Slichot-Gebete in Jerusalem

Von Detlef David Kauschke · 11.09.2009
Die Tage vor den hohen Feiertagen sind für Juden in aller Welt eine besondere Zeit. Aber ganz besonders ist es in Jerusalem zu spüren, dass Rosch Haschana und Jom Kippur vor der Tür stehen. Denn hier wird in den zahlreichen sefardischen Synagogen und Jeschiwot die Tradition der Slichot-Gebete gepflegt.
Wenn nachts um zwei die Kehrmaschine durch das orthodoxe Stadtviertel Geula fährt, sind immer noch – oder schon wieder – zahlreiche Gläubige auf den Straßen unterwegs.

Sie sind auf dem Weg zu oder von den Synagogen und Yeschiwot. Sefardische - also orientalische - Juden sagen bereits in den Wochen des Monats Ellul die Slichot, die Vergebungsgebete. Nach anderer Tradition wird damit erst unmittelbar vor Rosch Haschana begonnen. Die Slichot werden in der Nacht gesprochen, bis zum Morgengrauen. Die Studenten der "Yeshiva Maor HaTora" beginnen damit kurz nach Mitternacht.

Der Jerusalemer Rabbiner und Buchhändler Marcel Marcus erläutert, worum es bei den Slichot-Gebeten geht.

"Im Zentrum der Slichot stehen die dreizehn Gnadeneigenschaften Gottes, die ein bisschen anders zitiert werden, als in der Bibel, um noch stärker zu betonen, dass Gott ein barmherziger vergebender Gott ist."

In der Jerusalemer "Yeshivat Shalom" hat der Rabbiner und berühmte Kabbalist David Batzri seine Schüler nachts um eins um sich versammelt.

Rabbiner Batzri betont, dass es sich dabei auch um die Vorbereitung auf den bevorstehenden Richterspruch handelt. Denn der Neujahrstag gilt als Jom HaDin, Tag des Gerichts.
"Wir bitten Haschem um Vergebung. Wollen zu ihm zurückkehren. Sodass der, dessen Name gesegnet sei, uns ein wohlwollenden Urteil zukommen lässt, dass wir alle für ein gutes Leben und Frieden eingeschrieben werden."

Die Slichot-Gebet sollen den Gläubigen helfen, auf den richtigen Weg zurückzufinden, zu Gott zurückzukehren.

Ein Gedanke, der sich in den Tagen vor Rosch Haschana in Jerusalem wie wahrscheinlich an keinem anderen Ort der Welt deutlich vermittelt. Rabbiner Marcel Marcus.

"Aber es bekommt natürlich einen anderen Aspekt, wenn man dann in Jerusalem ist, und um drei Uhr morgens aus einer Bar herausgeht und dann mit Leuten zusammentrifft, die auf dem Weg sind, die Slichot zu sagen. Und das noch in diesem Jahr, wo der Elul, dieser Monat vor den jüdischen Feiertagen mit dem Ramadan zusammenfällt, sodass wir eine ganz seltsame Symbiose, Unterschiede, Atmosphäre in dieser Stadt erhalten."