Slowakisches Kino

Ohnmacht im Europa von heute

ueberwiegend von Roma bewohnte kaputte Hochhaussiedlung Lunik IX in Kosice,
Der Film von Regisseurin Fornay beleuchtet Schwachstellen in der Gesellschaft © dpa / picture alliance / Robert B. Fishman
Von Patrick Wellinski · 19.03.2014
Der dokumentarische Stil der slowakischen Regisseurin Mira Fornay lässt sich in seiner klaren Direktheit gerade so ertragen: Erbarmunglos fatalistisch zeigt sie die Realität eines in der Gesellschaft Gescheiterten in der Slowakei.
Marek rasiert sich die Haare, trägt einen Kapuzenpollover und lebt mit seinem Vater in einer kleinen Hütte auf einem Weinfeld. Die Kamera in "My Dog Killer" kann sich an Marek gar nicht satt sehen. Von allen Seiten zeigt sie ihn uns. Diesen stummen jungen Mann, der nichts hat außer seinem Kampfhund Killer. Sein Vater ist ein Trinker, die Mutter weg, die Tante macht ihnen das Leben schwer. Marek ist aus der Gesellschaft gefallen. Seine Freunde sind Neonazis, die sich ihre Zeit entweder beim Boxen vertreiben, oder in rauchdurchtränkten Kneipen, wo der Zutritt für Roma verboten ist. Und trotzdem gehört Marek nicht wirklich dazu.

Die junge slowakische Regisseurin Mira Fornay zeigt einen Jungen, der aus der Gesellschaft gefallen ist. Der von keinem sozialen Netz festgehalten wird, der mangels Alternativen sich nicht dazu aufraffen kann, sein soziales Umfeld zu verlassen. Auch deshalb greift er zu einer Verzweiflungstat, die ihn für ewig verfolgen wird.
Erschreckende Bilder der Gegenwart
An Mira Fornays kraftvollem Film "My Dog Killer" ist aber nicht nur interessant, wer hier was macht, sondern vor allem wo die Handlung verortet wird. Marek wohnt im Nirgendwo an der tschechisch-slowakischen Grenze. Die Sonne scheint zwar, wirkt aber immer kalt, spendet keine Wärme und schon recht keinen Trost. Die Häuser in denen Marek und alle anderen wohnen sind heruntergekommene Baracken, unfertig, der Putz bröckelt. Es sind Bilder aus der Europäischen Union anno 2013. Bilder der Gegenwart. Doch sie sind in ihrer rohen Klarheit erschreckend, denn sie verweisen auf die Schwachstellen unserer Gesellschaft.
Der fatalistische Grundton von "My Dog Killer" erinnert stark an Krzystof Kieslowskis "Ein kurzer Film über das Töten". Wie der polnische Regisseur verdichtet auch Fornay ihre Handlung, wählt einen dokumentarischen Stil für ihre Geschichte, dessen Direktheit das Gezeigte bis an die Grenze des Erträglichen führt. Doch nur so lässt sich vielleicht eine Ohnmacht vermitteln, die im heutigen Europa herrscht. Nicht an den Rändern. Sondern mitten im Herzen.
"My Dog Killer"
CZ/SLO 2013, Regie: Mira Fornay
90 Minuten
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