblieben. Wir haben 15 defekte Transformatoren in Südafrika festgestellt. Und viele Effekte auch an Bord von Raumsonden, hervorgerufen durch die Elektronik. Dann haben wir natürlich Reibungsverluste an Satelliten um die Erde selbst. Wir haben auch den Verlust an Kommunikation über viele Stunden."

Eine wichtige Komponente des Vorhersage-Systems ist ein Satellit, der auf einer 1,5 Millionen Kilometer entfernten Umlaufbahn um die Erde kreist und Messdaten direkt aus der Teilchenwolke liefert - vergleichbar einem Sensor, der nach einem Meeresbeben Höhe und Energie der Flutwelle misst. Für ihre Prognose bleibt den Forschern wenig Zeit. Vor allem Rechenpower ist gefragt, um die von den Sensoren einströmenden Daten in Echtzeit in eigens entwickelte Analyse-Programme einzuspeisen. Stärke, Richtung und Geschwindigkeit eines Sonnensturms werden berechnet, um die damit womöglich verbundenen Gefahren abschätzen zu können.

Bereits heute greifen rund 30.000 Nutzer weltweit auf die AFFECTS-Daten zu. Die Forscher haben nämlich eine kostenlose App für Smartphones entwickelt. Dazu gehören etwa Unternehmen, die empfindliche Stromnetze unterhalten, die Flugzeugflotten dirigieren oder Messkampagnen durchführen. Aber auch Touristen, die die Sehnsucht nach dem Nordlicht lockt, sagt Chris Hall vom Geophysischen Observatorium in Tromsö. Die norwegischen Projektpartner erforschen, wie das Magnetfeld der Erde die Sonnenteilchen zu den Polen lenkt, wo sie in die Atmosphäre eindringen und als Polarlichter am Himmel entflammen.

Chris Hall: "Die Leute reisen selbst aus Japan herbei, um einmal im Leben die Aurora zu sehen. Noch können wir das Phänomen nicht viele Tage im Voraus vorhersagen, damit man in Ruhe seinen Flug buchen kann. Aber mit rund einer Stunde Vorwarnung können wir bereits sagen, wo was zu erwarten ist."

Volker Bothmer will das System noch weiter entwickeln. Die Partner ESA und NASA hätten bereits angedeutet, an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert zu sein. Für die kommende Woche seien Gespräche der europäischen Partner über die künftige Förderung angesetzt. Um den Prototypen in ein rund um die Uhr betreutes System zu überführen, seien allerdings noch weitere Anstrengungen nötig, sagt der Projektleiter.

Volker Bothmer: "Da brauchen wir erstmal die richtige Infrastruktur: Software, Hardware und Mitarbeiter. Und dann brauchen wir einen eigenen Besatz von Messinstrumenten auf Satelliten, die speziell konzipiert sind und in bestimmte Positionen fliegen, die sich als besonders günstig zur Vorhersage erwiesen haben."