Skitourengehen in den Alpen

Anstehen auf den Schneepisten in Garmisch-Partenkirchen

Skiwandertour in den Österreicher Alpen
Skitouren wie hier in den Österreicher Alpen werden immer beliebter. © imago / Foto: Stefan Schwenke
Von Caroline Kuban · 22.02.2015
Die einen wollen am Morgen gut präparierte Skipisten haben, die anderen möchten auf den sicheren Routen während der immer beliebter werdenden Skiwanderungen die Natur genießen. In Garmisch-Partenkirchen wird jetzt der Kompromiss gesucht.
Wenn die letzte Gondel in die Talstation eingefahren ist und die Dämmerung die Berge in ein schemenhaftes Licht taucht, ist noch lange nicht Schluss am Hausberg in Garmisch-Partenkirchen. Für manch begeisterten Skifahrer beginnt dann erst das wahre Vergnügen. Martin Osterried ist einer von ihnen. In leichter Skihose und Softshelljacke, auf dem Kopf einen Helm mit Stirnlampe klebt er lange, rutschfeste Stoffstreifen, die sogenannten "Felle" auf die Unterseite seiner Ski.
"Das kommt jetzt auf die Skisohle, auf die Lauffläche, es wird eingehängt, entweder oben oder unten und man schaut, dass es straff drauf ist… und jetzt kann ich steile Hänge bis 40 Grad, hochgehen… Skischuhschaft wird gelöst, eingestiegen und losgegangen…"
50 Skitouren macht der kernige 60-Jährige durchschnittlich im Jahr, regelmäßig ist er auch am Abend unterwegs. Heute geht er 600 Höhenmeter den Hausberg hinauf bis zur Alm "Drehmöser 9". Zweimal in der Woche bietet die Hütte einen "Pistenabend" an. Geöffnet ist dann bis 22 Uhr, ein spezieller Service für die Skitourengeher.
Weniger als eine Stunde braucht man vom Tal bis zur Hütte, sagt Martin Osterried, ein Aufstieg mit mittlerem Schwierigkeitsgrad. Vorausgesetzt die Kondition stimmt, und die Technik:
"So wenig wie möglich den Ski anheben, weil es kostet nur Kraft. Wir schieben den Ski mit langen Schritten, aber nicht allzu schnell zum Beginn, schieben wirs einfach den Berg hoch."
Leichtes Material und lange Stöcke machen den Aufstieg auch für den Einsteiger zum Vergnügen. Ein Tourenski wiegt nur etwa ein Viertel von einem Alpinski, die Skischuhe sind trotz fester Schale extrem beweglich.
"Auf den Pisten ist es wichtig, dass wir am Seitenrand hintereinander hochgehen und nicht nebeneinander und einfach nie vor eine Kuppe queren, immer noch die Kuppe hinaufgehen und danach, wenn man unbedingt auf eine andere Seite müsste. Das ist jetzt mal ne Grundregel auf der Piste."
53 Hütten machen mit
Vor sechs Jahren rief Martin Osterried die Seite www.pistentour.com Leben. Mit ihrer Hilfe kann der Skitourengeher sehen, welche Hütte in welchem Skigebiet wann geöffnet hat. 53 Hütten machen derzeit mit bei dem Projekt, verteilt auf 49 Skigebiete in Deutschland und Österreich.
"Wir haben angefangen mit 20.000 Seitenaufrufen und sind mittlerweile bei etwa 160.000 Aufrufen in den vier Wintermonaten. Wir hatten Steigerungen um das zwei- bis dreifache manchmal."
Die Gründe für den Boom: auf geöffneten Pisten gibt es keine Lawinengefahr, man kann sich problemlos im Gelände orientieren und die Abfahrt ist leichter zu bewältigen. Allerdings kommt es auch immer wieder zu Konflikten zwischen Tourengehern und Bergbahnbetreibern. Die einen wollen sich in freier Natur frei bewegen, die anderen halten geregelte Abläufe für zwingend notwendig. Wer sich nicht an die vorgesehenen Aufstiegsspuren hält, bringt sich in Gefahr, erklärt Klaus Schanda, Marketingchef der Zugspitzbahn AG:
"Beim Hochgehen, wenn ich mich nicht an die Aufstiegsspur halte, kann sein, dass ich über Pisten hochgehe, wo grad präpariert wird, weil ich von unten das Gesperrtschild missachte. Heißt, es können Pistenraupen drinnen sein mit einer Seilwinde, äußerst gefährlich, wenn so eine Seilwinde mich erwischt. Beim Abfahren: es sind drei bis 400 Leute da am Abend oben, wenn die über eine Piste nachts abfahren, dann sieht die am nächsten Tag einfach nicht frisch aus, und der Gast, der ein Ticket von 40 Euro am Tag hinlegt, möchte eine frisch präparierte Piste."
Eine uralte Sportart
Skitourengehen oder auch Bergskisteigen ist eine uralte Sportart, die betrieben wurde, lange bevor der erste Lift gebaut wurde, argumentieren die Tourengeher. Die Bergbahn kontert: Wo sich viele Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen bewegen, braucht es Regeln, damit alle auf ihre Kosten kommen. Letztendlich würden die Tourengeher ja auch von der Infrastruktur, offenen Hütten und präparierten Pisten, profitieren, sagt Klaus Schanda.
"Und da erhoffen wir uns einfach ein bisschen mehr Verständnis, woher das Geld kommt, um diese Infrastruktur zu schaffen, die sie ja auch nützen. Sowohl tagsüber als auch abends. Und da liegt so ein bisschen die Krux."
Als Martin Osterried nach einer knappen Stunde auf der Drehmöser 9 ankommt, sind die Skiständer vor der Hütte bereits gut gefüllt. Einladende Musik tönt aus den Lautsprechern nach draußen. Drei Männer Mitte 30 ziehen ihre Felle von den Skiern. Einer von ihnen ist Jörg, gebürtiger Sachse, zurzeit Gebirgsjäger in Mittenwald. Drei bis vier Skitouren pro Woche stehen auf seinem Programm.
"Ich mach das seit über zehn Jahren. Das Schöne ist, man ist in der Natur, oder, das ist das Beste an der ganzen Geschichte, man ist weg vom Mainstream. Das ist eigentlich der Nachteil, dass es jetzt jeder machen möchte, dass es jetzt wieder zunimmt, aber insgesamt ist es eine feine Sache, dass man sich aktiv bewegen kann, …das ist ne gute Alternative, man tut was für seine Fitness und der Geldbeutel wird auch geschont, auch kein Nachteil."
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