Sir Peter Torry: Camerons "Nein" zu EU-Abkommen keine Absage an Europäische Union

Sir Peter Torry im Gespräch mit Nana Brink · 13.12.2011
Großbritannien sei und bleibe ein volles Mitglied der Europäischen Unikon, sagt Sir Peter Torry, ehemaliger britischer Botschafter in Deutschland, nach der Rede von Premier David Cameron in London. Der von Cameron abgelehnte EU-Fiskalpakt bekämpfe die Gründe der Krise jedoch nicht.
Nana Brink: Wird es beim Gleichschritt der 26 ohne Großbritannien bleiben? Und falls ja, mit welchen Folgen? Am Telefon begrüße ich Sir Peter Torry, von 2003 bis 2007 unter Tony Blair Botschafter Ihrer Majestät in Deutschland. Guten Morgen!

Peter Torry: Guten Morgen!

Brink: Hatten Sie die Hoffnung, David Cameron würde in seiner Rede den europäischen Partnern doch noch die Hand reichen? Oder hat er es gar sehr vorsichtig und für viele unbemerkt getan?

Torry: Ich glaube, seine Rede war ziemlich klar. Er hat klipp und klar gesagt, wir sind und wir wollen ein volles Mitglied der Europäischen Gemeinschaft bleiben. Weil das in unserem nationalen Interesse ist. Wir sind ein Handelsland, wir brauchen eine liberale, offene und wettbewerbsfähige Europäische Gemeinschaft.

Brink: Ein einflussreiches Vollmitglied der EU zu bleiben, wie Cameron gesagt hat: Ist diese Rolle jetzt nicht verspielt oder zählt, dass das Königreich der viertgrößte Nettozahler der EU ist?

Torry: Also, wir bleiben der zweitgrößte Nettozahler. Also, das bedeutet, dass wir mittendrin sind. Nein, also, die Probleme mit dem Vertrag oder mit dem Abkommen am Wochenende waren zweierlei: Erstens, obwohl ein wichtiger und richtiger Schritt in der Bekämpfung der Krise, die Auswirkungen dieses Abkommens werden erst mittelfristig spürbar sein. Also, die unmittelbaren Gründe der Krise, die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit in den südlichen Ländern, sind mit diesem Abkommen nicht bekämpft worden. Und die Märkte, Sie haben gestern gesehen, die Reaktion der Märkte ist eher enttäuscht. Der DAX ist gestern um dreieinhalb Prozent gestern gefallen. Die Märkte gehen davon aus, dass, was am Wochenende vereinbart worden ist, nicht ausreichend für die Bekämpfung der Krise sein wird. Und zweitens haben wir ein spezifisches Problem, was mit der Verteidigung der Interessen der City of London zu tun hat: Die wollten eher eine Chancengleichheit für die City, nicht nur einen Sonderweg für die City. Und es ist ganz falsch zu sagen, dass wir keine Regulierung wollen für die City, in manchen Aspekten wollen wir weiter gehen als momentan von der Kommission vorgeschlagen ist.

Brink: Gemeint waren eben von Ihnen natürlich die Finanzmärkte, ein großes Potenzial in Großbritannien. Was die Europakritiker durchgesetzt haben und David Cameron umgesetzt hat in Brüssel, empört die EU, wird aber von der Mehrheit der Briten begrüßt. Hat David Cameron also alles richtig gemacht?

Torry: Also, es sind welche, die sagen, er hätte länger in den Verhandlungen bleiben sollen. Man kann darüber diskutieren, aber im Grunde genommen wollte er ein Protokoll, um die Interessen der City of London zu schützen. Und das ist ihm nicht gelungen. Also, er hat es vorgezogen, den anderen ... Also, wir hätten einen Vertrag zu 27 vorgezogen, das war leider nicht möglich. Es war uns deswegen lieber, einen Vertrag zu 26 außerhalb der bestehenden EU-Verträge. Das ist eine komplizierte Rechtsfrage, aber ... Das Endergebnis bedeutet, dass wir, wie gesagt, ein volles Mitglied der EU bleiben werden, und wir werden unseren Beitrag leisten. Also, wir tun es in dem Sinne, dass wir schon der zweitgrößte Nettozahler sind, es ist kaum eine Verteidigungspolitik in Europa vorzustellen ohne Großbritannien, wir haben uns ständig für die Liberalisierung, Eröffnung, Erweiterung der EU engagiert und das werden wir weiter tun. Und dazu haben wir Alliierte. Es ist falsch zu sagen, dass wir isoliert sind. Wir haben vor Kurzem ein Abkommen mit Deutschland ausgearbeitet, um den EU-Haushalt unter Kontrolle zu bringen zum Beispiel.

Brink: Vielleicht können Sie uns dann erklären, welche Rolle für Sie Camerons europafreundlicher Koalitionspartner Nick Clegg spielt, der sich erst unterrichtet fühlte, dann meinte, nicht informiert worden zu sein, David Cameron ob seiner Entscheidung heftig angriff und gestern nicht im Unterhaus erschien?

Torry: Also, das stimmt und die Opposition hat viel daraus gemacht, obwohl die Begründung - habe ich gehört - war, weil er sein eigenes Statement vorbereiten wollte. Und er ist unmittelbar nach der Debatte im Parlament im Fernsehen erschienen, um seine Position zu erklären. Und wie gestern klar war, die Haltung der Regierung war vor dem Gipfel unter den zwei Koalitionspartnern ausgehandelt und vereinbart.

Brink: Wir haben heute Morgen schon darüber berichtet, heute wird sich die EU-Kommission mit den Lehren aus den Beschlüssen des EU-Gipfels befassen. Sir Torry, welche Zukunft sehen Sie - wenn Sie sagen, die Entscheidungen, so, wie sie gefallen sind, waren vielleicht nicht ganz glücklich, aber nun muss man sie durchziehen -, wo sehen Sie die Zukunft Europas in diesem Gespann der 26/1?

Torry: Also, die unmittelbare Herausforderung ist, endlich diese Krise in den Griff zu bekommen. Und das haben wir leider bis jetzt nicht geschafft. Und das Ergebnis des Abkommens letzte Woche hat es nicht getan. Wie gesagt, ein Schritt in die richtige Richtung, aber bei Weitem nicht ausreichend. Und die Probleme liegen auf der Hand, sie haben zu tun mit dem Mangel an Wettbewerbsfähigkeit in diesen südlichen Ländern und, also, die Märkte wollten eine Aufstockung des Europäischen Rettungsschirms, eine Beruhigung, dass endlich die Probleme Griechenlands in den Griff zu bekommen sind und so weiter, eine ordentliche Rekapitalisierung der Banken, und sie warten immer noch darauf. Und das ist die Herausforderung. Und diese Probleme, über die wir am Wochenende gestritten haben und die mit der City of London zu tun haben, sind im Grunde genommen zweitrangig. Die Hauptherausforderung ist, diese Krise in den Griff zu bekommen. Und die Märkte warten immer noch auf eine ausreichende Antwort darauf.

Brink: Sagt Sir Peter Torry, der ehemalige Botschafter Großbritanniens in Deutschland im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen sehr, schönen Tag!

Torry: Vielen Dank!

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