Singen mit Herzblut

Von Franziska Rattei · 06.08.2010
Das französische Wort "Encore" bedeutet so viel wie "noch einmal" oder "Zugabe". Seit 2007 allerdings hat "Enchore" noch eine weitere Bedeutung: Mit "h" geschrieben nennt sich so ein Frauen-Vokal-Ensemble in Leipzig.
Zehn junge Frauen, die meisten in Jeans und T-Shirt, alle Anfang 20, stehen im Halbkreis um einen Flügel. Es ist kurz nach 19 Uhr, Montag. Ein lauer Sommerabend. Und trotzdem haben sie den Weg in den Probenraum gefunden - im MDR-Tower im Zentrum von Leipzig, zwischen Gewandhaus und Oper. Am Flügel sitzt - ebenfalls jung: der 28-jährige Chorleiter Andreas Mitschke. Konzentriert und mit Vergnügen begleitet er das rein weibliche Ensemble.

Mitschke: "Die Mädels sind so mit Leib und Seele dabei, dass es richtig viel Spaß macht. Und da vermiss ich eigentlich keine Männerstimmen."

Seit 2007, also seit der Gründung des Ensembles, ist er der künstlerische Leiter von Enchore. Er schätzt die Sängerinnen wegen ihrer musikalischen Vorgeschichte. Fast alle von ihnen sind ehemalige Mitglieder des MDR-Kinderchors.

Mitschke: "Da kann man schon auf einem ganz anderen Level anfangen zu musizieren und muss jetzt nicht die Grundlagen vermitteln, und auch der homogene Chorklang ist dann von vornherein schon gegeben, so dass man eben jetzt dann auch richtig einsteigen kann und schöne Musikwerke einstudieren kann."

"Scarborough Fair", ein schottisches Volkslied aus dem 17. Jahrhundert, ist eines der älteren Stücke im Repertoire des Chors. Ansonsten finden sich eher zeitgenössische, manchmal auch klassische Werke, in den Chormappen.

Patricia Schöne, Sopranistin, hat hauptberuflich nichts mit Robert Schumann oder Felix Mendelssohn Bartholdy zu tun. Die 23-Jährige studiert Wirtschaftswissenschaften.

Patricia Schöne: "Bei Musik ist es schon - da hängt ein bisschen Herzblut mit dabei. Und wenn man das professionell dann angeht, muss man dann auch mit der entsprechenden Kritik umzugehen wissen. Und das war einfach ein Punkt, wo ich mir gesagt hab: Ne, Musik bleibt dein Hobby, und das wirst du gern machen, aber nicht professionell, also nicht so professionell, dass man sagt: ich studier das jetzt."

Manchmal fällt es ihr nicht ganz leicht, den wöchentlichen Probentermin am Montag Abend einzuhalten. Und doch: Enchore hat in ihrer Freizeit Priorität. Genau wie bei den anderen Ensemble-Mitgliedern. Und das gilt besonders für die Zeit vor Konzerten oder Wettbewerben; wenn die Proben sich häufen. Dann trifft sich der Chor bis zu dreimal pro Woche.

Patricia Schöne: "Ich hab’ für meine Prüfung jetzt gelernt, und war grad’ total vertieft in Mikro-Ökonomie, aber spätestens jetzt, wo ich wieder hier bin und alle lachen und alle sich freuen, freu ich mich auch wieder. Und, also, das verfliegt immer ganz schnell. Das is schön, ja."

Seit der Gründung 2007 hat Enchore an mehreren Wettbewerben teilgenommen und auch ein paar Preise gewonnen. Beim Sächsischen Chorwettbewerb zum Beispiel wurde der erste Preis ersungen, vom Internationalen Chorwettbewerb in Bad Ischl hat das Ensemble zwei Silber-Diplome mit nach Leipzig gebracht. Einheitliches und professionelles Auftreten ist da ein Muss.

Dunkelbraune Shirts und Hosen, dazu goldene Bolero-Jäckchen - die Sängerinnen haben Spaß daran, gut auszusehen. Und genau das ist ein Punkt, an dem Andreas Mitschke, der Chorleiter merkt, dass er es - eben - mit Frauen zu tun hat.

Andreas Mitschke: "Na, ja, es gibt schon mal Momente, wo ich sage: Ja, jetzt sollten wir doch mal wieder an die Musik denken und nicht so sehr um das Drumherum, aber ich denke, da sind die Ohren ja nicht verschlossen, also das wissen die auch selber."

Er ist derjenige, der in den Proben ab und zu ans Arbeiten, an den nächsten Auftritt erinnern muss. Vor allem nach den ersten eineinhalb Stunden, wenn die Konzentration langsam nachlässt.

Andreas Mitschke und die zehn Sängerinnen passen gut zusammen. Die Stimmung ist entspannt, es wird gern gelacht. Aber: das Team wird sich verändern – denn ab Herbst übernimmt Andreas Mitschke eine Vollzeit-Stelle als Kantor in Minden/Westfalen. Dann braucht Enchore einen neuen Chorleiter - aber der wird sich finden lassen, bei diesem Gesang.


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