Software mit Todesfolge

Von Michael Engel · 14.03.2012
Zündzeitpunkt, Drehzahl, Geschwindigkeit – alle Daten im Auto werden heute elektronisch erfasst, verarbeitet, und an die entsprechenden Steuergeräte weiter geleitet. Bei Manipulationen an der Bordelektronik ist Vorsicht geboten. Selbst scheinbar harmlose Eingriffe können gefährlich werden.
Das waren noch Zeiten: Herbie - der tolle Käfer von 1969. Er konnte bremsen, lenken und Gas geben wie von Geisterhand gesteuert. Die Leute von Walt Disney müssen wohl geahnt haben, dass elektronische Lenkhilfen, Antiblockier- und Navigationssysteme vor der Tür stehen. Heute steckt in jedem Auto ein bisschen Herbie.

Zu verdanken ist das alles der Bordelektronik. An die 70 Steuergeräte sorgen für den reibungslosen Ablauf. Motor, Getriebe, Kühlwasser, Gurtstraffer, Lenkung, Innentemperatur – praktisch alle Kenngrößen werden heute digital überwacht. In Wirklichkeit, so Stefan Kiltz von der Uni Magdeburg, ist das Auto ein rollender Computer:

"Der Kunde kauft ein Auto. Aber im Prinzip hat er ein vernetztes Rechnersystem. Da gibt es Sensoren, die dem System die Umwelt erläutern, was gerade ist, Drehzahl, Temperatur usw., wenn es zum Beispiel um Motormanagement geht. Und entsprechend Eingriffsmöglichkeiten durch Aktoren, Ventile, Zündfunke – diese ganzen Geschichten. Das geht in die Bremse und in alle relevanten Systeme des Fahrzeugs."

Früher mussten Hobbybastler Ventile schleifen und am Vergaser schrauben, um noch mehr PS herauszuholen. Im Zeitalter der Autoelektronik geht das alles nur noch per Mausklick.

"Bei einer Motordrehzahl von 3000 Umdrehungen sollten normalerweise die Einspritzventile zwei Mikrosekunden offen sein und sie verlängern diesen Zeitpunkt. Es wird mehr Kraftstoff eingespritzt. Wenn man es halbwegs gut anstellt, etwas mehr Motorleistung."

Nach einer aktuellen Studie des Instituts für technische und betriebliche Informationssysteme der Uni Magdeburg gehen elektronische Manipulationen vor allem auf das Konto von Bastlern, die ihr Fahrzeug heimlich in der Garage umprogrammieren. Besonders häufig sind Eingriffe in der Gurtelektronik, damit es nicht mehr piept, wenn man sich nicht anschnallen möchte. Doch nicht nur die elektronisch versierten Gurtmuffel leben gefährlich, wie Tobias Hoppe, einer der Autoren weiß:

"Airbags gehen auch häufig mal kaputt, nicht unbedingt nur nach einem Unfall, und müssen dann ausgetauscht werden. Nun gibt es da wegen dem enthaltenen Sprengstoff auch entsprechende gesetzliche Vorgaben. Man kann nicht einfach mal so einen gebrauchten Airbag irgendwo günstig kaufen. Dann kostet das mal schnell einige hundert Euro. Und jetzt haben wir uns zum Beispiel angeschaut, man bräuchte eigentlich nur eine kleine Platine für etwa zehn Euro, das heißt so könnte ein etwas krimineller Gebrauchtwagenhändler vortäuschen, dass ein korrekt funktionierendes Airbagsystem da ist, und in Wirklichkeit ist dieses überhaupt nicht mehr vorhanden und in dem Fall, dass tatsächlich ein Unfall auftritt, würden die Folgen natürlich gravierender sein."

Gefährlich sind auch scheinbar harmlose Eingriffe in die Elektronik. Da ist zum Beispiel ein Autofahrer, der die Geschwindigkeitselektronik auf Null stellt, um während der Fahrt auch Videos schauen zu können. Nicht ahnend, dass die Veränderung nun auch in die Lenkung eingreift. Normalerweise schaltet sich das eingebaute Videogerät ab, wenn ein Fahrzeug schneller als fünf km/h fährt. Da das Fahrzeug "denkt", es würde stehen, rastet nun das Lenkradschloss ein, und das bei hoher Geschwindigkeit. Um solche Manipulationen nachweisen zu können, fordert Stefan Kiltz eine "Black Box" nun auch für Autos:

"Wenn man soviel Elektronik einbaut, dann müssen diese Fahrzeuge, die elektronischen Systeme, das protokollieren. Und zwar in einer Art und Weise protokollieren, dass man das erfassen kann, und dass das manipulationssicher ist, dass man das im Nachhinein auch entsprechend auswerten kann, sollte das notwendig sein. Wir werden früher oder später nicht umhinkommen, dass wir analog zum Flugzeug die dort berühmte 'Black Box' drin haben werden müssen, dass man sagen kann: Wer hat was gemacht?"

Sollte ein Unfall passieren, infolge einer elektronischen Fehlsteuerung, muss natürlich geklärt werden, ob der Hersteller dafür haftet, oder ob eine nachträgliche Manipulation zum Beispiel an der Software schuld daran war. Und wenn ja, stellt sich die Frage, wer das System verändert hat. Der Nachweis wird schwierig, urteilen Fachleute, denn mittlerweile haben sogar Außenstehende Zugang zur Autoelektronik - drahtlos mit WLAN, Bluetooth und anderen Strategien.

"Wir haben auch vor einigen Monaten schon gezeigt auf einer Konferenz, dass man eine CD erstellen kann, die, wenn sie in das Navigationssystem eingelegt wird, dort eine manipulierte Betriebssoftware einspielt. Es ist potenziell schon eine Art von 'Remote-Angriff', also ein aus der Ferne ausnutzbarer Angriff, denn ich könnte so eine CD als Audio-CD tarnen und jemandem unter einem Vorwand zuschicken und sagen, hier tolle Musik, hör' die Dir die mal an im Auto, und er legt sie ein, und es wird direkt, wenn er die einlegt, eine Software auf das Navigationssystem aufgespielt, die dann natürlich auch den Zugang zu dem Fahrzeug internen Bussystem hat und potenziell auch solche Aktionen auslösen könnte."

Verschlüsselte Programme, Zugang zur Software nur mit Passwort und Protokolle, die jede Veränderung aufzeichnen. So will man der elektronischen Manipulation im Pkw künftig einen Riegel vorschieben. Ob es hilft, das ist die große Frage. Das Internet ist voll mit Tipps und Tricks.