Söder wirft Opposition Wahlkampftaktik vor

Markus Söder im Gespräch mit Ute Welty · 25.10.2012
Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) dringt darauf, das Steuerabkommen mit der Schweiz endlich abzuschließen. Der bisherige Zustand sei nicht haltbar: "De facto ist die weitere Verhinderung dieses Steuerabkommens das Offenhalten von Schlupflöchern".
Ute Welty: Horst Seehofer hat Druck! Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident hat eine Konferenz mit seinem Amtskollegen in Thüringen abgesagt, um in München die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Das Feuer entfacht hat offenbar Seehofers Parteisprecher. Der soll beim ZDF angerufen haben, um die Berichterstattung über die Nominierung von SPD-Spitzenkandidat Ude zu verhindern, Seehofers Herausforderer für die nächste Landtagswahl. Und wo Seehofer ist, da ist Söder meist auch nicht weit. Ich begrüße in München den bayerischen Finanzminister und früheren CSU-Generalsekretär, guten Morgen, Herr Söder!

Markus Söder: Hallo und grüß Gott!

Welty: Ihr Chef wirkte einigermaßen angestrengt gestern im Fernsehen. Geht es Ihnen ähnlich?

Söder: Nein, aber das muss man halt jetzt einfach aufklären, was da jetzt dahintersteht. Wenn es denn so gewesen wäre, wäre es natürlich nicht richtig und muss dann auch vom Tisch, es sind aber offensichtlich hier zwei unterschiedliche Auffassungen zu dem Thema zwischen einem Sprecher der "heute"-Redaktion und dem Sprecher der CSU. Das muss jetzt in der Parteizentrale, in der CSU-Landesleitung letztlich geklärt werden und dann entschieden werden, wie es weitergeht. Also, die Sache sollte transparent diskutiert werden, aber dann auch vom Tisch!

Welty: Haben Sie schon mit Ihrem Parteisprecher, mit Michael Strepp, sprechen können?

Söder: Nein, das ist Sache der CSU-Landesleitung, der Vorgesetzte ist da der Kollege Dobrindt.

Welty: Sie sind aber auch lange genug in der Politik, um zu wissen, wie sehr eine solche Affäre die weitere politische Arbeit belasten kann. Wie sehr sehen Sie Ihren Aktionsradius eingeschränkt?

Söder: Also, meinen sehe ich in keinster Weise eingeschränkt. Solche Sachen müssen eben jetzt diskutiert werden. Man sollte jetzt aber auch an der Stelle die Kirche im Dorf lassen. Wenn so was gewesen ist, es war ein Parteisprecher, ein Anruf, dann muss das eben einfach mal auch besprochen werden, muss das geklärt werden, muss auf den Tisch. Die Personen müssen das auch miteinander öffentlich diskutieren und im Zweifelsfall muss man auch dann die notwendigen Entscheidungen treffen. Das ist aber alles Sache des Parteivorsitzenden und des Generalsekretärs.

Welty: Entscheidungen haben Sie auch angekündigt, was das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland angeht: Das wird der Bundestag wohl heute verabschieden, während sich der Bundesrat eher ablehnend verhalten wird, denn SPD und Grünen ist das Abkommen zu lasch. Warum können Sie mit den Schwächen dieses Abkommens leben und andere nicht?

Söder: Ja, weil das eine deutliche Stärkung gegenüber der Ist-Situation ist! Also, es drängt sich schon ein bisschen der Eindruck auf, dass bei SPD und Grünen Wahlkampf gemacht wird! Man muss mal sehen: Jahrelang wurde gekämpft, auch vom Steinbrück noch, früher, bevor er Vorträge in der Schweiz gehalten hat, heftig gegen die Schweiz, jetzt muss endlich mal was passieren! Wir haben eine völlig unklare Rechtssituation, wir haben Datenkäufe, die hin- und hergehen, unhaltbare Zustände, die da sind.

Jetzt gibt es erstmals ein wirklich belastbares Abkommen, es wurde deutlich nachverhandelt, deutlich nachverhandelt, der Bundesfinanzminister hat massive Verbesserungen erreicht, sodass wir endlich diesen Zustand der Steueroase Schweiz beenden können. Dies jetzt nicht abzuschließen, heißt eine unhaltbare Rechtssituation zu verlängern. Und das kann nicht im Interesse der deutschen Steuerbehörden, aber auch nicht der Länder wie Nordrhein-Westfalen sein!

Welty: Wenn Sie sagen, SPD und Grüne sind im Wahlkampf: Sind Sie nicht im Wahlkampf, denken Sie nicht an mögliche, potenzielle Wähler?

Söder: Nein, beim Steuersünder geht es, das sind in dem Sinne keine Wähler, wir haben ja auch hart gearbeitet, die Steuerbehörden verfolgen in allen Bundesländern sehr hart jeden, der keine Steuern zahlt. Also, Steuerhinterziehung ist keine Parteisache, ganz im Gegenteil, das ist eine Staatssache, die muss bekämpft werden. Aber die Frage ist, wie wir am Ende effektiv damit umgehen können.

Und klar ist auch: Wenn wir dieses Abkommen nicht abschließen, dann bleiben in der Zukunft Lücken, die mit diesem Abkommen jetzt geschlossen werden. De facto ist die weitere Verhinderung dieses Steuerabkommens das Offenhalten von Schlupflöchern. Und das kann nicht sein!

Welty: Wie geht es denn weiter, wenn der Bundestag sich für das Abkommen entscheidet und der Bundesrat dagegen?

Söder: Ja, das muss man erst mal sehen. Ich meine, wenn der Bundesrat dagegen entscheidet, ein Abkommen nicht zustande kommt, dann bleiben halt letztlich zwei Konsequenzen. Der Versuch von Datenankäufen geht weiter. Wir haben schon klar gesagt, die Wirkung der Datenankäufe geht radikal zurück.

Man muss dazu sagen, am Anfang war das ein deswegen interessantes Mittel, nicht weil man viele bekommen hat, Steuersünder, sondern weil es viele Selbstanzeigen gegeben hat von Steuersündern, die nicht erwischt werden wollte. Das war ne gute Sache am Anfang. Das hat dazu geführt, dass man gerade am Anfang überhaupt Verhandlungen mit der Schweiz bekommen hat. Die Karte ist jetzt aber ausgereizt.

Durch die weiteren Verfahren, dass mit der Schweiz über diese Zielstaatenregelung verhandelt wird, das heißt, dass also auch kein Abschleichen von diesem Geld möglich ist, also der Transfer in andere Länder, ist im Prinzip alles dicht und zugemacht. Wenn man das jetzt nicht abschließt, dann bleibt alles offen, dann bleiben die Lücken, dann sollen Steuerfahnder aus Deutschland möglicherweise doch wieder über die Grenze gehen. Also, alles unhaltbare Rechtszustände, die am Ende keine Steuermehreinnahmen bringen, Steuerhinterziehern Optionen lassen. Und das alles nur wegen dem Wahlkampf? Keine gute Sache!

Welty: Bisher hat Bayern sich ja am Ankauf jener Daten finanziell beteiligt mit einer Million Euro, und dafür 500 Millionen an Steuermehreinnahmen bekommen. Das hört sich nach einem – Entschuldigung! – extrem guten Geschäft an!

Söder: Also, aus den Steuerdaten haben wir 26 Millionen bekommen, die Selbstanzeigen, die dann waren, die waren dann bei einer halben Milliarde. Also ...

Welty: Ja, ja, aber das ist ja dann trotzdem ein erkleckliches Sümmchen!

Söder: Ja, ja, natürlich, und die haben auch dazu geführt ... Diese Daten-CDs haben dazu geführt, dass die Schweizer alles verhandelt haben. Nur ... Alle Bereiche gehen radikal zurück, weil es nicht mehr so viele gibt. Und weil all diejenigen, die das früher versucht haben, versucht haben, jetzt andere Wege zu gehen. Also, das ist sozusagen – in Anführungsstrichen – ausgereizt, abgeschöpft, das Thema.

Und deswegen bringt es uns jetzt mehr, eine verlässliche Basis zu haben mit der Schweiz, Auskunftserfordernisse deutlich zu erhöhen, die Erbschaftssteuer in dem Fall deutlich bei Erbschaften zu erhöhen, Steuersatz auf Kapitalvermögen ist da mit der Schweiz deutlich entgegen ...

Also, all das, was uns jahrelang beschwert und auch von Steinbrück gefordert wurde, alles von Steinbrück gefordert, ist jetzt Verhandlungsgegenstand. Insofern wirkt das ein bisschen, noch mal ehrlich gesagt, jetzt nicht ganz fair, wenn man jetzt herkommt und sagt, das, was man ursprünglich mal gefordert hat, das gilt jetzt nicht mehr.

Welty: Der bayerische Finanzminister Markus Söder im Interview der "Ortszeit", er wirbt für das Steuerabkommen mit der Schweiz, über das der Bundestag heute entscheidet. Und ich danke für das Gespräch!

Söder: Danke!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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