Snowden-Archive

Erst ein Bruchteil der Dokumente veröffentlicht

"Next Level Big Data" steht mit Graffiti auf einem Container
Big Data hilft den Geheimdiensten. Doch auch nach den Snowden-Enthüllungen blieben die Reaktionen relativ verhalten. © dpa/picture alliance/Ole Spata
Von Florian Fricke · 06.02.2016
Eine Handvoll Aktivisten weltweit sucht nach Wegen, Snowden-Dokumente mithilfe von Archiven der Öffentlichkeit besser zugänglich zu machen. Auf der Transmediale in Berlin versuchten die Betreiber nun, eine gemeinsame Strategie auszuarbeiten.
Gestern Vormittag auf der Transmediale: Die Teilnehmer des Workshops Snowden Archive üben Smalltalk. Vom blutjungen Computer-Nerd bis zur pensionierten Bibliothekarin reicht das Spektrum. Die Teilnehmer eint ein Interesse: Wie können die Snowden-Dokumente für die Öffentlichkeit besser nutzbar gemacht werden? Andrew Clement zum Beispiel, frisch emeritierter Professor für Informatik, hat an der University of Toronto das "Snowden Digital Surveillance Archive" aufgebaut.
"Eine Reihe von Organisationen haben diese Dokumente zwar gesammelt und öffentlich gemacht, aber sie können nicht durchsucht werden. Sie wollen zum Beispiel alle Dokumente in denen das Unternehmen Verizon genannt wird oder Prism, eines dieser unzähligen Überwachungsprogramme. Und mit unserem indizierten Archiv kann man diese nun umfassend studieren. Die Journalisten haben in ihren Stories immer nur sehr selektiv aus den Dokumenten zitiert. Aber nun ist die Forschung für jedermann möglich."
Aber können die Snowden-Dokumente überhaupt von einem Laien verstanden werden? Die Spannbreite der Formen ist riesig. Da stehen amateurhafte Powerpoint-Präsentationen mit schäbigen Grafiken neben Dokumenten, die vor, kryptischen Abkürzungen und Decknamen nur so wimmeln. Doch Andrew Clement macht Mut.
Faszinierende Snowden-Dokumente
"Es braucht natürlich eine Zeit, bis man sich in solche Dokumente eingelesen hat. Aber wer trotz fehlendem Hintergrund einfach nur neugierig ist, der trifft bestimmt früher oder später auf ein Dokument, das ihn fasziniert. Und wenn man sich erst mal an all die Codes gewöhnt hat, wir stellen dazu auch ein Glossar bereit, dann ist die Beschäftigung für die Menschen, die sich dafür Zeit nehmen, bestimmt lohnenswert."
Ein weiteres Archiv ist search.edwardsnowden.com. Der Ansatz ist nicht ganz so akademisch wie der des klassischen Archivs der Uni Toronto. Man kann hier gezielter nach Fachbegriffen aus dem Überwachungskontext suchen. Ein drittes Archiv ist eher eine Beweisführung. Maria Xynou hat ganz alleine die Homepage "Surveillance without Borders". Sie will den gängigen Überwachungsnarrativen simple Fakten entgegen setzen, denn die drei großen Narrative hält sie für falsch: Überwachung richte sich gegen Verbrechen und Terrorismus, es ginge vorrangig um nationale Sicherheitsinteressen, und es handele sich um ein Luxusproblem der westlichen Welt. Maria Xynou:
"Um diese Fragen zu beantworten, bin ich tief in die Dokumente eingetaucht. Wer wird zum Ziel, warum wird überwacht und wo wird überwacht. Ich habe die Dokumente in sechs verschiedene Gruppen eingeteilt um zu verdeutlichen, dass eben nicht nur Kriminelle und Terroristen zum Ziel werden, sondern Staatsoberhäupter und Unternehmen, dass die Massenüberwachung vor allem politischen Agendas folgt und wirtschaftlichen Interessen."
Snowden müsse nicht in jeder Hinsicht vertraut werden
Im gemeinsamen Workshop, wie diese Archive sich ergänzen und voneinander profitieren könnten, gab es bei aller gegenseitigen Wertschätzung auch kritische Stimmen. Vor allem die Tatsache, dass nur ein Bruchteil der Dokumente bisher veröffentlicht wurden, sorgt bei den Aktivisten für Unmut. Auch dass Edward Snowden in Gegenspionage ausgebildet wurde und ihm und seinen Vertrauten nicht in jeder Beziehung vertraut werden müsse, wurde diskutiert. Deborah Natsios von der Leaking-Plattform Cryptome ist besonders verärgert:
"Glen Greenwald hat bereits zu Verstehen gegeben, dass sie in Verhandlungen mit der amerikanischen Regierungen stünden um die Nation zu schützen. Es wird also auch darüber verhandelt, welche Dokumente noch veröffentlicht werden dürfen. Das ist ein Faustscher Pakt. Und es ist uklar, ob Edward Snowden auch um seine Zukunft verhandelt, über seine Rückkehr in die USA, ob er vielleicht ohne Strafe davon kommt, falls er keine weiteren Dokumente veröffentlicht. Es ist jedenfalls kein demokratische Prozess, der dort hinter den Kulissen abläuft."
Trotz der Sorgen war sich die Teilnehmer einig, dass die Snowden-Dokumente besser auszuwerten seien. Und wem es zu riskant ist, die Online-Recherche in Anspruch zu nehmen, der kann auch auf das "Archive in a box" der Uni Toronto zurückgreifen. Sie packt das ganze bisher bekannte Snowden-Archiv in einen Mini-Computer, an den man Tastatur und Monitor anschließen kann – perfekt für die Offline-Recherche all der investigativen Hobby-Journalisten in spe.
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