Sir Simon Rattle hört 2018 auf

10.01.2013
Sir Simon Rattle wird seinen Vertrag als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker in fünf Jahren nicht noch einmal verlängern. Das gab Rattle im Rahmen einer Orchestervollversammlung bekannt. Rattle habe sich vor allem Verdienste bei der Modernisierung des Orchesters erworben, urteilt Olaf Wilhelmer, Musikredakteur bei Deutschlandradio Kultur.
2018 werde er 16 Jahre mit dem Orchester zusammengearbeitet haben, sagte Rattle am Donnerstag in Berlin. Davor sei er 18 Jahre Chefdirigent in Birmingham gewesen. Er sei sich sicher, dass es dann an der Zeit sei, dass ein Anderer "die große und großartige Herausforderung" übernehmen sollte, die Berliner Philharmoniker zu dirigieren.

Die Entscheidung, so Rattle weiter, sei ihm nicht leicht gefallen, denn er liebe das Orchester und habe deswegen den Musikern seinen Entschluss auch so früh wie möglich mitgeteilt:

"Ich freue mich auf viele schöne Konzerte in den kommenden fünf Jahren und darüber hinaus und bin sehr dankbar für die bisherige gemeinsame Zeit."

Der Orchestervorstand bedauerte die Entscheidung. Die Zusammenarbeit mit Rattle sei durch "große gegenseitige Sympathie" und einen "respektvollen künstlerischen und menschlichen Umgang" geprägt. Martin Hoffmann, Intendant der Berliner Philharmoniker, sagte:

"Für die Stiftung Berliner Philharmoniker und die Stadt Berlin ist das eine sehr bedauerliche Nachricht. Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung Sir Simon Rattles. Mit seiner herausragenden Musikalität und Kreativität begeistert er täglich neue Zuhörer für das Orchester und prägt die nationale und internationale Wahrnehmung der Berliner Philharmoniker als vitaler Kulturbotschafter Berlins. Ich freue mich auf die weitere gemeinsame Arbeit im Sinne des Orchesters und der Stiftung."

Aus Sicht von Olaf Wilhelmer, Musikredakteur bei Deutschlandradio Kultur, kann man über die tatsächlichen Gründe für Rattles Entscheidung nur spekulieren:

"Rattle und das Orchester sind ein starkes Team. Sie sind in absoluter Topform, auch gerade jetzt in diesem Moment. Allerdings, es ist ja dann auch eine lange Zeit, 16 Jahre, Rattle ist dann Mitte 60, da denkt man vielleicht auch schon mal über den Rücktritt nach, und Aufhören, wenn's am schönsten ist, ist ja auch eine gute Sache."

Man dürfe aber auch nicht vergessen, dass Rattle viel kritisiert worden sei, führte Wilhelmer weiter aus. So habe es immer wieder geheißen, die Berliner Philharmoniker hätten unter Rattle ihren besonderen Klang verloren. Er selbst halte das für "nicht zutreffend", aber die Kritik reiße nicht ab.

Seine größten Verdienste habe sich Rattle durch die umfassende Modernisierung und die mediale und soziale Öffnung des Orchesters erworben. Seit seinem Amtsantritt habe es einen Generationswechsel gegeben, viele Musiker seien in den Ruhestand gegangen, viele Positionen seien neu besetzt worden.

Rattle habe zudem ein "sehr, sehr breites Repertoire" entwickelt, von der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach, über die Sinfonien von Joseph Haydn und Gustav Mahler bis hin zu zeitgenössischer Musik - und er habe für technische und mediale Innovationen gesorgt, zum Beispiel durch die Präsenz der Philharmoniker im Internet und die Live-Streaming-Angebote. Außerdem habe er neue Projekte angestoßen, wie zum Beispiel das Education-Programm, mit dem sich das Orchester breiteren und vor allem jüngeren Publikumsschichten zuwende.

Das vollständige Gespräch mit Olaf Wilhelmer können Sie in unserem Audio-on-Demand-Angebot bis zum 11. Juni 2013 als MP3 hören.
Mehr zum Thema