Sonderausstellung in Berlin

Bundesdeutsche Einwanderer in die DDR

Checkpoint Charlie in der Friedrichstrasse in Berlin. Der Grenzübergang ist für Diplomaten und Ausländer. Aufnahme aus den 1960er Jahren.
Ehemaliger Grenzübergang Checkpoint Charlie in der Berliner Friedrichsstraße © picture alliance / Teruko Sammer
Von Thomas Weinert · 23.11.2016
Wer die DDR verlassen, also "Republikflucht" begehen wollte, musste sich in Lebensgefahr begeben. Es gab aber auch genügend Menschen, die in die DDR einwandern wollten - insgesamt etwa 500.000 Menschen aus dem westlichen Teil Deutschlands. Die Ausstellung "Wechselseitig" in Berlin zeigt: Die Wenigsten gingen aus politischer Überzeugung.
"Geh' doch rüber!" Das war oft die Antwort am Stammtisch oder bei Diskussionen im Familien- oder Freundeskreis, wenn es um Kritik am politischen System in Westdeutschland ging. Dieser Spruch verdeutlicht, wie absurd es in den Augen vieler Zeitgenossen war, auf der Suche nach dem besseren Deutschland auch die DDR ins Blickfeld zu nehmen.
Dennoch haben rund 500.000 Westdeutsche diesen Schritt über die deutsch-deutsche Grenze gewagt – in der etwas unüblicheren Richtung. Das Ausmaß der Wanderungsbewegung sowie die Gründe dafür sind in Westdeutschland kaum publiziert und daher auch nicht bekannt gewesen.

Hinweis: Ausstellung in Berlin

Fünf Zeitzeugen berichten in einer Ausstellung der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde von ihrer Übersiedlung in die Deutsche Demokratische Republik. Die Ausstellung mit dem Titel "Wechselseitig - Rück- und  Zuwanderung in die DDR 1949 bis 1989" ist bis zum 17. April 2017 zu sehen.


Das Feature zum Nachlesen:
Es ist eine Zahl, die in keinem westdeutschen Geschichtsbuch steht. Eine Zahl, die in politikwissenschaftlichen Vorlesungen nicht vorkam. Eine Zahl, die nie in das westdeutsche Bewusstsein gelangte:
500.000 Menschen haben die Grenzen zwischen den beiden deutschen Staaten von West nach Ost überquert. Zwischen den Jahren 1949 und 1989 haben sie diesen eher unüblichen Weg beschritten. Sind einer Parole gefolgt, die ansonsten nur an westdeutschen Stammtischen gerufen wurde, wenn argumentativ nichts mehr ging: "Geh doch rüber!"
Zu den Menschen, die freiwillig die innerdeutsche Grenze von West nach Ost überquerten, weil sie in der DDR leben wollten, zählt Ellen Schernikau:
"Also ich bin heute noch der Meinung, dass dieses System, in dem wir leben, keine Zukunft hat und ich hoffe darauf – ich gehe als Zeitzeugin ja auch in Schulklassen um mit ihnen über diese Zeit zu sprechen – und ich hoffe, dass es eines Tages Menschen gibt, die einen zweiten Versuch starten, weil die sozialistische Idee in meinen Augen zukunftsgestaltend ist."
Es waren Menschen, die in der Deutschen Demokratischen, der sozialistischen Republik, ihre Zukunft sahen, wenn auch oft nicht aus politischen Gründen, aber auch aus persönlichen. Liebe heißt das Zauberwort, das sogar noch nach August 1961 seine Wirkung entfaltete.
Zum Beispiel bei Gerlinde Breithaupt:
"Meine Geschichte ist, dass ich nach dem Mauerbau in die DDR ausgereist bin. Der Grund dafür ist, dass ich meinen Mann … – ich habe selber Theologie studiert und mein Mann auch, in Heidelberg zu der Zeit und er in Rostock –, und ich hab' in der Zeit mal Lust gehabt, Erfurt zu besuchen. Und bei der Gelegenheit habe ich meinen zukünftigen Mann kennengelernt.
Wir haben natürlich erst gedacht: Nee, das funktioniert gar nicht. Wir haben uns dann aber eingestanden, dass wir uns sehr lieb haben und haben dann aber gemerkt: Es gibt keine gemeinsame Zukunft. Mein Mann sagte, ich will meiner Kirche in der DDR dienen, das ist mein Platz hier. Ich kann mir nicht vorstellen, die DDR zu verlassen. Das war für mich sehr hart."
In der Jugendarbeit der Gemeinde ihres Mannes fand dann auch Gerlinde Breithaupt ihre Aufgabe. Sie lebte sich in der DDR ein und kehrte auch bis zur Wende nicht mehr zurück.
Erkauft hatte sie sich ihre Liebe mit einer Nähe zur Staatssicherheit, die sie sich so nicht vorgestellt hatte. Wie tief der ostdeutsche Geheimdienst in ihr Leben eingedrungen war, wurde ihr erst klar, als sie ihre Akte eingesehen hatte.
Es begann mit der Stasi auf der Hochzeit und die Bespitzelungen endeten nicht, solange die DDR existierte. Es war so, als ob die Staatssicherheit selbst nicht glauben konnte, dass es etwas Stärkeres gab als die Liebe zum Kapitalismus: nämlich die Liebe im Sozialismus.
Otto Kern: "Ja, meine Frau liebte ich schon, aber ich hatte keinen Mut, ihr das zu sagen. Einmal, weil ich in dieser Hinsicht unerfahren und schüchtern war. Und zum anderen, weil ich in die DDR gehen wollte. Und dann haben wir uns auf einer verkehrsreichen Straße im Ruhrgebiet unsere Liebe gestanden. Und ich habe ihr ungefähr zehn Minuten nach der Liebeserklärung gesagt: Du, ich gehe aber in die DDR, ich sehe darin meinen Weg."
Manfred Kern und seine Frau Ingrid beantragten 1957 die Staatsbürgerschaft der DDR, zu Zeiten, als der gesellschaftliche und wirtschaftliche Kampf beider deutscher Staaten um das erfolgreichere System noch nicht entschieden war. Zu dieser Zeit war der Drang von West nach Ost in Zahlen deutlich höher als in späteren Jahren – die Zäsur, wen wundert es, war auch in dieser Richtung der Bau der Berliner Mauer.
Dennoch ziehen Ingrid und Manfred Kern bis heute ein positives Fazit ihrer Zeit in der DDR, obwohl ihre christliche Gesinnung für die vier gemeinsamen Söhne auch Einschränkungen brachten.

In Westdeutschland am "falschen Ort"

Wenn die überzeugte Sozialistin Ellen Schernikau über die Verantwortung gegenüber ihrem Sohn Ronald spricht, dann klingt es ähnlich, allerdings mit anderen Vorzeichen: Schernikau war der Liebe wegen nach Westdeutschland gezogen, aber weder sie noch ihr Sohn kamen mit diesem Deutschland zurecht:
"Er ist mit dem Bewusstsein aufgewachsen, am falschen Ort zu sein. Das muss man schon so sagen, das sind seine Worte. Und ich bin ungerne weggegangen. Denn ein Kind vergewaltigt man ja praktisch, man entführt ein Kind, ein Kind kann ja noch nicht selber entscheiden, wo es leben möchte. Und als es mit seinem Vater nichts geworden ist, und wir einfach da gesessen haben, da ging’s mir schlecht und das überträgt sich natürlich auch auf ein Kind. Er ist aufgewachsen mit der Sehnsucht, da mal wieder hinzukommen, wo er herkommt."
Ronald Schernikau, der mit sechs Jahren seiner Mutter illegal in den Westen folgen muss, fühlt sich dort nicht wohl. Früh politisiert er sich und tritt in die KPD ein.
Ellen Schwernikau: "Und parallel dazu hat er sich schon als Kind mit Geschichten schreiben beschäftigt und ist dann ja auch Schriftsteller geworden, es gibt eine Reihe Bücher von ihm. Und er hat immer das Gefühl gehabt, wenn er weiterhin schreiben möchte, Schriftsteller sein möchte, dann möchte er natürlich eine Ausbildung machen in einem muttersprachlichen Raum. Es war in der ehemaligen BRD so – heute mag das anders sein – man konnte da zwar Journalismus, Theaterwissenschaften, Germanistik und so weiter studieren, aber nicht Literatur."
Das gab es im deutschsprachigen Raum nur in Leipzig. Und nach Abschluss des Grundlagenvertrages nutzt Ronald Schernikau die Gelegenheit, sich beim renommierten Leipziger Kulturinstitut Johannes R. Becher vorzustellen – und er wird genommen. Als erster und dann auch einziger westdeutscher Student.
"Er hatte drei Jahre mit einem Dauervisum – was natürlich eine hoch priviligierte Situation ist – in Leipzig studiert, konnte also jederzeit nach Westberlin und mich in Hamburg besuchen, wo ich inzwischen wohnte und hat während der Zeit sich überlegt, dass er dableiben will. Obwohl er wusste, dass er da nicht veröffentlicht wird.
Eine seiner Abschlussarbeiten war: Die Tage in L. – L. für Leipzig. Und er hat die Sichtweise vom Westen auf den Osten und vom Osten auf den Westen beschrieben. Mit lauter kleinen Begebenheiten. Und es kamen dann Sätze vor wie 'Die DDR nervt'. Oder er hat Honecker und Nina Hagen in einem Atemzug genannt. Und so was ging gar nicht, da waren eben die Verlage – Aufbau und so – ein bisschen engstirnig."
Und so werden die Romane von Ronald Schernikau ausschließlich im Westen verlegt. Und obwohl er in der linken westdeutschen Kulturszene hoch geschätzt wird, bleibt es bei seinem Entschluss, seinem Kindheitsraum zu folgen:
"Da hat er mich in Hamburg besucht und da hat er gesagt 'Du, weißt du was? Ich habe die DDR Staatsbürgerschaft beantragt.' Und da habe ich gesagt: 'Weißt du was? Ich auch!'"
1989 – im Spätsommer vor der Wende – siedeln Mutter und Sohn kurz hintereinander in die DDR über. Erzählen kann Ronald davon nicht mehr, er starb mit nur 31 Jahren 1991.

Röntgental, der Ort mit dem sprichwörtlichen Namen

Auch Frauke Nauman hatte ihre Übersiedlung sorgfältig geplant.
"Also ich bin nicht losgerannt an die Grenze und hab' gesagt, dass ich jetzt in die DDR will. Sondern ich bin mit meinem Verlobten zur Polizei gegangen. Wir hatten Vorgespräche auch schon mit der Staatssicherheit, wie das alles ablaufen würde.
Man hatte uns gesagt: 'Sie können sich schon einen Standesamt-Termin holen. Kommen Sie am ersten März, am 17. Mai können Sie heiraten. Sie bleiben nur kurz da in diesem Aufnahmelager in Röntgental, das ist alles nicht so schlimm. Und wenn Sie rauskommen – und diese Zeit nutzen wir dann ja auch, damit Sie eine vernünftige Arbeitsstelle kriegen und eine eigene Wohnung und dass Ihre Staatsbürgerschaft dann auch schon durch ist …' – das hatte sich ja alles hinterher als Lug und Trug erwiesen."
Röntgental, nordöstlich von Berlin, das war so etwas wie Marienfelde im Westen. Ein Aufnahmelager für deutsch-deutsche Übersiedler, nur eben nicht von Ost nach West, sondern von West nach Ost. Wer als Übersiedler aus der Bundesrepublik oder aus West-Berlin in die DDR kam, der landete oft in Röntgental.
Frauke Nauman ließ sich 1986 von ihrem zukünftigen Mann Kai dort abliefern, um DDR Bürgerin zu werden:
"Wir wurden dann auch sofort voneinander getrennt. Ich durfte mich auch nicht von ihm verabschieden, kam dann zwei Tage in so eine Quarantäne-Station, wo wir richtig eingesperrt waren. Und die ersten Gespräche waren dann eben, wie man sich das so vorstellt mit der Staatssicherheit bis nachts um zwei.
Da waren zwar auch noch andere, überwiegend DDR-Rücksiedler, also die zurückkamen in die DDR, die echten BRD-Bürger, die also in die DDR wollten, waren weit in der Minderheit, und in dieser ganzen Atmosphäre entwickelte sich dann eine ganz eigenartige Stimmung."
Mit diesen Widrigkeiten hatte Frauke Nauman nicht gerechnet. So uncharmant wie die Ausstattung der Zimmer sind auch die Mitarbeiter im Heim - bis zur Entlassung.
"Ich kriegte nur das Zeichen: Mitkommen, sofort! Dann wurde ich von der Kulturfrau auf mein Zimmer geführt, und dann hieß es nur: Sachen packen. Und ich: 'Wohin geht’s jetzt?' 'Das werden Sie schon rechtzeitig erfahren.' Kein Wort. Und das Einzige war dann nur: 'Packen Sie Ihre Sachen, jetzt gehen wir raus! Sie gehen jetzt zum Fahrstuhl, Sie reden mit niemandem mehr, gucken nicht nach rechts und links, und Sie sprechen mit niemandem.'
Und dann ging es wieder in ein Büro rein, demütigend dann auch wieder. Und dann musste ich wieder eine Ewigkeit warten, bis dann endlich jemand kam, ein Mitarbeiter, mir einen Umschlag auf den Schreibtisch legte und sagte: 'Da ist Ihr Ausweis drinnen, Führerschein, Reisepass, BRD-Ausweis, alle Papiere, das werden sie nie wieder sehen.' Und da wusste ich: Okay, das war’s jetzt, jetzt bleibe ich hier."

Vom Vater aus dem Westen zurückgeholt

Eine ganz besondere Rolle spielte die Stasi auch bei jenen Übersiedlern, die nicht so ganz freiwillig in die DDR umzogen – wie Karin Balzer. Sie war Leichtathletin. Weltklasse, wie sich später zeigen sollte. Gold für über 80 Meter Hürden bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio und Bronze über 100 Meter Hürden in München 1972. Sie blieb 1958 nach einem Wettkampf im Westen. Es dauerte nicht lange, da tauchte ihr Vater auf, und so bleibt ihre Geschichte der Übersiedlung in die DDR keine der Freiwilligkeit.
Karin Balzer: "Und er hatte den Auftrag gehabt, mich zurückzuholen. Es hatte sehr harte Gespräche gegeben, zumal ich zu Hause ja auch noch vier Geschwister hatte, mein Bruder war zur Strafe aus seiner Lehrstelle geflogen, das konnte ich also meinen Eltern nicht antun, das konnte ich auch meinen Geschwistern nicht antun, haben wir uns dann entschlossen zurückzugehen."
Und somit wurde auch Karin Balzer eine der 500.000 Übersiedler, nur eben auf mehr oder weniger sanften Druck.
"Und ich muss dazu sagen: Das war eigentlich das Härteste. Schon nach der Grenze wurden wir auf einen Parkplatz geführt und dann haben wir die erste Gehirnwäsche bekommen, und die war wirklich gewaltig. Und dann ging es weiter nach Halle und dort konnte zumindest mein Mann mir helfen, dass ich also nicht Rede und Antwort zu stehen habe. Und er kam dann nach dieser Vorführung zu mir und sagte: Um Gottes willen, das hättest du nie überstanden. Da hatte man wirklich Leute abgestellt. Nach dem Motto: Jetzt machen wir die beiden noch fertig."
Röntgental sei ein Luxushotel gewesen, verglichen mit dem, was Karin Balzer nach ihrer Rückkehr erwartete. Der Staat rächte sich an seinen Rückkehrern, wie diese Geschichte deutlich macht.
Karin Balzer: "Ich hab‘ ja manche Slums kennengelernt, ob das in Mexiko oder sonst wo war, aber das, was ich dort hatte … - ich konnte mich waschen im Betrieb, abends, wenn die Werktätigen nach Hause gingen, klammheimlich ging ich in die Dusche oder habe meine Wäsche dort gewaschen. Ich hatte keine Heizung, ich hatte nichts. Und meine Wirtin, sie beobachtete mich bei Tag und bei Nacht."

Die strenge Überwachung durch die Staatssicherheit hatten alle Übersiedler zu erdulden.
"Sie haben angenommen: Die haben wir unten, die wird uns hörig werden. Und genau das Gegenteil geschah eigentlich. Ich wurde plötzlich selbstständig, zielbewusst. Ich entwickelte mich mit diesen positiven Charaktereigenschaften – mit anderen Worten: Sie hatten eigentlich das Alphatier geschaffen. Die dann nach 1961 in Aktion trat und dann in der Welt von einem Wettkampf zum anderen fuhr und selbstständig marschierte. Das passte ihnen auch nicht."

"Ich musste wirklich Ordner abtippen"

Frauke Nauman hatte beruflich zunächst nicht so viel Glück wie Karin Balzer.
"Die Arbeit war furchtbar, das war eine Arbeitsstelle, die geschaffen wurde, die gab’s vorher gar nicht. Also man hat sich wirklich Gedanken gemacht. Ich wurde Sachbearbeiter für Produktionsvorbereitung. Ich musste wirklich Ordner abtippen. Es war völlig unbefriedigend."
Und so reagiert die westdeutsche Immigrantin wie in ihrer alten Heimat durchaus üblich.
"Und da bin ich, naiv, wie ich war, zum Kaderleiter des Betriebs gegangen und habe gesagt: 'Ich kündige jetzt.' Und der hat sich wirklich köstlich über mich amüsiert und gesagt: 'Du, so geht das hier bei uns nicht, hier kann man nicht einfach kündigen und gehen.'"
Naive Chuzpe, das ist das eine. Die eigene Meinung nicht hintenan zu stellen, das andere. Wer den Schritt getan hatte, dem Kapitalismus den Rücken zu kehren und sich so deutlich gegen den Trend zu stellen, der lässt sich auch nicht den Mund verbieten. Das haben wohl viele der in dieser Ausstellung porträtierten Menschen gemeinsam.
Wer seinem Leben eine solche Wendung gibt, sei es aus Liebe oder aus politischer Überzeugung, der schreckt auch nicht vor Funktionären zurück, die sich selbstgefällig in ihrer Partei eingerichtet haben, die schon lange nicht mehr hinterfragen, was die SED und die DDR für die Idee Sozialismus erreicht haben.
Ellen Schernikau: "Und dann bin ich zu meinem Parteisekretär gegangen und hab‘ gesagt: 'Dazu möchte ich nicht gehören, ich habe keine Lust in so einem Verein zu sein, ich möchte austreten.' Und dann hat er sich das angehört und gesagt: 'Mensch, Ellen, eigentlich, solche Leute wie dich brauchen wir. Wir müssen kritisieren.' Und ich habe immer kritisiert und Ronald auch."
Wer mit den Übersiedlern in die DDR heute spricht und nach Zweifeln fragt, ob sie kamen und wann, der bekommt oft ein Thema genannt, dass gerade in den ersten Jahren der DDR für viele Menschen zum Problem wurde: eine Wohnung zu finden.
Karin Balzer: "Ich bin dann das erste Mal aufgetreten und habe knallhart gesagt: Ich schicke meine Goldmedaille nach Berlin zum Ulbricht und tausche sie ein gegen eine vernünftige Wohnung. Und dann habe ich sie endlich bekommen."
Und dann war da noch dieses Unwiderrufliche, das mit der Entscheidung, in die DDR zu gehen, verbunden war. Es gab kein Zurück. Und es gab auch keinen Weg, über solche Nöte zu reden oder zu schreiben:
Frauke Naumann: "Was für mich das Schlimmste war: Man konnte ja nicht zum Hörer greifen und schnell mal Mutti anrufen, wenn mal was schief ging, da ging ja gar nichts. Und selbst schreiben ... - ich hab‘ zwar wahnsinnig viele Briefe geschrieben, aber ich konnte ja nicht mal schreiben, dass es mir nicht gut geht. Nicht mal das konnte ich schreiben."
Die Ehe von Frauke Nauman ging nach kurzer Zeit zu Bruch, sie wollte sich nicht eingestehen, nur wegen eines Mannes das System gewechselt zu haben, und deswegen machte sie das System zu dem ihrigen. Und – wie Karin Balzer - schließlich zu ihrer Heimat.
Karin Balzer: "Ich musste mir alles hart erkämpfen, sagen wir es mal so. Auf der anderen Seite muss ich aber auch sagen: Ich war wiederum aber auch zu Hause in Mitteldeutschland."
(huc)
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