Anne Köhler: Ich bin gleich da
DuMont Verlag, Köln 2015
351 Seiten, 19,99 Euro
Kochend zur großen Liebe
Von Manuela Reichart · 07.07.2015
Die Autorin Anne Köhler lässt ihren Roman "Ich bin gleich da" über weite Strecken in einer Küche spielen. Ihre Protagonistin ist Köchin aus Berufung und will nach Norden, ans Meer - jedenfalls möglichst weit weg von ihrer Familie in Süddeutschland.
Sie heißt Elsa und ist Köchin. Sie will ans Meer, weit weg von zu Hause. Auf dem Weg findet sie ihre Leidenschaft, eine Stellung im Sternerestaurant – und vielleicht die Liebe.
Die Protagonistin dieses Debütromans ist mehr aus Zufall, weniger aus eigenem Entschluss Köchin geworden. Sie wollte unbedingt von zu Hause weg. Der Vater war gestorben, sie hatte Schuldgefühle und konnte die übermäßige Trauer der Mutter nicht mehr ertragen. Elsa wechselt häufig den Arbeitsplatz, arbeitet etwa in einem Restaurant, das "XXL-Megatemple" heißt und riesige Portionen für wenig Geld anbietet. Sie macht Überstunden, um wenig nachdenken zu müssen, sie hat eine Affäre mit einem netten Kollegen, die sie panisch beendet, als mehr daraus zu werden droht. Eine junge Frau auf der Flucht vor Verbindlichkeit und ernstem Gefühl, die nur in der Küche zu leben scheint. Und dann bekommt sie die Chance ihres Lebens – in einem Sternerestaurant.
Wie ein Schwarzfederhuhn in seine Einzelteile zerlegt wird
Anne Köhler hat ausführlich und genau recherchiert (und dankt denn auch den Meisterköchen Vincent Kling und Kolja Kleeberg für ihre Unterstützung). Sie beschreibt eindrucksvoll die Abläufe, die Enge, die Hektik und Leidenschaft, die in den Spitzenküchen herrschen, aber auch, mit welcher Liebe zum Detail etwa Saucen gemacht werden oder mit welcher Präzision "ein Schwarzfederhuhn in seine Einzelteile" zerlegt wird. Man kann das Buch getrost auf den Küchentisch legen, wenn man sich das nächste Mal mit Geflügel herumschlägt: "die Oberschenkel abspreizen und am Gelenk durchtrennen, die Flügel am Ellenbogengelenk abschneiden; rechts und links des Brustbeins mit dem Messer entlangfahren, das übrig gebliebene Flügelgelenk durchhacken und die Brüste herauslösen, dann am Bruststück die Flügelhaut vom Knochen lösen und daran entlang mit dem Messerrücken nach unten schaben."
Trotz aller dichten Küchenatmosphäre geht es aber nicht allein ums Kochen und die Inbesitznahme einer Spitzenposition. Eindrücklich erzählt wird auch eine schwierige Familien-, eine unentschiedene Liebesgeschichte – und wie sich alle Verwirrungen und Hoffnungen miteinander verknüpfen. Am Ende besteht Hoffnung für die junge Köchin, dass sie nicht nur in der Küche reüssieren wird, und vielleicht ist der gute Freund, den sie in Hamburg findet, am Ende doch der Richtige fürs Leben.
Die Autorin betont, dass sie nach ihren Recherchen nicht mehr traurig sei, nicht Köchin geworden zu sein.