Songwriter und Produzent Sampha

Vom Sidekick ins Rampenlicht

Sampha Sisay bei einem Konzert in Berlin
Sampha Sisay bei einem Konzert in Berlin © imago stock&people/Votos Roland Owsnitzki
Von Dennis Kastrup  · 08.02.2017
Superstars wie Drake oder Kanye West setzen schon lange auf seine Stimme und seine Ideen. Nun veröffentlicht der britische Songwriter und Produzent Sampha sein Debütalbum. Der Sidekick will zum Solokünstler werden. Kann das gut gehen?
Mir wurde schon immer gesagt: "Sampha, sprich lauter! Wir verstehen nicht, was du sagst. Sampha, die Leute werden dich niemals respektieren, wenn du nicht lauter sprichst!" Ich hatte immer schon eine leise Stimme.
Während Sampha schüchtern diese Worte sagt, sitzt er mit hängenden Schultern in einem Berliner Hotelzimmer. Man erkennt sofort: Selbstbewusstsein sieht anders aus. Und das darf man auch auf seine Musik übertragen: Eigentlich war das Debütalbum schon für September 2016 geplant.
Manchmal bin ich schon unsicher und denke zu viel nach. Diese Unsicherheiten zuzulassen und sie mir einzugestehen, ist mein Problem. Ich will lernen zu sagen: "Ich mag das nicht! Was kann ich tun, um das zu ändern?" Das ist die Herausforderung. Es ist wichtig zu lernen, dass etwas nicht unbedingt perfekt sein muss, um es zu veröffentlichen oder mit anderen zu teilen. Aber das ist eine Reise, bei der es kein Ankommen gibt.

Im Album verarbeitet Sampha den Tod der Mutter

Als Hintergrundsänger hat Sampha sich bereits einen Namen gemacht. Da konnte er sich noch verstecken. Jetzt steht er alleine im Scheinwerferlicht. Diverse Schicksalsschläge pflasterten diesen Weg. Nachdem sein Vater vor mehr als zwanzig Jahren gestorben war, verlor er 2015 auch seine Mutter - an Krebs. Die Diagnose hatte er fünf Jahre zuvor erfahren, Auf dem Debütalbum widmen sich mehrere Songs dem Kampf mit der Krankheit und der späteren Verarbeitung des Todes. "Kora Sings" ist einer davon.
Der Song handelt davon, wie ich mich um meine Mutter kümmere und versuche, ihr den Glauben zu geben, dass sie den Krebs besiegen kann. Aber wer bin ich eigentlich, dass ich ihr sagen kann, keine Angst zu haben?
Das Stück endet mit den Worten: "Du warst seit meiner Kindheit bei mir, du bist mein Engel, bitte geh nicht!" Obwohl die Worte zu den eindringlichsten auf dem Album zählen, hat Sampha für die musikalische Umsetzung eher einen Upbeat gewählt. Seine Art der Trauerbewältigung. Ähnlich divers gestaltet er auch sein Leben.
In meinem Alltag bin ich ein alberner Mensch. Da bin ich nicht so oft in Gedanken verstrickt oder traurig. Ich will nicht unbedingt davon laufen. Nur auf dem Album habe ich meine traurige Seite ausgedrückt. Mir ist bewusst, dass so etwas oft bei Musikern vorkommt. Das ist fast ein Klischee. Manchmal habe ich schon gedacht: ich werde nicht darüber schreiben. Das ist doch nicht mehr cool, heutzutage traurig zu sein.

Inspiriert durch Al Green

Mit den anderen Musikern meint er möglicherweise Drake, Frank Ocean, The Weeknd oder auch James Blake. Ihr Elektro-R&B-Soul ist seit mehreren Jahren sehr erfolgreich. Sampha schwimmt aber nicht in ihrem Fahrwasser mit. Er hat seine eigene Spur. Sein Gesang ist nicht so überzogen leidend, sondern schwebt eher andächtig über der Musik. Daraus resultiert auch eine Leichtigkeit, die die inhaltliche Schwere überlagert. Musikalisch orientiert sich Sampha dabei unter anderem an einem Idol seiner Jugend.
Mit zehn oder elf Jahren habe ich einfach die damals aktuelle Musik an mich rangelassen. Dabei bin ich auf besondere Harmonien gestoßen, die mich seitdem begleiten. Sie stammen wohl alle von Al Green.
Auch das Klavier hat ihn seit seiner Kindheit begleitet. An vielen Stellen des Albums übernimmt es eine tragende Rolle. Ihm hat er sogar einen eigenen Song gewidmet: "No One Knows Me More Like the Piano", niemand kennt mich besser als das Klavier.
In dem Album "Process", wie es der Name schon sagt, verarbeitet Sampha auf einfühlsame Art und Weise seine Vergangenheit. Die Krankheit seiner Mutter sorgte dafür, dass er sich in den Texten auch mit seiner eigenen Sterblichkeit befasst hat. Die Musik dazu begleitet ihn bei diesem Prozess.

Meistens schmiegt sich ein sanfter Beat an Gesang und Synthesizer, an vielen Stellen auch das analoge Klavier. Alles fließt ineinander. Der oft benutzte Halleffekt und Hintergrundgesang öffnet die Stücke. Mit seinem Debüt übertrifft Sampha zwar nicht die Musiker, denen er früher selber die Stimme im Hintergrund geliehen hat. Doch darum geht es ihm wohl auch nicht.
Ich hatte das Gefühl, dass ich mit dem Album alles verarbeitet habe, indem ich alles ausgekotzt habe. Das war damals und jetzt will ich einfach nur weiter machen.

Im März spielt Sampha in Berlin, Hamburg und Köln.

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