Somalia

Tanzen in Ruinen

Von Bettina Rühl · 27.02.2014
Mogadischu gilt als eine der weltweit gefährlichsten Städte. Auch das somalische Nationaltheater wurde zerstört. Die Ensemble-Mitglieder proben trotzdem weiter, auch wenn es im Theater keine Aufführungen gibt. Mit dabei ist auch die Folkloretänzerin Makai Sheikh Hadij.
Wenn sie tanzt, sieht Makai Sheikh Hadji aus wie eine glückliche Frau. Sie trägt ein weißes T-Shirt und einen traditionellen somalischen Stoff, dazu ein leuchtend rotes Kopftuch. Sie und ihre Kollegen proben an diesem Morgen einen traditionellen Tanz, alle sind konzentriert und strahlend bei der Sache.
Ihre Begeisterung lässt das Umfeld vergessen: Das Theater, in dem sie proben, ist nach mehr als 20 Jahren Bürgerkrieg eine leere Ruine. Es wurde komplett geplündert, selbst Stuhlreihen und das Dach sind geklaut.
Makai Sheikh Hadji: "Ja, ich bin wohl immer noch ein Star, trotz der ganzen Probleme, die wir und dieses Land durchgemacht haben. Dazu gehört, dass unser Theater schon vor langer Zeit zerstört wurde.
Außerdem ist der Krieg an keinem von uns spurlos vorbei gegangen, auch psychisch sind wir gezeichnet. Über die Jahre bin ich außerdem ein bisschen alt geworden. Trotzdem bin ich immer noch ein Star."
Hadji sitzt auf der Treppe, die aus der Eingangshalle nach oben führt, direkt in den großen Saal der Theater-Ruine. Die Treppenstufen sind die einzige Sitzgelegenheit, abgesehen vom Feldbett eines Soldaten, das unter einem schmuddeligen Moskitonetz direkt am Eingang steht, davor die ausgelatschten Stiefel des Militärs.
Er und einige Kollegen sollen Angriffe von Islamisten auf das Theater und die Künstler verhindern. Wie sie da in der leeren Eingangshalle sitzt, neben ein paar Flecktarn-Jacken der Soldaten über den Resten eines Geländers, wirkt die Tänzerin Hadji in ihrem weißen Hemd und den leuchtenden Farben etwas deplatziert.
Makai Sheikh Hadji: "Ich habe alles verloren. Meine Tochter ist tot, mein Mann ist verschwunden, unser Haus wurde zerstört.“
"Wir helfen uns gegenseitig"
Schon in den ersten Kriegsjahren ist eine Bombe in ihr Haus eingeschlagen. Dadurch starb ihre einzige Tochter, damals zweieinhalb Jahre alt. Ihr Mann verschwand nach dem Angriff, und Hadji blieb alleine zurück. Seitdem lebt sie in der Nähe des Theaters in einer Hütte, die sie eine "Bretterbude" nennt, und für sie trotzdem ein paar Dollar Miete zahlt.
Sie fühlt sich dort so wenig zu Hause, dass sie sich als "obdachlos" bezeichnet. Das Gefühl begleitet sie seit mehr als 20 Jahren. Ein Interview in ihrer Hütte lehnt Hadji ab: Künstler stehen sowieso im Fokus der somalischen Islamisten, die zum Terrornetzwerk Al-Qaida gehören. Ein weißes Gesicht würde zusätzliche Aufmerksamkeit erregen, und die kann in Somalia tödlich sein.
56 Jahre ist Makai Hadji mittlerweile alt, wirkt aber deutlich jünger. Vor dem Krieg wurde sie von der Regierung bezahlt, im sozialistischen System des Diktators Siad Barre war das Theater staatlich, so wie auch die Medien und alle anderen Kulturbetriebe. Seit Barres Sturz hat Hadji kein Einkommen mehr.
Makai Sheikh Hadji: "In Somalia ist es anders, als in Europa. Wir sind Muslime, und wir helfen uns gegenseitig. Ich überlebe dank der Unterstützung meiner Verwandten und einiger Freunde. Einige zahlen die Miete, andere teilen ihr Essen mit mir."
Einige dieser Verwandten leben im Ausland, sind vor dem Krieg geflohen und haben es dort zu relativem Wohlstand gebracht. Die Mehrheit der Menschen in Somalia hängt am Tropf ihrer Verwandten im Exil. Beglückend findet Makai die Abhängigkeit nicht.
Makai Sheikh Hadji: "Ja, ich bin deprimiert. Ich werde traurig, sobald ich über meine Situation und mein Leben rede. Eigentlich immer, außer wenn ich tanze."
Einen Drohanruf hat Makai Hadji schon bekommen. Trotzdem: mit dem Tanzen kann sie nicht aufhören. Obwohl sie das Risiko kennt, dass sie dafür von den Islamisten getötet werden könnte. Für ihren Beruf nimmt sie dieses Risiko in Kauf.
Makai Sheikh Hadji: "Ich habe alles verloren, ich werde immer älter und ich habe nichts in der Hand. Aber ich werde Tänzerin bleiben, ich kann nicht anders – ich bin dem Tanzen verfallen."