Sinfonische Musik

Jede Menge Helden

Dortmunder Philharmoniker
Dortmunder Philharmoniker © Björn Hickmann
16.11.2014
Die aktuelle Spielzeit der Dortmunder Philharmoniker steht unter dem Motto „held_innen_leben". Schon der Beginn der Saison brachte nur heldenhafte Musik. Wobei die Art und Weise, sich vorbildlich zu verhalten, ganz unterschiedlich sein kann.
Viktor Ullmanns Heldentum bestand neben seinem Weg als Märtyrer des NS-Rassenwahns darin, dass er den strengen Radikalismus der 12-Ton-Schule mit der traditionellen Musizierweise zu versöhnen versuchte. Mit dem Klavierkonzert von Viktor Ullmann präsentieren die Dortmunder Philharmoniker ein Werk mit einer außerordentlichen Geschichte. Die Uraufführung des 1939 geschriebenen Stückes fand erst am 28. April 1992 in Stuttgart statt, fast ein halbes Jahrhundert nach der Ermordung des Komponisten in Auschwitz. Ullmann ist ein rastloser Geist gewesen, der fest daran geglaubt hat, dass es notwenig für einen Künstler sei, mit dem Publikum zu kommunizieren und dass man hierfür eine adäquate, moderne Sprache finden müsse. Zwei Jahrzehnte versucht er, in seiner Musik den Radikalismus und die Atonalität eines Schönberg mit der Romantik zu versöhnen. Die Früchte dieser Bemühungen sind nicht zuletzt in seinem Klavierkonzert zu hören. Fortschrittliche Harmonien treffen hier „große" romantische Melodik.
Zehn Jahre lang arbeitete Beethoven immer wieder an einer Ouvertüre zu seiner einzigen Oper, dem "Fidelio". Hiervon existieren gleich vier Versionen, drei unter dem ursprünglichen Titel der Oper, Leonore. Die Geschichte der Fassungen dieser Ouvertüre ist verzwickt. Zählungen wurden durcheinander gewürfelt und falsche Zuschreibungen gemacht. Wichtig ist nur: Die fünfminütige Fidelio-Ouvertüre, wie man sie heute kennt, ist das theatralische Endprodukt, während die drei Leonore-Ouvertüren Lösungen mit eigenem Wert darstellen, die Handlung des Stückes in ein adäquates musikalisches Gewand zu kleiden. Vom theatralischen Standpunkt aus gesehen mag die zweite Leonoren-Ouvertüre op. 72a des Guten wirklich zuviel zu bieten. Fünfzehn Minuten Musik, die das Geschehen bereits zusammenfasst und damit vorwegnimmt - das ist schon ein Drama, eine sinfonische Dichtung in sich. Für die Gattung "programmatische Konzertouvertüre", wie sie die Komponisten der Romantik, vor allem Felix Mendelssohn Bartholdy schaffen sollten, war sie deshalb wegweisend.
Mit einer „pièce de résistance" in Punkto musikalisches Heldentum, der Tondichtung "Ein Heldenleben" von Richard Strauss, gelingt mühelos der Bogen zurück zu Beethoven und seinem Hang zu politisch aktiven Heldenfiguren. Erleichtert wird die gedankliche Verbindung durch eine Bemerkung von Strauss aus der Entstehungszeit seiner Partitur. „Da Beethovens ‚Eroica' bei unseren Dirigenten so sehr unbeliebt ist und daher nur mehr selten aufgeführt wird, componire ich jetzt, um einem dringenden Bedürfnis abzuhelfen, eine größere Tondichtung, Heldenleben betitelt (zwar ohne Trauermarsch, aber doch in Es-Dur, mit sehr viel Hörnern, die doch einmal auf den Heroismus geeicht sind)".
Das ironische Zitat des Komponisten illustriert deutlich, dass man damals unter Sinfonikern wohl ernsthaft über eine moderne Eroica debattierte, also eine zeitgemäße „Neuauflage" der 3. Sinfonie Ludwig van Beethovens. Richard Strauss könnte sie im Sinn gehabt haben, ob nun im Scherz oder im Ernst.
Konzerthaus Dortmund
Aufzeichnung vom 17. September 2014
Ludwig van Beethoven
Ouvertüre zu Leonore Nr. 2 op. 72a
Viktor Ullmann
Konzert für Klavier und Orchester op. 25
Richard Strauss
‚Ein Heldenleben' - Tondichtung für großes Orchester op. 40
Moritz Ernst, Klavier
Dortmunder Philharmoniker
Leitung: Gabriel Feltz