So könnten die Konflikte der Zukunft aussehen

Rezensiert von Reinhard Mutz · 26.08.2012
Es geht um Rohstoffe am Meeresboden oder die Dominanz im Weltraum: Andreas Rinke und Christian Schwägerl skizzieren elf Konflikte, die der Welt im 21. Jahrhundert womöglich bevorstehen. Wer nach klugen, oft provokanten Anstößen zum Weiterdenken sucht, kommt hier auf seine Kosten.
Beklagen kann sich ein schreckhafter Leser nicht. Er wird vorsorglich gewarnt:

"Dieses Buch könnte Ihnen Angst machen."

So lautet der erste Satz der ersten Seite. Angst zum Beispiel vor Viren, Drogen, Pestiziden, die zu heimtückischen Kriegswaffen mutieren? Oder Angst vor dem jähen Absturz Deutschlands aus dem exklusiven Club der weltweit führenden Industrienationen, ausgelöst durch eine militärische Kommandoaktion auf hoher See?

Was klingt wie ein Agententhriller, ist eine der Geschichten, die uns die Autoren ausmalen. Sie spielt zu der Zeit, in der es Vergangenheit gewesen sein wird, Rohstoffe aus Bergwerken und Bohrtürmen zu gewinnen. Die klassischen Lagerstätten sind bereits erschöpft. Jetzt wird der Meeresboden abgesucht.

Ausladende Baggerschaufeln, sogenannte Kollektoren, greifen Manganknollen auf, die aussehen wie Gesteinsbrocken, aber ein ganzes Spektrum wertvoller Metalle und "Seltener Erden" enthalten. Schürfschiffe saugen das Fördergut an die Wasseroberfläche. Von dort leiten sie es zum Abtransport in die Heimathäfen auf bereitliegende Frachter.

Die Bundesrepublik, so geht die Geschichte weiter, hat sich die Lizenz für ein ergiebiges Abbaufeld im mittleren Pazifik gesichert. Hier versieht die "Nordsee", das Flaggschiff der deutschen Tiefsee-Schürfflotte, seinen Dienst. Plötzlich erlöschen an Bord alle Kontrollbildschirme. Die Warnleuchten signalisieren den Totalausfall der Förderanlage.

"Als der Kapitän der 'Nordsee' den Reservemonitor anschaltet, sieht er fünf riesige U-Boote, die sich entfernen. Offenbar haben sie die Kollektoren am Boden lahmgelegt."

Die U-Boote, und das ist die bittere Pointe, tragen amerikanische Hoheitszeichen. Ausgerechnet die USA, der militärische Hauptverbündete über Jahrzehnte, setzen der deutschen Wirtschaftsmacht ein abruptes Ende.

Das "pazifische Zeitalter", einst ausgerufen in Washington vom jungen Präsidenten Barack Obama, hat sich zu einem amerikanisch-chinesischen Kondominium ausgewachsen. Man teilt die verbliebenen Reichtümer der Natur untereinander auf. Das Nachsehen haben die Europäer, im Pazifik sind sie unerwünscht.

Wie plausibel erscheint dieses Drehbuch und wie schlüssig sein Ausgang? Darauf kommt es gar nicht unbedingt an, würden die Autoren vermutlich entgegnen.

Sie wollen die politische Sprengkraft anschaulich machen, die knappen Gütern und endlichen Ressourcen innewohnt, um die künftig bei weiter wachsender Erdbevölkerung zwischen Staaten und Staatengruppen immer erbitterter konkurriert werden wird – bis an die Grenze bewaffneter Gewalt und wahrscheinlich darüber hinaus. Das ist die Problematik, an der den Verfassern liegt, die Art der Präsentation ist nur das Dekor.

So umgibt jedes der elf Konfliktszenarien, die das Buch vorstellt, eine fiktive Rahmenhandlung, stilistisch angesiedelt im Grenzbereich zwischen Reportage und Kolportage. Sie verleiht den rivalisierenden Parteien Namen und Gesicht. Über die Realitätsnähe der Handlungsentwürfe lässt sich streiten, farbig aufbereitet und packend erzählt sind sie allemal.

Andreas Rinke ist Historiker, Christian Schwägerl Biologe. Aber beide arbeiten als Journalisten. Sie beherrschen ihr Handwerk und machen davon Gebrauch.

Sie berichten zum Beispiel über zunehmende Engpässe bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Wasser, Mineralien und fossilen Brennstoffen, von Spaltungstendenzen in der Europäischen Union jenseits der akuten Finanzkrise und über ethnopolitische Spannungen im Vielvölkerstaat USA.

Auffällig ist, dass nur ein einziges Krisenszenario, das zehnte und vorletzte, dem klassischen, nämlich militärischen Typus entspricht. Hier kämpfen Washington und Peking um die Vorherrschaft im Weltraum. Die Wirksamkeit von Satellitenwaffen steht auf dem Prüfstand.

"In 450 Kilometer Höhe findet der entscheidende technologische Schlagabtausch statt."

Den Amerikanern gelingt es, den chinesischen Angriff auf ihren großvolumigen, milliarden-teuren, mit Aufklärungs- und Kampftechnik vollgestopften und gerade in den Erdumlauf katapultierten Raumgleiter abzuwehren.

Das Buch endet optimistischer als es beginnt. Jeder der geschilderten Gewaltexzesse könne eintreten, doch vor Fatalismus wird gewarnt. Schließlich sei das 21. Jahrhundert noch gestaltbar. Wer Frieden will, muss Krieg verhüten. Dazu macht das Schlusskapitel Vorschläge. Es ist nicht der stärkste Teil des Buches.

Das liegt wesentlich an der Ambivalenz der Folgerungen und Empfehlungen. Zum Beispiel zur künftigen Bedeutung des militärischen Faktors. Armeen und Rüstungen sind unerlässlich, versteht sich, um Krieg zu führen. Sind sie ebenso unerlässlich – wie uns Regierungen nicht müde werden, zu suggerieren – um Frieden zu sichern? Rinke und Schwägerl melden Vorbehalte an:

"Kriege werden im 21. Jahrhundert nur noch sehr bedingt mit dem Aufbau starker militärischer Kräfte vermieden werden können."

Schärfer noch attackieren sie die amerikanische Hochrüstung des zurückliegenden Jahrzehnts, die im internationalen Vergleich alles in den Schatten stellte, was andere Großmächte für ihre militärische Sicherheit aufwendeten:

"Würden die USA mit den Billionen, die sie in die Feldzüge gegen den Irak und Afghanistan gesteckt haben und kontinuierlich in Aufrüstung investieren, in allen muslimischen Ländern weltweit eine Offensive für Bildung, Entwicklung, Ernährungssicherheit, Technologiekooperation und Kulturaustausch starten, so würde das deutlich mehr zu ihrer und zur globalen Sicherheit beitragen."

Daneben stehen dann aber ganz andere Urteile. Der heranwachsende Raketenabwehrschirm in Europa erhält gute Noten, obwohl er den Keim eines neuen Rüstungswettlaufs legt. Ausgaben für militärische Forschung werden als nützlich, da innovativ gelobt. Die Einrichtung eines französischen Flottenstützpunkts in Abu Dhabi soll den übrigen Europäern als Ansporn dienen, ebenfalls ihren globalen Wirkungsanspruch zu unterstreichen. All das ist sicherheitspolitischer Mainstream.

Reichlich bizarr mutet hingegen die These an, der fiktive Anschlag auf das deutsche Mangan-Förderschiff im Pazifik durch amerikanische U-Boote hätte möglicherweise abgewehrt werden können, wäre in den Jahren zuvor der Ausbau der Bundesmarine nicht sträflich vernachlässigt worden.

Wer auf letztgültige Wahrheiten zu den ewigen Fragen von Krieg und Frieden hofft, wird sich von dem Buch enttäuscht sehen. Wer nach klugen, oft provokanten Anstößen zum Weiterdenken sucht, kommt auf seine Kosten.

Andreas Rinke, Christian Schwägerl: 11 drohende Kriege
Künftige Konflikte um Technologien, Rohstoffe, Territorien und Nahrung
C. Bertelsmann Verlag, München, April 2012
Andreas Rinke, Christian Schwägerl: "11 drohende Kriege"
Andreas Rinke, Christian Schwägerl: "11 drohende Kriege"© Bertelsmann Verlag